Grenzenlos! - Behinderte musizieren

  • Im Radio vernahm ich ein Musikstück für Horn. Sogleich erkannte ich, das muss doch Robert Schumann sein. Mir fiel sofort der besondere Klang auf, den ich aus dem Lautsprecher hörte. Gespannt verfolgte ich die Angaben des Moderators zum Werk. Es war Adagio & Allegro op. 70 für Horn und Klavier des von mir vermuteten Komponisten. Das Bemerkenswerte war aber die Information zum Solisten: Der Hornist Felix Klieser betätigt das Ventilhorn mittels einer Mechanik mit seinem linken Fuss, da er ohne Arme geboren wurde. Müssen Hornisten nicht die Hand in den Trichter stecken, um den Klang verändern zu können? fragte ich mich erstaunt. Felix Klieser hat aus seiner Behinderung eine Tugend gemacht und moduliert den Ton auf eine ihm eigene Weise.



    In der Werbeinformation erfährt man noch mehr über den jungen Mann, der Preise der höchsten Kategorie für sein Spiel auf dem Ventilhorn erhielt. Chapeau kann ich da nur sagen.


    Der junge Musiker hat mich bewogen, diesen Thread zu starten. Gibt es noch andere Künstler mit einer Behinderung, die herausragende Leistungen in der Musik erzielt haben?
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    "Um Musik zu hören, muss man seine Ohren öffnen und auf Musik warten. Zuhören ist Anstrengung; blosses Hören ist keine Leistung – auch eine Ente kann hören." Igor Strawinsky



  • Paul Wittgenstein, der während des WK I. seinen rechten Arm verlor und um seine Karriere als Konzertpianist fortzusetzen, bei unterschiedlichsten Komponisten eine Vielzahl von Klavierwerken für die linke Hand in Auftrag gab, wie z.B. bei Britten, Hindemith, Kortngold, Labor, Prokofiew, Ravel, Schmidt und Strauss.
    Jedoch muss er ein sehr mühsamer Kunde gewesen sein, da er sich mit Ravel direkt zerworfen hat, es mit Britten beinahe dazu kam und er das Prokofiew-Konzert rundweg ablehnte.


    John Doe
    :hello:

  • Django Reinhardt erlitt bei einem Brandunfall u.a. starke Verbrennungen an der linken Hand, so dass ihm nur mehr drei einwandfrei "funktionierende" Finger verblieben. Dennoch schaffte er es mit einer völlig eigenständigen Technik, einer der größten Jazz-Gitarristen der Geschichte zu werden.



    (In diesem Musikbeispiel im Duo mit Stephane Grapelli)

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Der amerikanische Pianist Leon Fleisher
    erkrankte 1960 an seiner rechten Hand.
    Davor spielte er mit Geoge Szell und dem Cleveland Orchester
    zahlreiche Klavierwerke für CBS ein.
    Ab 1960 trat er mit Werken für die linke Hand auf,
    bis er ab 1998 mit Hilfe von Botox-Spritzen
    seine rechte Hand fast wieder normal gebrauchen konnte.

    mfG
    Michael

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  • Ein besonders eindrückliches Beispiel für die Überwindung körperlicher Beschränkung zeigt uns Evelyn Glennie (*1965). Sie ist seit ihrer Kindheit gehörlos und zählt zu den weltweit besten Percussionistinnen und hat gelernt mit ihrem Körper die Resonanzen zu spüren. Der Dokumentarfilm "Touch the Sound" zeigt, wie die Künstlerin die akustische Welt wahrnimmt.

    "Um Musik zu hören, muss man seine Ohren öffnen und auf Musik warten. Zuhören ist Anstrengung; blosses Hören ist keine Leistung – auch eine Ente kann hören." Igor Strawinsky




  • Der Dirigent Jeffrey Tate leidet an einer angeborenen Fehlbildung der Wirbelsäule.
    Er studierte zunächst Medizin und arbeite als Augenchirurg in London.
    Nach seinem Musikstudium war er Assistent bei Herbert von Karajan in Salzburg, bei James Levine an der MET in New York sowie bei Pierre Boulez in Bayreuth. Er dirigierte viele bekannte Orchester, darunter die Berliner Philharmoniker, das Cleveland Orchester, das Orchestre National de France usw.
    Er ist jetzt Chefdirigent der Hamburger Symphoniker.

    mfG
    Michael


  • Der Verlust des Gehörs muss für einen Musiker die grösste Katastrophe darstellen. Der Komponist und Pianist Ludwig van Beethoven (1770-1827) war die Hälfte seines Lebens gehörlos und hat der Menschheit trotz seiner Behinderung unvergleichliche Werke geschenkt.


