Nur Pulverdampf und Schlachtenlärm? Die 1812 - Ouvertüre

  • Lieber Stimmenliebhaber!

    kannst du diese Aussage belegen?

    Nein das kann ich nicht. In der Partitur sind keine Stimmen für Chor vorgesehen.

    Ich erinnere mich allerdings an ein Interview mit Herbert von Karajan, in dem er sagte, Tschaikowski hätte vorgesehen gehabt, den Choral zu Beginn und die Zarenhymne am Ende von einem Chor singen zu lassen. Das wurde mir gelegentlich von Alexej Parin, dem russischen Musikwissenschaftler und Journalisten, in einem privaten Gespräch 1) bestätigt. Ob er es irgendwo geschrieben hat und wie er es belegen kann, weiß ich leider nicht.


    Beste Grüße

    Carsuso41


    1) Mit Parin habe ich zwei Jahre eng hier in der Akademie zusammengearbeitet und wir hatte in der Zeit viele Gespräche über russische Musik, vor allem über Muster und Symbole, Tradition und Religion, Macht und Heiligkeit in der russischen Musik!

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • 51ahQmdQ0uL._SL300_.jpg


    Manchmal liest man, dass es Igor Buketoff gewesen sein soll, der die Chorfassung erstmals erstellte (sehr fragwürdig - siehe unten). In der Literatur ist zuweilen die Rede von einer Rekonstruktion, was insofern so klingt, als würde es eine von Tschaikowski zumindest erwogene Möglichkeit aufgreifen. Einen wirklichen Quellenbeweis habe ich aber auch nicht. Buketoff setzt den Chor am Anfang, in der Mitte und am Ende ein, wo auch die alte Zarenhymne erklingt. Eingespielt wurde die Aufnahme mit dem New Philharmonia Orchestra sowie dem Cathedral Choir and Children's Choir of St. Ambrose (RCA, 1968).



    Herbert von Karajan spielte das Werk 1966 mit den Berliner Philharmonikern und dem Don Kosaken Chor Serge Jaroff ebenfalls in Chorfassung ein (DG), doch singt der Chor hier nur anfangs.


    61TeUTvDZnL._SL300_.jpg (russ.) 71uPdGUme3L._SL300_.jpg (engl.)


    Eugene Ormandy spielte die 1812-Ouvertüre mehrfach ein, darunter einmal mit russisch singendem Chor (Temple University Choirs/Philadelphia Orchestra; RCA, 1970), aber auch mit englisch singendem Chor (Mormon Tabernacle Choir/Philadelphia Orchestra; Columbia, 1959). Allerdings kommt der Chor auch hier in beiden Fällen nur am Anfang vor.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich muss ergänzen: Hier ist eine offenbar vollständige Diskographie des Werkes.


    Bereits 1928 (!) gab es demnach eine Einspielung mit Chor:


    Kitschin, Alexander (conductor) / Berlin Philharmonic / Ural Cossack Choir

    Arranged for male chorus and orchestra. Recorded 1928 in Berlin. Matrix 857/60 bm.

    78 (12") — Decca CA 8019/20 [1932]
    78 (12") — Deutsche Grammophon B 21009/12
    78 (12") — Polydor 95054/5
    78 (12") — Polydor BM 857/860
    33 (12") — Russian Disc R 10 01225/6 [1992]
    CD — Pristine Audio PASC 268 [2011]

    Hier käuflich zu erwerben.


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich muss ergänzen: Hier ist eine offenbar vollständige Diskographie des Werkes.

    Ist ja frappierend, wie oft das Werk eingespielt wurde!


    Und ich bin all die Jahre mit weniger als 10 Aufnahmen ausgekommen. Die meisten davon dürften zudem nicht wegen 1812 in meine Sammlung gekommen sein, sondern weil mich andere Werke auf der LP/CD interessiert haben.


    Live-Aufführungen habe ich tatsächlich - soweit ich mich erinnere - nur drei gehört: Herbert von Karajan im Berliner Sportpalast (weil es im Konzertsaal der Musikhochschule wohl nicht gegangen wäre und die Philharmonie noch nicht stand!), Lorin Maazel in der berliner Deutschlandhalle und eben Andrew Manze im Kuppelsaal in Hannover (Video siehe oben!).

    ... war dieses Stück eine Enttäuschung - dass es ein minderes ist, hatte ich erwartet, aber das fiel bei mir jetzt komplett durch,...

    Maxim Gorki hat das ganz anders beurteilt:

    "Die tief in dem Volk verwurzelte Ouvertüre, eine bedeutende machtvolle Musik, ergießt sich in strömenden Wogen durch den Saal und ergreift uns mit etwas Neuem, hoch über den Alltag Erhebendem..."


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


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  • Ich habe gestern 3 Tschaikowski-Werke gehört und gesehen: zuerst die Oper "Eugen Onegin" (MET-Stream), dann die Fünfte Sinfonie (Currentzis, SWR) und unmittelbar danach die Ouvertüre 1812 (Hannover, Manze) - die Ouvertüre empfand ich trotz Chören und allem visuellen Beiwerk als deutlichen kompositorischen Abfall gegenüber den beiden anderen Werken. Für mich gehört diese Ouvertüre nicht in die erste Reihe der besten Tschaikowski-Werke. Sie scheint mir ähnlich "bedeutsam" zu sein wie "Wellingtons Sieg" für Beethoven...

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner
  • Für mich gehört diese Ouvertüre nicht in die erste Reihe der besten Tschaikowski-Werke. Sie scheint mir ähnlich "bedeutsam" zu sein wie "Wellingtons Sieg" für Beethoven...

    Da kann ich voll zustimmen! Man kann ja auch mal anderer Meinung sein als Maxim Gorki!


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


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