DONIZETTI, Gaetano: IL FALEGNAME DI LIVORNIA OSSIA PIETRO IL GRANDE

  • Gaetano Donizetti ( 1797 – 1848 )

    Il falegname di Livonia, ossia Pietro il grande

    (Der Zimmermann von Livland oder Peter der Große)


    Melodramma burlesco in zwei Akten

    Libretto: Gherardo Bevilacqua-Aldobrandini nach Alexandre Duval

    Originalsprache: Italienisch


    Uraufführung: Venedig 1819


    PERSONEN DER HANDLUNG

    Peter der Große, Zar von Russland, Bariton

    Katharina, seine Gemahlin, Mezzosopran

    Madame Fritz, Gastwirtin, Sopran

    Carlo Scavronski, Zimmermann, Tenor

    Annetta Mazeppa, Freundin der Wirtin und verwaiste Tochter des Rebellen Mazeppa 1), Sopran

    Ser Cuccupis, Richter, Bariton

    Firman Trombest, Geldverleiher, Bariton

    Hondediski, Moskauer Hauptmann, Tenor

    Dorfbewohner, Anwälte, Boten, Gefolge des Zaren, Soldaten


    Ort und Zeit der Handlung: Ein großes Dorf in Livland (jetzt Litauen), frühes 18. Jahrhundert


    INHALTSANGABE


    ERSTER AKT

    1.Bild: Dorfansicht mit Magistratspalast, Dorfgasthaus und Zimmermannswerkstatt. Morgengrauen

    Auf einer Seite Bauern mit Pfeil und Bogen, die zur Jagd aufbrechen wollen. Auf der anderen Seite der Hauptmann Hondediski mit Soldaten, die an Trinken und Liebe denken. Der Zimmermann Carlo arbeitet an seiner Werkbank. Annetta, seine Geliebte, sitzt neben ihm. Sie reden über ihre Liebe zueinander. Die Bauern rücken zur Jagd aus, die Soldaten begeben sich in die Gaststätte.

    Unterdessen hat sich der Geldverleiher Firman Trombest genähert. Annetta hat bei ihm eine Halskette verpfändet. Nun bietet er ihr zum Tausch dafür seine Liebe an. Doch sie weist ihn kühl ab. Firman erkennt, dass sie Carlo liebt, und geht. Aber sie möchte gerne ihre Kette wiederhaben und läuft ihm nach. Da nähert sich ihr der Hauptmann Hondediski, der sie ebenfalls begehrt. Es kommt zu einer Auseinandersetzung zwischen Carlo, Firman und dem Hauptmann.

    Auf die Hilferufe Annettas und Firmans, den Carlo am Hals gepackt hat, tritt Madame Fritz aus der Gaststätte. Sie ruft die Männer energisch zur Ordnung. Der Hauptmann verabschiedet sich, droht jedoch Carlo: „Wir werden uns wiedersehen!“

    Carlo wirft nun dem Geldverleiher vor, Annetta die Kette rauben zu wollen. Als dieser anbietet, die Kette zu einem höheren Preis, als der Schuldschein ausweist, zurückgeben zu wollen, beschimpft Carlo Firman als Wucherer. Dann entfernt sich der Zimmermann.

    Man hört Peitschen knallen. Zar Peter und seine Ehefrau Katharina treffen mit Kurieren und weiterem Gefolge im Dorfe ein. Der Hauptmann folgt ihnen mit seinen Soldaten. Das Gefolge verlangt nach Zimmern im Gasthaus und Essen für sich und den Zaren. Der Zar möchte zunächst unerkannt bleiben, da er und Katharina nach dem verschollenen Bruder der Zarin suchen. Der Hauptmann möchte ihn auf seinen Streit mit dem Zimmermann Carlo ansprechen, aber der Zar schickt ihn fort. Die Wirtin meldet, dass das Quartier bereit sei. Der Zar möchte sie, bevor er sich zurückzieht, über einen jungen Zimmermann befragen, doch er erhält weder von der Wirtin noch von dem hinzukommenden Geldverleiher Firman die gewünschte Antwort.

    Da kommt Carlo selbst in das Gasthaus. Da er nicht weiß, wer der Fremde ist, widersetzt er sich seinen Fragen. Als der Zar betont, dass er mit einem Edelmann spreche, erklärt Carlo, dass er das auch sei. Und der Fremde mit seiner vorgegebenen „bizarren Autorität“ werde von ihm nichts erfahren. Da wird der Zar wütend und ruft den Hauptmann, der Carlo festnehmen soll.