    Wikipedia "Etwa um 1798 zeigten sich erste Symptome jenes Gehörleidens, das schließlich zur Taubheit führen sollte. Nach Beethovens eigenem Bericht aus dem Jahr 1801 verschlimmerte sich das Leiden innerhalb weniger Jahre; es scheint jedoch in den Folgejahren einige Zeit stagniert zu haben. ...


    Beethovens Gehörleiden stellte nicht nur eine ernste Bedrohung seiner Laufbahn als Musiker dar; es beeinträchtigte auch seinen gesellschaftlichen Umgang. Die Krankheit stürzte Beethoven in eine schwere persönliche Krise, die ihn zeitweilig sogar an Selbstmord denken ließ. Beethoven offenbarte seinen Seelenzustand im sogenannten Heiligenstädter Testament, einem Schriftstück, das er im Oktober 1802 am Ende einer Kur in Heiligenstadt verfasste, nachdem auch diese ohne den erhofften Erfolg geblieben war."
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    "Um Musik zu hören, muss man seine Ohren öffnen und auf Musik warten. Zuhören ist Anstrengung; blosses Hören ist keine Leistung – auch eine Ente kann hören." Igor Strawinsky




  • Der Organist Helmut Walcha (1907-1991) spielte das gesamte Orgelwerk Johann Sebastian Bachs zwei Mal in seinem Leben für die Schallplatte ein und komponierte Choralvorspiele und Kantaten. Er gründete nach dem 2. Weltkrieg in Frankfurt das Institut für Kirchenmusik.
    Mit 19 Jahren erblindete der Musiker infolge einer frühkindlichen Pockenimpfung. Auf der Homepage der Dreikönigskirche in Frankfurt am Main/Sachsenhausen, an der Helmut Walcha von 1945 bis 1956 als Organist wirkte, findet man eine Information, wie er sich die Partituren der Werke einprägte: "Die Beherrschung eines gewaltigen Repertoires hat neben seinem phänomenalen Gedächtnis und seiner Fähigkeit, musikalische Form zu erfassen, Ursula, seine Frau, möglich gemacht. Wenn er ein weiteres Orgelwerk einstudierte, spielte sie ihm die einzelnen Stimmen vor, und er setzte sie im Kopf zusammen - eine geradezu unvorstellbare Leistung."
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    "Um Musik zu hören, muss man seine Ohren öffnen und auf Musik warten. Zuhören ist Anstrengung; blosses Hören ist keine Leistung – auch eine Ente kann hören." Igor Strawinsky



  • Grenzen überwinden. Deshalb hatte ich den Titel für diesen Thread gewählt. Ein schönes Beispiel, wie schwerste körperliche Behinderung durch den menschlichen Geist überwunden werden kann, ist dieser Youtube Film. Auch wenn es keine klassische Musik ist, finde ich die Erwähnung in diesem Thread wichtig.


    DJ Fresh & Mindtunes: this track is created only by the mind



    Zitat aus dem Web "Es ist unglaublich aber wahr: Andy Walker, Jo Portois und Mark Rowland sind körperlich schwer behindert. Trotzdem haben die drei Männer einen Song komponiert – nur mit der Kraft ihrer Gedanken.


    Die Idee hinter dem Projekt «Mindtunes» ist eine simple: Man verwandelt Emotionen in Gehirnwellen und Gehirnwellen in Musikwellen. Genau so schafften es Andy, Jo und Mark Musik zu produzieren. Zusammen mit dem britischen Drum’n’Bass-Star DJ Fresh verbrachten sie eine Woche im Studio. Das Resultat ist erstaunlich."


