"Ein wunderbar leises Lied ist das" - so geht es mir auch, und ich will nur ein wenig Ergänzendes beitragen, dabei die Quadratur des Kreises vor mir: das "Unbestimmt-Schwebende" zutiefst zu bestätigen, und dennoch zur harmonisch-analytischen Klärung beizutragen.
Ich würde H. Wolfs Verwirrspiel mit den Vorzeichen nicht "zu hoch hängen" - fast scheint's mit ganz leisem Augenzwinkern so notiert. Es ist ein Lied in D! Anfangs in offenem D; bezeichnenderweise laufen (inklusive Klaviervorspiel) vier von fünf Anfangsphrasen in die offene Quinte, gründend auf D, aus, eben weder nach D-Moll noch nach D-Dur.(Und wenn die dritte Phrase doch auf zartem D-Dur endet, ist doch die unmittelbar vorangehende Dominante offen, also terzlos gefasst.) Dann der einzige wirkliche "Riss" in der Harmonik, beim Textbeginn "wer mag sie erraten" bzw. "beim Rauschen der Haine" - der Vorzeichenwechsel suggeriert wieder das "Falsche". Die Musik taucht in die Fis-Dur-Sphäre ein. Wenn aber Fis-Dur definitiv erreicht ist: folgt magisch sofort D-Dur, noch in Sextakkordlage, die eigentliche Grundtonart. Von daher erklären sich nun G-Moll (mit wundersüß schmerzender großer Septim eingefärbt) und G-Dur (mit gleißender großer Septim angereichert) als kadenzbildende Phänomene, die "selbstverständlich" zur Dominante A7 führen und von dort weiter in die aufrauschende Grundtonart.
Schon der allererste erklingende Ton ist ja das zweigestrichene D. Die Wendung gleich nach C-Moll könnte auch über das vorgezeichnete, jedoch imaginäre G-Moll erklärt werden, aber das führt nicht weiter. Eher ist es vergleichbar der berühmten, reizvollen Flamenco-Harmonik, wo - auf D bezogen - die Harmoniefolge D-Dur - C-Moll - D-Dur schlicht konstitutiv ist. (Aber bis zum Spanischen Liederbuch wird es noch ein gutes Jahr dauern, bei Hugo Wolf...) Das Klaviernachspiel lebt ganz vom Ausbau des Harmoniewechsels Mollsubdominante (G-Moll) und Grundtonart (D-Dur). Und als könne Wolf sich selbst kaum satthören an diesem zarten Schmerzakkord, lässt er noch vier Mal den "verschwiegen"-Akkord sprechen, eben jenes G-Moll mit großer Septim, welche dann jeweils in die mildere Sixte ajoutée weitergeführt wird, um schließlich in D-Dur gestillt zu werden.
Zum Gedicht nichts Analytisches. Hugo Wolf fand DIESE Vorlage (wie auch die zu "Nachtzauber") sicher als Einzelgedicht in der 1864er-Ausgabe des Sohnes Hermann von Eichendorff. Interessant ist aber der ursprüngliche Kontext. Eichendorffs letzte lyrische Jahre werden ja völlig dominiert von den drei Versepen "Julian", "Robert und Guiscard" sowie "Lucius". Und aus dem vierten Abschnitt des mittleren Versepos werde ich in Kürze die das Gedicht "Über Wipfel und Saaten" umgebenden Zeilen hier einstellen.