    Madame Fritz versucht Carlo zum Schweigen zu bewegen. Carlo tut es um Annetta leid. Er übergibt der Wirtin ein Papier, das sie gut aufbewahren und der Geliebten übergeben soll, falls er von ihr getrennt werden sollte. Dann lässt er sich von den Soldaten abführen.


    2. Bild: Raum im Erdgeschoss des Gasthauses

    Bürger schwatzen über die zu erwartenden Geschehnisse. Dann kommen Madame Fritz, Annetta und der Richter Ser Cuccupis. Der recht aufgeblasene Richter fragt, wer es wage, ihn von seiner Arbeit abzuhalten. Die Gastwirtin und Annetta erklären ihm, dass ein unbekannter Fremder Anklage gegen Carlo erheben wolle. Der Richter denkt, das sei wohl ein fataler Irrtum, aber er werde nach Recht und Ordnung entscheiden. Madame Fritz meint, dass nicht Carlo, sondern der Fremde im Unrecht sei. Was wäre, wenn jeder beliebige Fremde daher käme und jemanden anklagen wolle. Auch der Richter meint, dass hier Tatsachen verdreht werden.

    Als der Zar kommt, bittet der Richter, man möge ihn mit dem Fremden allein lassen. Der Richter stellt sich vor und kehrt seine Autorität heraus. Auch sei er ein Freund des Zaren, was den Zaren heimlich amüsiert. Als Ser Cuccupis dann wissen will, wer der Fremde sei, will dieser sich nicht zu erkennen geben. Daraufhin will der Richter ihn ins Gefängnis werfen lassen. Der Zar hält es nun für angebracht, sich einen Namen zu geben. Er stellt sich vor als Menschikow, hoher Offizier des Zaren, und fordert, Name und Herkunft von Carlo herauszufinden. Jetzt erweist ihm der völlig verwirrte Richter Respekt und sagt Menschikow Unterstützung zu. Beide verlassen den Saal.

    Der Hauptmann, Annetta und Katharina kommen herein. Hondediski meint sarkastisch, dass man Carlo wohl nach Sibirien verbannen werde. Als Annetta dies vernimmt, bittet sie Katharina, für ihren Geliebten Carlo einzutreten. Der Hauptmann versucht, Carlo als üblen Burschen von unbekannter Herkunft hinzustellen. Annetta hingegen verteidigt Carlo als edlen Menschen. Da die Zarin bereits mit dieser Vermutung hierher kam, nähren die Aussagen Annettas um so mehr ihre Hoffnung, dass es sich bei Carlo um ihren verschollenen Bruder handeln könnte. Sie verlässt den Raum.

    Hondediski versucht noch einmal, Annetta für sich zu gewinnen. Als sie ihn erneut abweist, geht auch er, nicht ohne zu betonen, dass er weiterhin um sie werben werde. Allein zurückgeblieben, erklärt Annetta nachdrücklich, dass sie den Hauptmann auch künftig abweisen werde, selbst, wenn das Schicksal es schlecht mit ihr meine und sie ihren Geliebten verlieren würde.


    3. Bild:Gerichtssaal

    Der Richter und einige andere Größen des Ortes treten in affektierter Pose auf. Der Richter hält eine Ansprache, in der er sich selbst verherrlicht. Die Anderen betonen, dass sie alles prüfen und ein einmütiges Urteil abgeben wollen. Dann kommen Zar und Zarin, der Hauptmann und Carlo herein. Es beginnt eine bizarre Verhandlung. Der Richter diktiert dem Notar umständlich das Eröffnungsprotokoll. Der Zar (alias Menschikow) beschuldigt Carlo des Widerstands gegen einen Offiziellen des Zaren. Carlo wehrt sich und gibt nach Name, Alter und Beruf auf die Frage nach seiner Herkunft die Straßen Livlands an. Da er den Vorwurf des Widerstands auf den Streit mit dem Hauptmann (1. Bild) bezieht, weist er alles mit dem Argument zurück, dass er nur die Ehre einer Jungfrau verteidigen wollte. Verwandte? Er habe nie welche gekannt. Mit fortschreitendem Verhör gelangen Zar und Zarin immer mehr zu der Vermutung, dass Carlo der verschollene Bruder der Zarin sein könnte. Sie befragen ihn noch einmal nach seiner Familie. Er antwortet, dass diese ihm schon als Kleinkind genommen worden sei.

    Schließlich kommen Annetta, voller Angst um den Geliebten, und hinter ihr Madame Fritz mit einem Bündel von Papieren herein.