    11 Minuten 25 Sekunden die lohnen sich anzusehen.


    DJ Fresh & Mindtunes: A track created only by the mind (Documentary)



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    "Um Musik zu hören, muss man seine Ohren öffnen und auf Musik warten. Zuhören ist Anstrengung; blosses Hören ist keine Leistung – auch eine Ente kann hören." Igor Strawinsky



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  • Nachtrag:


    Der in Beitrag 1 erwähnte Hornist Felix Klieser hat zusammen mit der Journalistin Céline Lauer ein Buch herausgegeben: "Fussnoten" ist sein Titel, in dem er über sein Leben berichtet und sein Musizieren beschreibt.



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    "Um Musik zu hören, muss man seine Ohren öffnen und auf Musik warten. Zuhören ist Anstrengung; blosses Hören ist keine Leistung – auch eine Ente kann hören." Igor Strawinsky



  • Der Bassbariton Thomas Quasthoff
    kam Contergan geschädigt zur Welt.
    Trotz seiner schweren körperlichen Behinderungen
    schaffte er 1988 den internationalen Durchbruch,
    als er den ARD-Musikwettbewerb in seinen Stimmfach Bariton gewann.
    Danach trat er auf fast allen bedeutenden Bühnen der Welt auf,
    bis er sich 2012 aus gesundheitlichen Gründen zurückzog.
    Er ist Professor für Gesang an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ Berlin.

    mfG
    Michael

  • Der Japaner Nobuyuki Tsujii wurde blind geboren, gewann 2009 den Van Cliburn-Wettbewerb und trat 2011 in der Carnegie Hall auf. Ein erstaunliches Phänomen!




    Schöne Grüße
    Holger

  • Jacob van Eyck lebte von ca. 1590 bis 1657. Er war ein niederländischer Glockenspieler (Carillon), Sachverständiger für Glocken und Blockflötenvirtuose. Er war seit Geburt blind. 1625 verliess er sein Elternhaus und wurde Glockenspieler des Utrechter Domturmes. Die Glockenklöppel sind mittels Schnüren mit der Tastatur verbunden, die mit den Fäusten gespielt wird.



    1649 wurde sein Gehalt unter der Bedingung erhöht, dass er die Spaziergänger auf dem Kirchhof mit dem Klang seiner Flöte erfreute. Als Blockflötenspieler ist er durch sein Werk „der Fluyten Lusthof“ bekannt.



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    "Um Musik zu hören, muss man seine Ohren öffnen und auf Musik warten. Zuhören ist Anstrengung; blosses Hören ist keine Leistung – auch eine Ente kann hören." Igor Strawinsky



  • Für Marianne Kirchgessner (1769-1808) komponierte im Jahr 1791 anlässlich ihres -Besuches in Wien Wolfgang Amadeus Mozart das Quintett für Glasharmonika, Flöte, Oboe, Viola und Violoncello KV 617 sowie das Solo-Adagio KV 617a. Sie war die erfolgreichste und bedeutendste Glasharmonikavirtuosin ihrer Zeit. Im Alter von vier Jahren erblindete Kirchgessner als Folge der Pocken. Sie bereiste ganz Europa und zählte zu den angesehensten reisenden Musikerinnen ihrer Zeit.


    Zitat Wikipedia "„Für Marianne Kirchgeßner folgten Reisen nach Leipzig, Dresden, Polen, Berlin (wo sie viermal am Hofe spielte), Hamburg, London. Gerade in London, das damals Refugium vieler europäischer Künstler vor den napoleonischen Kriegswirren war, regte sie namhafte Komponisten zu Werken für ihr Instrument an. Da sie als Blinde eine aussergewöhnliche Auffassungsgabe besaß und ihr wohl viele neue Werke nur auf dem Klavier mitgeteilt wurden, dürfte auf diese Weise manchens Originalwerk für immer verloren sein. Nach ihrem dreijährigen Aufenthalt in London waren Kopenhagen, die baltischen Länder und Petersburg weitere Stationen des Erfolges. 1799 ließ sie sich auf einem Landgut in Gohlis bei Leipzig nieder. Ihre ‚letzte‘ Konzertreise, wie sie selbst sagte, unternahm sie 1808 in die ‚romantische Schweiz‘." Nach einem Postkutschenunfall starb sie in Schaffhausen an einer Entzündung.




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