Wer die junge amerikanische Cellistin Alisa Weilerstein auf der Bühne beobachtet, kann eigentlich nur zu dem Schluss kommen: diese Frau ist besessen von der Musik.
Das habe ich vor einigen Monaten geschrieben und nach Anhören ihrer Einstands - CD bei Decca bestätigt sich dieser Eindruck. Somit ist es vielleicht Zeit, einen eigenen Thread über dieses Ausnahmetalent zu starten, der sicher im Laufe der kommenden Jahre mit diversen Beiträgen gefüllt wird.
Frau Weilerstein ist die erste Cello-Solistin, die die Decca in den letzten 30 Jahren exklusiv unter Vertrag genommen hat. Dass das eine gute Idee war, zeigt gleich die erste CD, die kürzlich den Record of the Year 2014 Preis des BBC Music Magazine abgeräumt hat. Die CD hat eine interessante Vorgeschichte:
Vor ca. zwei Jahren schlug ein Bekannter der Cellistin, der auch Daniel Barenboim gut kennt, vor, sie möge doch mal mit dem Elgar-Konzert bei ihm vorspielen. Von dieser Idee hielt Frau Weilerstein überhaupt nichts, "who would be so crazy to do that" war ihre Antwort. Sie kannte natürlich die legendären Aufnahmen von du Pre/Barenboim und du Pre/Barbirolli, die sie als Jugendliche 100temal gehört hatte. Nach einigem Insistieren ließ sie sich aber doch dazu überreden und fand in Barenboim einen aufmerksamen Begleiter und Zuhörer, der auch ein paar Tipps gab. Als sie gerade ihr Cello einpackte, fragte Barenboim nebenbei, ob sie nicht nächstes Jahr das Konzert mit ihm in Berlin aufführen wollte. Sie war so überrascht, dass sie erst einmal anderthalb Stunden mit dem Cello kopflos durch den Central Park in NY lief und ihr Glück kaum fassen konnte.
So ist es also letztendlich zu einer gemeinsamen Aufnahme gekommen, die sicher anders ist als die mit du Pre aber nicht minder intensiv und überzeugend. Der gesättigte, intensive und runde Ton der Cellistin ist m.E. ideal für dieses Stück und während ich beim kürzlich gehörten Konzert mit Sol Gabetta nicht ganz überzeugt war, dass mir das Stück noch wirklich gut gefällt, war ich nach dieser Aufnahme wieder ganz begeistert.
Das zweite Konzert auf der CD ist dann auch noch eine zusätzliche Herausforderung, der sich wenige Cellisten und wohl auch wenige Zuhörer stellen mögen: Elliott Carters Cellokonzert von 2001. Da war der Komponist übrigens 93 (er wurde 104 und starb vorletztes Jahr). Von Altersmilde keine Spur. Wie bei allen seinen Kompositionen macht Carter keinerlei Zugeständnisse an sein Publikum, äußerst dissonant und komplex kommen seine Partituren daher und ich kann das nur in kleinen Dosen goutieren, so wie hier, wo zumindest die Cellostimme halbwegs gut hörbar rüberkommt. Der orchestrale Hintergrund ist "dorniges Gelände".
Hut ab, dass sich die junge Cellistin und der alte Herr das antun mochten.
Zum Carter gibt es auch eine schöne Geschichte, die man auch als Videoclip auf der website der Cellistin anschauen kann. Sie hatte nämlich noch die Gelegenheit, den jetzt über 100jährigen Komponisten vor seinem Tode zu besuchen und die Kamera war dabei. Nach einigen Nettigkeiten fragt sie, ob sie etwas aus dem Cellokonzert vorspielen soll. Carter: Machen sie nur, aber ich höre kaum noch etwas. Sie fängt an, hat noch keine 10 Sekunden gespielt, da unterbricht er sie und diskutiert Feinheiten der Artikulation der gerade gespielten Passage, die er sich etwas anders vorgestellt hat.