Michael Rabin - Triumph und Tragik eines Geigengenies

  • Angeregt durch den Thread "Die großen Geiger des 20. Jahrhunderts" möchte ich auf einen Künstler aufmerksam machen, der dort bisher keine Würdigung erfahren hat, MICHAEL RABIN.

    Michael Rabin, Violin-Solist | Europeana


    Er kam als Sohn einer Pianistin und eines Mitglieds der New Yorker Philharmoniker am 2. Mai 1936 zur Welt, war musikalisch also von beiden Elternteilen "vorbelastet". Früh kommt er in Kontakt mit dem legendären Jascha Heifetz, der seine Begabung erkennt und ihn an den Musikpädagogen Iwan Galamian von der Juilliard School in New York empfiehlt. Dieser nennt ihn schon bald den "besten Schüler, den ich jemals hatte". 1947 tritt Michael Rabin als 11jähriges Wunderkind erstmals öffentlich auf. Zusammen mit dem Havanna Symphony Orchestra unter der Leitung von Artur Rodzinski spielt er das 1. Violinkonzert von Henryk Wienawski. Zwei Jahre später feiert er sein Debüt in der New Yorker Carnegie Hall mit dem Klavierkonzert Nr. 5 von Henri Vieuxtemps. Diesmal ist der Dirigent Leon Barzin. Rabin feiert einen großartigen Erfolg und tritt anschließend mit diversen US-Orchestern in etlichen großen amerikanischen Städten auf. Sein endgültiger Durchbruch erfolgte am 29. November 1951, als er unter der Leitung von Dimitri Mitropoulos mit dem New York Philharmonic Orchestra Paganinis erstes Violinkonzert D-dur, wiederum in der Carnegie Hall, aufführte. Trotz seiner Jugend zählte er seither, neben Heifetz, Oistrach und Menuhin, zu den wichtigsten Violinisten der Nachkriegszeit. Anschließend bereiste er in seiner viel zu kurzen Karriere nicht nur die Vereinigten Staaten, sondern auch viele europäische Länder und vor allem Israel, dem er sich, wie viele jüdische Künstler, in besonderer Weise verbunden fühlte.

    Dank seiner außerordentlichen Technik und seines unverwechselbaren Tones wäre ihm zweifellos eine lange und ruhmreiche Laufbahn beschieden gewesen. Doch das Schicksal hat es nicht sehr gut mit dem Künstler gemeint. Bereits Anfang der 1960er Jahre kamen Gerüchte auf über gesundheitliche Instabilität infolge von Drogenmißbrauch. Seine öffentlichen Auftritte wurden immer seltener, und sein früher Tod am 19. Januar 1972 im Alter von nur 35 Jahren ließ Vermutungen aufkommen, er habe durch Suizid sein Leben beendet. Diese Spekulationen erwiesen sich jedoch in der Folge als unhaltbar. Vielmehr starb der Künstler, ein wenig vergleichbar mit dem tragischen Ende von Fritz Wunderlich, an einem Sturz in seiner Wohnung, als er dort ans Telefon eilen wollte, ausrutschte und mit dem Kopf unglücklich auf die Sitzfläche eines Stuhles aufschlug, was zu einem tödlichen Schädelbruch führte. Das zumindest ergab die Autopsie durch einen renommierten Pathologen.

    "Wir Solisten sind allesamt Sklaven unseres Instruments", hat Michael Rabin einmal geäußert. Vielleicht liegt darin ein Stück Tragik des viel zu früh von uns gegangenen Künstlers verborgen, der den Schritt vom Wunderkind zum erwachsenen, vielbewunderten Künstler nicht so recht bewältigt hat. Sein Tod gab Rätsel auf, und wenn sie auch inzwischen als gelöst gelten, so bleiben doch ein paar Fragezeichen zurück.


    Michael Rabin spielte auf einer der berühmten Geige, der "Guarneri del Gesù" aus dem Jahr 1735. Seine 1958 entstandene Gesamtaufnahme der 24 Capricen von Nicolo Paganini gelten für viele Musikfreunde bis heute als unübertroffen und dienten nach eigenem Bekunden Izhak Perlman als Anregung für seine eigene, später ebenfalls hervorgehobene Aufnahme dieser Stücke. EMI hat Rabins Aufnahme, die bereits in Stereo produziert wurde, in ihrer Serie "Great Recordings of the Century" wieder aufgelegt:


    Paganini: 24 caprices


    Meine erste Bekanntschaft mit diesem Ausnahmekünstler machte ich mit folgender CD:


    Violinkonzert 1 / Violinkonzert 2 u.a.