    Während der Richter mit der Absicht, ein eindeutigeres Geständnis zu erhalten, Carlo foltern lassen will, gebietet Madame Einhalt. Sie übergibt dem Richter das Papierbündel, doch der Zar nimmt es ihm aus der Hand und liest es vor.

    Daraus geht hervor, dass Carlos Vater ein Adliger war, welcher einst im Kampf gegen die Schweden gefallen ist . Weiterhin wird bekannt, dass Carlo eine Schwester hatte, von der er durch die Kriegswirren getrennt wurde. Katharina lässt sich in einen Stuhl fallen. Allgemeine Verwirrung.


    ZWEITER AKT

    Bild 1: Im Magistratspalast

    Der Richter Ser Cuccupis hat sich mit den Bürgermeistern des Ortes getroffen. Er ist ratlos, was er mit Carlo machen soll. Die Bürgermeister raten, ihn einzusperren. Nachdem sie gegangen sind, singt der Richter eine Lobeshymne auf sein großes Talent.

    Madame Fritz lugt durch die Tür. Er will sie abweisen, denn er habe wichtige Geschäfte zu erledigen. Aber sie lässt sich nicht beirren und tritt ein. Sie will ihn mit ihren weiblichen Künsten dazu bringen, Carlo freizugeben. Wer wolle in dieser verworrenen Sache (Ein Unbekannter klagt einen Ehrenmann des Ortes an) entscheiden? Ser Cuccupis in seiner Überheblichkeit traut sich das zu. Madame Fritz appelliert an sein Herz. Doch er schiebt seine Amtspflichten vor. Sie treibt das Spiel weiter und er wird allmählich weich. Da bringt der Hausmeister ein Schreiben, aus dem hervorgeht, dass Carlo bereits auf Anordnung des Fürsten freigelassen wurde. Nun verspottet Madame Fritz den überlisteten Richter.


    Bild 2: Ein Raum im Gasthaus

    In einer großen Arie drückt der Zar seine Freude darüber aus, den Schwager gefunden zu haben. Dann begibt er sich auf sein Zimmer. Carlo kommt herein, edel gekleidet. Noch zweifelt er, ob sich der Fremde vor dem verrückten Richter mit ihm nur einen Spaß hat erlauben wollen, und fühlt sich ein wenig unbehaglich in dieser Kleidung. Von zwei Dienern des Zaren wird der Geldverleiher Firman hereingeführt. Er wundert sich über das vornehme Aussehen des armen Zimmermanns.

    Er bietet ihm dann die von Annetta verpfändete Kette für einen noch höheren Wucherpreis an, was Carlo nicht akzeptiert. Firman verspottet Carlo: „Prunkvoll gekleidet, aber kein Geld“. Da packt ihn Carlo, und Firman schreit um Hilfe.

    Der Richter erscheint. Firman will Carlo anklagen, aber der Richter, der inzwischen weiß, dass Carlo unter höherem Schutz steht, weist den Geldverleiher zurecht. Carlo, der immer noch nicht weiß, wie ihm geschieht, fragt für wen man ihn halte. Der Richter weiß es selbst nicht, aber er werde das ganze Dorf aufhängen lassen, wenn jemand Carlo beleidige. Firman hält den Richter für verrückt. Da erklärt der Richter Firman die Sachlage. Der Fremde sei ein hoher Beamter des Zaren und von diesem wisse er, dass Carlo ein Edelmann sei. Carlo versteht immer noch nicht und hält den Richter nun ebenfalls für verrückt. Doch Firman bietet ihm jetzt die Kette unentgeltlich an. Beide Herren verbeugen sich ehrfurchtsvoll vor Carlo und gehen.

    Der Zar tritt mit Katharina und Gefolge ein. Er stellt Carlo Katharina als seine Schwester vor. Carlo glaubt immer noch, man wolle ein Spiel mit ihm treiben. Aber Katharina nimmt ihn in den Arm. Nun begreift er endlich sein Glück.

    Madame Fritz teilt Annetta mit, dass Carlo freigelassen wurde und dass ihr Geliebter, der vermeintlich einfache Zimmermann, in Wahrheit ein hoher Adliger sei. Sie gibt zu bedenken, dass er nun kein Mann für Annetta sein könne. Aber Annetta zweifelt nicht an seiner Treue und Madame Fritz wünscht ihr Glück. Dann eilen sie, Carlo zu begrüßen.

