In wenigen Tagen jährt sich der Tod von Hans Knappertsbusch zum 50. Mal. Anlass genug für einen eigenen Thread, um daran zu erinnern.
Man wird wohl sagen können, dass kein Münchner Generalmusikdirektor eine solche geradezu volkstümliche Popularität genoss wie Hans Knappertsbusch (1888—1965), kurz "Kna" genannt. Vor einem halben Jahrhundert, am 25. Oktober 1965, starb der knorrige preußische Dirigent, der sich ausgerechnet Bayern als Hauptwirkungsort gewählt hatte.
An dieser Stelle noch einmal sein Leben kurz zusammengefasst:
Am 18. März des "Dreikaiserjahres" 1888 als Sohn eines Elberfelder Spirituosen-Fabrikanten geboren, zeigte sich bereits früh sein Interesse für das Dirigierhandwerk. Gegen den Willen der Eltern studierte er am Konservatorium für Musik in Köln. Bereits ab 1909 war er Kapellmeister in Mühlheim an der Ruhr, Bochum, Elberfeld und Leipzig. Zwischen 1909 und 1912 assistierte er dem berühmten Dirigenten der "Ring"-Uraufführung von 1876, Hans Richter, der Knappertsbuschs Stil wesentlich prägte. 1919 wurde er jüngster Generalmusikdirektor Deutschlands in Dessau. Bereits 1922 wurde er als Nachfolger von Bruno Walter zum GMD der Bayerischen Staatsoper in München "auf Lebenszeit" ernannt. 1924 wurde er Professor. 1935 wurde Knappertsbusch von den Nazis als "politisch unzuverlässig" zum Rückzug gedrängt und wirkte dann bis 1945 als "De-facto-GMD" an der Wiener Staatsoper. 1945 kehrte er nach München zurück und wurde kurzzeitig noch einmal Bayerischer Generalmusikdirektor, dann allerdings wegen (falscher) NS-Vorwürfe von den Amerikanern ein zweites Mal abgesetzt. Nach erfolgter "Entnazifizierung" konnte er erst 1947 aufs Podium zurückkehren. Bis zu seinem Tode wirkte er danach nur mehr als Gastdirigent. Zwischen 1951 und 1964 (mit einer Unterbrechung im Jahre 1953) war Knappertsbusch der wirkungsmächtigste Dirigent bei den Bayreuther Festspielen. Obwohl er noch gelegentlich im Ausland auftrat (London 1947, Rom 1951, Neapel 1952 und 1953 sowie Paris 1952, 1953, 1954, 1955, 1957, 1958 und 1959), konzentrierte er sich in der Nachkriegszeit auf den deutschsprachigen Raum, besonders auf München, Wien und (bis 1957) West-Berlin, trat aber auch etwa in Köln, Hamburg und sogar in der DDR (Ost-Berlin, Dresden) auf. Von den späten 1940er bis in die späten 1950er Jahre nahm er für Decca auf, danach für Westminster. 1963 nahm er an der Wiederöffnung des Münchner Nationaltheaters teil. Ein Vorstoß zur Verleihung der Ehrendoktorwürde der Ludwig-Maximilians-Universität München im selben Jahr verlief (wohl aufgrund Knappertsbuschs Abneigung gegen moderne Strömungen in der klassischen Musik) im Sande. Seine Lieblingsoper war "Parsifal", seine Lieblingssymphonie die Dritte von Brahms. Seinen letzten Auftritt hatte er ausgerechnet beim Bayreuther "Parsifal" am 13. August 1964 (bei Orfeo veröffentlicht). Nach einem unglücklichen und komplizierten Oberschenkelhalsbruch im Herbst 1964 musste Knappertsbusch das Dirigieren aufgeben, was ihn schwer traf und vermutlich mit zu seinem Tod im Folgejahr beitrug.
Entgegen landläufiger Annahme war Knappertsbusch nicht nur als Wagner-Interpret berühmt. Er hatte eine große Affinität für Brahms, Bruckner und Richard Strauss und wurde vom Kritiker Joachim Kaiser neben Furtwängler als "der große Beethoven-Dirigent" bezeichnet. In seinem Repertoire waren zudem Haydn, Mozart, Schubert, Schumann und Tschaikowsky zu finden. Daneben widmete sich Knappertsbusch aber auch der "leichten Musik", so Johann Strauß und Karl Komzák.
Im persönlichen Umgang galt Knappertsbusch als schwierig und eigenwillig, was sich nach dem frühen Tod seiner einzigen Tochter (1938) noch verschärfte. Sein uneitles, geradliniges, aber auch bärbeißiges Wesen war legendär. Schon aufgrund seiner Statur (1,92 m) umgab ihn eine imperatorenhafte Aura. Um Knappertsbusch ranken sich zahllose Anekdoten, die ihn eine geradezu volkstümliche Beliebtheit einbrachten. Er, der Konservative, schreckte auch nicht davor zurück, sich mit den ihm verhassten Nationalsozialisten anzulegen, was ihm zwar die "Verbannung" nach Wien einbrachte, aber wegen seiner Popularität keine ernsthafteren Konsequenzen nach sich zog. Hitler hielt wenig von Knappertsbusch, Eva Braun hingegen sehr viel. Erst spät wurde bekannt, dass er während des Dritten Reiches Verfolgte unterstützt hatte, worüber er selbst während der ihm zu Unrecht vorgeworfenen NS-Verstrickung schwieg. Andreas Novak charakterisiert ihn als "ruppigen Humanisten". Mit Applaus konnte er wenig anfangen und stürmte regelmäßig nach Konzerten hastig aus dem Saal. Er war kein Probenfanatiker und stand Aufnahmestudios kritisch gegenüber. Gleichwohl entstanden zwischen den 1920er und 1960er Jahren etliche Studioeinspielungen, die in jüngster Zeit durch eine wahre Flut an Live-Mitschnitten ergänzt wurden.
Knappertsbusch war zweimal verheiratet: Zwischen 1918 und 1925 mit Ellen Selma Neuhaus (1896—1987), mit der er die einzige Tochter Anita (1919—1938) hatte, und von 1926 bis zu seinem Tode 1965 mit Marion von Leipzig (1898—1984).
Programmhinweise:
"Meine Herren, Sie kennen das Stück ..." — Zum 50. Todestag des Dirigenten Hans Knappertsbusch
BR-Klassik, Montag, 26.10.2015, 20.03 bis 21.00 Uhr
Apropos Musik mit Gottfried Cervenka: Hans Knappertsbusch zum 50. Todestag
Ö1, Dienstag, 27.10.2015, 15.05 bis 16.00 Uhr