    Michael Rabin hat nicht sehr viele Tondokumente hinterlassen, aber alles, was von ihm vorliegt, ist für jeden Geigenliebhaber schier unverzichtbar.

    In dieser 6 CD-Box hat EMI (heute: Warner Classics) sämtliche Aufnahmen für dieses Label vorgelegt:

    Icon: Michael Rabin - Rabin,Michael, Various: Amazon.de: Musik


    "Das ist Geigenspiel auf höchstem Niveau - Ein Muß!", urteilte FonoForum in seiner Ausgabe 11/2012. Dem ist nichts hinzuzufügen.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Ich habe die Paganini Capriccios zum Teil gestreamt und war über den herben und klaren Ton angenehm überrascht bis begeistert. Perlman finde ich verspielter hier sagt er mir nicht so zu wie Rabins Spiel. Es gibt im Web ein paar Aufnahmen


  • Angeregt durch den Thread "Die großen Geiger des 20. Jahrhunderts" möchte ich auf einen Künstler aufmerksam machen, der in dort bisher keine Würdigung erfahren hat, MICHAEL RABIN

    Das finde ich wieder einmal sehr verdienstvoll, lieber Nemorino! :thumbup:


    Leider sind viele Aufnahmen vergriffen - aber es gibt diese beiden wohl für sein Repertoire repräsentativen Zusammenstellungen:




    :hello:


    Perlman finde ich verspielter hier sagt er mir nicht so zu wie Rabins Spiel.

    Perlman verspielt? So ist er mir noch nie vorgekommen - und seine Aufnahme kenne ich am besten! ^^ Keiner spielt die Capricen so unfassbar sauber und mit einem so runden Ton wie Perlman! Das liegt natürlich auch an Perlmans bekanntermaßen selbst unter absoluten Spitzengeigern einzigartiger Bogentechnik. Aber ich will über Rabins Aufnahme nichts gesagt haben, ich habe mich mit ihr einfach nicht beschäftigt. :hello:


    Schöne Grüße

    Holger

  • Perlman verspielt? So ist er mir noch nie vorgekommen - und seine Aufnahme kenne ich am besten! ^^ Keiner spielt die Capricen so unfassbar sauber und mit einem so runden Ton wie Perlman!

    Da habe ich wahrscheinlich die falsche Vokabel gewählt. Sauber und rund ist wahrscheinlich besser als Formulierung. Ich kenne die Einspielung von Perlman auch recht gut und schätze sie. Aber wahrscheinlich meine ich, dass Rabin nicht nicht so "rund" klingt, sein Ton hat eine Herbheit, die Perlman, sicher gewollt, nicht hat. Das gefällt mir aber außerordentlich.

  • Lieber Holger,


    zunächst vielen Dank für Deine prompte Reaktion auf meinen Eintrag.

    Leider kann ich mich an dem Vergleich Perlman/Rabin nicht beteiligen, da ich keinen Zugriff auf Perlmans Paganini-Capricci habe. Die befanden sich zwar als LP in meinem Besitz, aber ich kann sie auf die Schnelle nicht finden, und mein letztes Hörerlebnis liegt mindestens 20 Jahre zurück.

    Ich gestehe, daß ich ohnehin kein unbedingter Fan von Stücken für Violine solo bin; die Paganini-Stücke habe ich auf CD lediglich von Rabin (in der oben gezeigten Ausgabe) und von Frank Peter Zimmermann:

    Niccolo Paganini -- 24 Caprices, Op.1 (Frank Peter Zimmermann, violin) -  YouTube


    Aber auch diese Aufnahme steht seit etlichen Jahren ungehört bei mir im Regal.

    Natürlich sind diese Stücke für jeden Violinvirtuosen unverzichtbar, und deshalb habe ich sie auch im Zusammenhang mit Michael Rabin besonders hervorgehoben.


    LG Nemorino :hello:

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

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