    Carlo stellt Annetta seiner Schwester vor. Sie ist Katharina sympathisch. Der Zar drängt zur Abreise nach St. Petersburg. Er fordert Carlo auf, mit ihm und seinem Gefolge in die Hauptstadt zu fahren. Da dieser immer noch nicht weiß, dass der angebliche Menschikow der Zar selbst ist, weigert er sich. Er will seine Braut keinesfalls zurücklassen, und der Zar dürfe nie erfahren, dass sie die Tochter des Vaterlandsverräters Mazeppa ist. Als der Zar das hört, wird er zornig. Auch der hinzugekommene Richter Ser Cuccupis möchte Annetta nach Sibirien verbannen. Madame Fritz und Katharina bitten für sie um Vergebung und Carlo schwört ihr seine Treue. Von Annetta erfährt der Zar nun, dass Mazeppa tot ist. Da nimmt er das für die Verbrechen ihres Vaters nicht verantwortliche Mädchen bei der Hand und vergibt ihr. Carlo darf seine Braut mit nach St.Petersburg nehmen.

    Der Hauptmann kommt und Katharina gibt ihm den Befehl, alles für die Abreise vorzubereiten.

    Hondediski hat seine Soldaten inzwischen instruiert und trifft auf den Richter. Er verrät dem Verwunderten nun, dass Menschikow der Zar selbst ist und mahnt ihn zur Verschwiegenheit. Daraufhin zieht sich der Richter ins Magistratsgebäude zurück.

    Madame Fritz und Carlo nehmen traurig Abschied voneinander. Carlo betont, dass er sie und alles, was sie für ihn getan hat, nie vergessen werde. Und sie wünscht ihm von Herzen Glück für die Zukunft. Der Chor der Soldaten freut sich auf den Marsch nach St. Petersburg.

    Der Richter kommt noch einmal heraus und verrät nun allen Anwesenden, dass der Fremde der Zar ist.

    Auch der Zar und sein Gefolge sind inzwischen herausgetreten. Der Richter wirft sich vor ihm nieder und bettelt um eine Stellung am Hofe. Doch der Zar entscheidet, dass er hier im Dorf bleiben solle und verurteilt ihn zu einer Strafe von tausend Rubel für all den Unsinn, den er durch seine Unfähigkeit angestellt hat. Die Oper endet mit einem Jubelchor auf Zar Peter den Großen.


    1) Mazeppa war Hauptmann ukrainischer Kosaken. Er stand zunächst auf der Seite des russischen Zaren Peter, wechselte aber nach dem Kosakenaufstand gegen die russische Regierung zum Schwedenkönig Karl XII, der in die Ukraine einrückte. Nach einer vernichtenden Niederlage mussten Karl XII und Mazeppa fliehen. Auf der Flucht starb Mazeppa. Die Geschichte Mazeppas ist mehrfach in die Literatur (u.a. Puschkin, Lord Byron, Rilke, Brecht) und in die Musik (Tschaikowski, Liszt) eingegangen.

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

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  • Gerhard Wischniewski

    Hat den Titel des Themas von „DONIZETTI, Gaetano: IL“ zu „DONIZETTI, Gaetano: IL FALEGNAME DI LIVORNIA OSSIA PIETRO IL GRANDE“ geändert.
  • Anmerkungen

    Eine weitere Oper, die das Thema „Zar und Zimmermann“ beinhaltet, vgl. etwa Lortzing (Zar und ZImmermann), Meyerbeer (Der Nordstern), Gretry (Pierre le Grand) und Donizetti selbst (In seiner späteren Oper „Il Borgomastro di Saardam). Hier ist allerdings nicht der Zar ein Zimmermann, sondern er sucht und findet in dem Zimmermann Carlo seinen verschollenen Schwager. Der Dorfrichter Ser Cuccucis in dieser Oper entspricht dem Bürgermeister Van Bett in Lortzings Oper. Er gibt sich ähnlich aufgeblasen und erhofft sich vom Zar sogar eine Beförderung wegen seiner so großen „Wichtigkeit“, wird aber von diesem degradiert.

    Die Oper erlebte bis 1827 einige Aufführungen. Dann geriet sie in Vergessenheit bis sie 2003 in der St. Petersburger Kammeroper wieder aufgenommen wurde. 2004 wurde sie beim Festival della Valle d'Itria aufgeführt. Diese Aufnahme wurde auch auf CD mitgeschnitten.

    Auch auf youtube kann man in diese Oper hineinhören.

    Eine Video-Aufzeichnung habe ich nicht gefunden.

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

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    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)