W.A. Mozart: Klavierkonzert Nr. 9 KV 271
Gustav Mahler: Symphonie Nr. 1
Yvaylo Vassilev, Klavier
Sascha Götzel, Dirigent
Sofia Philharmonic Orchestra
Bevor wir aus Sofia in Richtung Nessebar ans Schwarze Meer abreisten, zeigte uns eine Nachbarin das Konzertprogramm der Sofioter Philharmoniker mit diesem Eröffnungskonzert und wir haben dann die Karten bestellt, die sie uns besorgte. Der frühe Termin – der nächste ist erst am 27. Oktober – erklärt sich durch das 140. Jubiläum der diplomatischen Beziehungen zwischen Bulgarien und Österreich. Aus diesem Grund hat das Orchester nicht nur ein auf Wien bezogenes Programm dieses Jahr mit viel Mahler und Bruckner, sondern auch österreichische Dirigenten engagiert wie Sascha Götzel und Johannes Wildner.
Die Attraktion des Abends – so wurde er auch angekündigt – war der Pianist, der erst 12jährige in Sofia geborene Yvaylo Vassilev, der Mozarts Klavierkonzert KV 271 spielte. Er hat schon etliche internationale Preise einkassiert, u.a. im letzten Jahr (also mit 11 Jahren!) den 1. Preis beim XIX. internationalen Moskauer Nussknacker-Fernsehwettbewerb für junge Musiker. Hier gibt es einen Ausschnitt zu sehen, wo er Rachmaninow spielt: Süß am Schluss, wo er sich nicht traut, auf Russisch zu reden und eine Dolmetscherin gerufen wird:
Hier seine Fecebook-Seite - da ist auch das Plakatbild für das Konzert zu sehen:
https://de-de.facebook.com/Iva….Piano/?ref=page_internal
Doch kommen wir zum Konzert: Der Saal im Stil, der stalinistischen Monumentalarchitektur der Nachkriegszeit erbaut, wurde innen renoviert und ist ein schöner, nicht zu großer Konzertsaal. Für klassische Besetzungen wie Mozart, Beethoven oder Schumann ist er genau richtig, für das ganz große Orchester wie von Mahler oder Bruckner an der Grenze zur Belastbarkeit, dann wird es laut, aber noch nicht zu laut. Die Durchhörbarkeit ist gut und auch die Pauken kommen schön trocken, „versumpfen“ also nicht wie in vielen anderen Sälen.
Ob sich das Wunderkind Alexis Weissenberg zum Vorbild nahm – Bulgariens wohl größten Pianisten – , der auch aus Sofia stammte? Von Weissenberg gibt es eine Aufnahme genau dieses Konzerts KV 271 mit auch noch den Wiener Symphonikern und Carlo Maria Guilini. Ein Zufall? Das Mozart-Konzert mit dem Wunderknaben zu hören war jedenfalls ein Genuss. Er spielte es mit einer betörenden Leichtigkeit, Natürlichkeit und Selbstverständlichkeit, auch vermochte er es, dem langsamen Satz trotz seines kindlichen Alters Gewicht zu geben. Sascha Götzel begleitete ihn sehr kompetent, die expressiven Seiten gerade im langsamen Satz hervorkehrend. Aber auch der Humor wurde nicht unterschlagen: Es gab einmal eine gewollt lange Pause vor dem Einsatz des Klaviers. Andere Pausen dagegen (wie nachher beim Mahler) zwischen den Sätzen waren allerdings erzwungen, weil es das Sofioter Publikum nicht gelernt hat, dass man während des laufenden Konzerts das Handy abstellt. Es klingelte also mehrfach während der Aufführung und die Leute verließen laut polternd den Saal – zum sichtbaren Unmut des Dirigenten. Die virtuosen Kadenzen meisterte Vassilev mit Bravour. Das war einfach gekonnt – offenbar hat er in Sofia sehr gute Lehrer! Als Zugabe gab es Chopins „Schwarze Tasten“-Etüde op. 10 Nr. 5, die er mit einer beeindruckenden Leichtigkeit spielte, als ob es nichts wäre. Danach bot er dann Scriabins Nocturne für die linke Hand op. 9 Nr. 1 dar, ein eher düsteres, getragenes Stück, das er mit viel Sinn für die „russische Seele“ vorzutragen wusste. Ob auch hier Alexis Weissenberg das Vorbild war, zu dessen Paradestücken das Nocturne für die linke Hand op. 9 Nr. 2 gehörte? Vassilev zeigt keinerlei Lampenfieber, wirkt ungemein selbstbewusst und erstaunlich professionell – es gab keinen Schnitzer und das Zusammenspiel mit dem Orchester beherrschte er perfekt. Er erhielt viel Blumen – nach der letzten Zugabe nahm er sie alle vom Flügel auf den Arm und ging aus dem Saal! Goldig!
Bei der Mahler-Symphonie nach der Pause zeigten sich die Qualitäten des Orchesters, das über sehr sichere Bläser verfügt (es gab kaum einen Patzer selbst in den schwierigen Horn-Partien) und Streicher mit einem wunderbar sonoren Ton. Sie bewältigten diese gewiss nicht einfache Mahler-Symphonie mit großer Souveränität. Die Streicher-Flageoletts zu Beginn, die nach Mahler das Flimmern der Luft bei Sonnenaufgang nachahmen sollen, kamen sehr schön zart im Pianissimo, dagegen war mir das Quarten-Thema in den Bläsern etwas zu präsent – das sind aber wohl die Tücken der Saal-Akustatik. Das Hauptthema („Ging heut morgen übers Feld...“) fand ich ein wenig zu vorsichtig dirigiert, das hätte für meinen Geschmack etwas munterer klingen können. Gerade aber in den großen Orchester-Ausbrüchen und den leidenschaftlichen Partien dirigierte Sascha Götzel mitreißend. Das Scherzo soll derb klingen, aber die Kontrabässe waren mir dann doch etwas zu burschikos. Dafür verstand es Götzel, der gebürtige Wiener, die „wienerischen“ Töne sehr einfühlsam herauszuarbeiten. Meine Frau bemerkte jedenfalls, sie hätte nicht gedacht, dass Mahler so „wienerisch“ klingen könne. Ein schönes Kompliment an Dirigent und Musiker! Der allerletzte Feinschliff im Vergleich mit den ganz großen Aufnahmen fehlte vielleicht – aber das macht gar nichts. Es war eine eindrucksvolle Aufführung!
Das Konzert war gut besucht, der Saal jedoch nicht ganz gefüllt. Wie die Nachbarin erzählte, war der Termin einfach zu früh. In der Saison sind die Konzerte ausverkauft weil reichlich besucht von den Studenten aus dem ganzen Land.
Das Programm für die Saison ist übrigens beachtlich: Es kommen internationale Solisten wie die Geiger/in Mullova, Repin, Shlomo Mintz (als Solist und gleichzeitig Dirigent), Paul Badura Skoda kommt und auch Ivo Pogorelich und es gibt – das ist ja eine große Tradition in Bulgarien – viele Sänger-Recitals: am 12. 10. singt Alexandrina Pendachanska von Strauss „Vier letzte Lieder“, am 3.11. Paata Burchuladze Arien von Verdi und Donizetti, Maria Roeva singt am 3.3. die Wesendonck-Lieder von Wagner. Und noch eine Besonderheit: Charles Dutois (!) dirigiert am 9. Mai Beethovens 9.!
Schöne Grüße
Holger