Alberto Ginastera: Bomarzo

  • Bomarzo ist die zweite von drei Opern des argentinischen Komponisten Alberto Ginastera. Das Libretto stammt von Manuel Mujica Laínez und basiert auf dessen 1962 veröffentlichten Roman über Pier Francesco Orsini, Herzog von Bomarzo, im Italien des 16. Jahrunderts, der den Sacro Bosco mit seinen berühmten Skulpturen schuf.


    Nachdem Orsini einen vergifteten Trunk zu sich genommen hat, erlebt er in Visionen noch einmal einige Schlüsselszenen aus seinem Leben, die sinnbildlich für seinen moralischen Verfall stehen. Am Ende stirbt er an dem Gift. Diese literarisch schon sehr interessante Vorlage hat Ginastera zu einer auch musikalisch höchst eindrucksvollen Oper verarbeitet, die 1967 in Washington D.C. ihre Uraufführung erlebte. Eigentlich für das Teatro Colón in Buenos Aires gedacht, wurde die Oper vom damaligen argentinischen Präsidenten wegen ihres „sexuellen Gehalts“ auf den Index gesetzt. Erst 1972 erfuhr das Werk seine Erstaufführung im Heimatland des Komponisten.


    Ein Zitat aus der Rezension der Uraufführung im TIME Magazine mag zur Charakterisierung dieser Oper dienen:


    "This is such stuff as bad dreams are made on; and in Argentine Composer Alberto Ginastera's new opera Bomarzo, it is appropriately woven into the gripping nightmare of a tortured spirit. Commissioned by the Washington Opera Society and given its world première last week at Washington's Lisner Auditorium, Bomarzo is based on a prizewinning novel by Buenos Aires Art Critic Manuel Mujica Lainez, who also wrote the libretto. In 15 taut, hallucinatory scenes that take place mostly in the mind of Pierfrancesco Orsini, Renaissance Duke of Bomarzo, it flashes back over the events of the Duke's "secret life, which like the hump on my back, encumbered my soul."


    Sighs & Moans. Bomarzo is taunted by his brothers and father; he is sexually ambivalent and frustrated, ghost-ridden and obsessed with death. Suspecting that his wife has been unfaithful with his brother, he orders the brother killed. Then, having built a garden of grotesque stone sculptures symbolizing his inner traumas, he unwittingly drinks poison and dies in the gaping mouth of one of his statues; his only benediction is a kiss from an innocent shepherd boy who skips by.


    Musically, this lugubrious narrative is etched in a jaggedly dissonant score that takes Composer Ginastera even farther out than the twelve-tone serialism of his 1964 opera Don Rodrigo. Ginastera stacks up thick instrumental clusters, punctuates them with short, stabbing chords, sometimes uses what he calls "clouds," in which orchestra and singers improvise rhythmically suspended, ever-shifting textures. At various points in the piece, the string players clatter their bows on their instruments, the brassmen blow air tonelessly through their mouthpieces, the woodwinds bend notes into piercing quartertones. A 24-voice chorus in the pit sometimes comments on the action or makes weird noises underlining a dramatic moment; during the orgy scene, it sighs, moans, and murmurs the word love in several languages simultaneously."


    Unter Kennern gilt diese Oper als eine der bedeutendsten des 20. Jahrhunderts.


    Ein Mitschnitt aus Washington ist auf CD erhältlich:



    Auf YouTube findet man die Aufführung aus dem Teatro Colón in voller Länge:


    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Obwohl ich einige Werke von Ginastera schon länger kenne und schätze, war mir diese Oper bis vor kurzem nicht einmal den Namen nach bekannt. Das änderte sich erst, als ich beim routinemäßigen Stöbern in den Programmen diverser Opernhäuser auf der Suche nach interessanten Produktionen auf die Ankündigung der spanischen Erstaufführung im Teatro Real Madrid in diesem Jahr stieß. Sofort fasziniert vom Stoff fand ich bei YouTube den Mitschnitt aus Buenos Aires und war alsbald ebenso fasziniert von der Musik. Die Karte für eine Aufführung in Madrid ist inzwischen erworben, und ich freue mich schon sehr auf dieses Erlebnis. Ob sich auch andere Taminos für dieses Werk begeistern können? :hello:

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • "Bomarzo" ist ein Thriller - und die Musik ist genau passend. Wie war das doch gleich? Allintervallreihe als Basis, dazu (eng begrenzte) Aleatorik, musikalisch umgesetzte Raumerfahrung usw.


    Stimmt alles.


    Doch was in der Beschreibung der Techniken wie ein Konstrukt klingt, ist für mich eine der faszinierendsten Opern des 20. Jahrhunderts. Ginastera schafft es (wie schon in seinem 1. Klavierkonzert und seiner 2. und 3. Klaviersonate) aus der vermeintlich spröden Zwölftontechnik pulsierende, unglaublich fesselnde Musik zu machen. In "Bomarzo" ist es eine Musik, die zugleich unheimlich und sinnlich ist, die Schrecken und Qualen ausdrückt (nahezu illustriert) und doch auch Schönheiten und Zärtlichkeiten kennt, wie nur wenige Opern ihrer Zeit.


    Wenn man mich nach drei Opern fragt, in denen die Zwölftontechnik nicht nur virtuos gehandhabt wird, sondern die echtes Theaterblut besitzen, so nenne ich stets Kreneks "Karl V", Dallapiccolas "Il Prigioniero" und Ginasteras "Bomarzo". Die größte und bedeutendste unter diesen dreien ist für mich "Bomarzo".

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  • Ginastera schafft es (wie schon in seinem 1. Klavierkonzert und seiner 2. und 3. Klaviersonate) aus der vermeintlich spröden Zwölftontechnik pulsierende, unglaublich fesselnde Musik zu machen. In "Bomarzo" ist es eine Musik, die zugleich unheimlich und sinnlich ist, die Schrecken und Qualen ausdrückt (nahezu illustriert) und doch auch Schönheiten und Zärtlichkeiten kennt, wie nur wenige Opern ihrer Zeit.


    Lieber Edwin, damit erhöhst Du meine Vorfreude noch einmal beträchtlich. Und außerdem ist es schön, dass mit Dir wieder jemand zurück im Forum ist, für den die Neue Musik nicht per se Teufelszeug ist!

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Die von mir letzte Woche besuchte Aufführung wurde mitgeschnitten, das Video ist inzwischen im "Palco Digital" des Teatro Real verfügbar: https://www.palcodigital.com


    Es ist kostenlos, man muss sich allerdings registrieren, um das Video anschauen zu können.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Ich stieß schon an anderer Stelle auf diese Oper und war neugierig geworden. Als ich dann gestern die unten stehende Bemerkung las, wurde mein Eifer angespornt ...

    Nur leider laufen die Rechte nach einiger Zeit ab, und dieses Video ist leider nicht mehr verfügbar.

    ... und ich wurde fündig.


    BOMARZO von Alberto Ginestra - Teatro Real de Madrid, 2017

    mit John Daszak, James Creswell, Hilary Summers, Germán Olvera, Damián del Castillo, Nicola Beller Carbone


    Ich habe mich nach einem ersten Reinhören auf die Suche nach mehr Informationen gemacht, da sich die Oper einem nur erschließt, wenn man zumindest minimales Hintergrundwissen hat.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Bomarzo_(Oper)

    https://summarybook.online/bomarzo/

    Film (in 3 Teilen) nach der Roman von Manuel Mujica Láinez mit der Musik von Ginestra von 2007


    Am heutigen Feiertag will ich mir die Oper ganz anhören-ansehen (über Kopfhörer ist die Lautstärke besser zu regulieren)


    Unbenannt.jpg

    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo