Ballette in einem Akt

  • Abendfüllende Ballette sind bekannt.


    Manchmal reicht die Dramaturgie für einen Akt.


    In diesem Thread geht es um diese kleine Form getanzten Theaters.

    "Um Musik zu hören, muss man seine Ohren öffnen und auf Musik warten. Zuhören ist Anstrengung; blosses Hören keine Leistung – auch eine Ente kann hören." Igor Strawinsky



  • Alexander Glasunow (1865-1936) hat die Musik zu Die Jahreszeiten in ein Ballett mit einem Akt in 4 Bildern komponiert. Marius Petipa hat die Schrittfolgen choreografiert. Es hat die Opuszahl 67.


    Die Sätze sind, wie es im Ballett üblich ist, in französischer Sprache angegeben.


    L´Hiver. Introduction - 1er Tableau. Variation I "Le Givre". Variation II "La Glace". Variation III "La Grele". Variation IV "La Neige". Allegro - 2me Tableau. Le Printemps -

    3me Tableau. L´Été. Valse des Bluets et des Pavots. Barcarolle. Variation. Coda -

    4me Tableau. L´Automne. Bacchanal. Entrées des saisons. Petit Adagio. Variation (Le satyre). Allegro. Moderato. Apothéose



    Philharmonia Orchestra, Yevgeni Svetlanov



    Für seinen einstündigen Ballett-Einakter Opus 61 Ruses d''amour wählte Glasunow einen Stoff aus dem Rokoko. Die Tänze der damaligen Zeit erklingen im romantischen Tonkleid.



    Rumänisches Staatsorchester, Horia Andreescu

    "Um Musik zu hören, muss man seine Ohren öffnen und auf Musik warten. Zuhören ist Anstrengung; blosses Hören keine Leistung – auch eine Ente kann hören." Igor Strawinsky



  • Aaron Copland (1900-1990) hat ein halbstündiges Ballett in einem Akt für eine Gestalt des amerikanischen Wilden Westens komponiert: Billy the Kid.


    Es kam 1938 zur Aufführung. Die Einbeziehung mehrerer Cowboy-Melodien und amerikanischer Volkslieder hat zur Popularität beigetragen.


    Die Geschichte folgt dem Leben des berüchtigten Gesetzlosen Billy the Kid . Es beginnt mit „The Open Prairie“ und zeigt viele Pioniere, die nach Westen ziehen. Die Handlung verlagert sich in eine kleine Grenzstadt, in der ein junger Billy und seine Mutter anwesend sind. Seine Mutter wird während einer Schießerei von einer verirrten Kugel getötet, er ersticht ihren Mörder und begibt sich dann auf die Flucht.


    Die nächste Szene zeigt Episoden aus Billys späterem Leben. Er lebt in der Wüste, wird von einer Truppe gejagt und gefangen genommen (wobei der anschließende Feuergefecht deutliche Schlageffekte aufweist) und ins Gefängnis gebracht. Nachdem er dem Aufseher während eines Kartenspiels eine Waffe gestohlen hat, gelingt ihm die Flucht und er kehrt in sein Versteck zurück, wo er glaubt, in Sicherheit zu sein, doch Sheriff Pat Garrett holt ihn ein und erschießt ihn. Das Ballett endet mit dem Thema „The Open Prairie“ und den Pionieren, die erneut nach Westen reisen.



    Detroit Symphony Orchestra, Leonard Slatkin


    Vor diesem Ballett hatte Aaron Copland Musik für ein einaktiges Ballett geschrieben. Copland nannte seine 33-minütige Ballettmusik Grohg „das ehrgeizigste Unterfangen meiner Pariser [Studenten-]Jahre.“


    Grohg wurde zwischen 1922 und 1924 geschrieben und 1932 überarbeitet. Es wurde nie als Ballett aufgeführt. Dennoch betrachtete er es als repräsentativ für seinen reifen Stil, und seine musikalischen Ideen haben mindestens sechs verwandte Copland-Werke bereichert, was Coplands langjährige Vorliebe für Selbstanleihen verdeutlicht. Da Grohg von Copland zurückgezogen wurde, muss jeder, der seine Musik hören oder aufführen möchte, die komplexen Zusammenhänge zwischen den verwandten Werken verstehen.


    1. Cortège macabre oder „Einführung, Cortège und Auftritt von Grohg“ (auch bekannt als Dienerklagelied).

    2. „Tanz des Jugendlichen“ (1. Tanz)

    3. Tanz des Opiumessers (2. Tanz)

    4. Dance of the Streetwalker (3. Tanz, „Apache Dance“)

    (Dance of the Beautiful Young Girl – nur längere Version)

    5. Tanz des Spottes („allegro vivo“)

    6. Erleuchtung und Verschwinden von Grohg (Wiederholung des Anfangs)


    Zwei weitere Ballett-Einakter sind auf einer weiteren CD.


    Ermutigt durch den Erfolg von Billy the Kid schrieb Copland 1942 das viersätzige Ballett Rodeo. Wieder behandelt er einen Stoff aus dem Wilden Westen.


    1959 hat er dem Tanz ein Ballett gewidmet. Dance Panels.



    Detroit Symphony Orchestra, Leonard Slatkin

    "Um Musik zu hören, muss man seine Ohren öffnen und auf Musik warten. Zuhören ist Anstrengung; blosses Hören keine Leistung – auch eine Ente kann hören." Igor Strawinsky



  • Edward Elgar (1857-1934) hat ein Ballett geschrieben. Wie kam es dazu?


    Den Einakter Der blutrote Fächer komponierte er, um Geld für Wohltätigkeitsorganisationen während des 1. Weltkrieges zu sammeln, nachdem er von seiner engen Freundin und Vertrauten Lady Alice Stuart-Wortley gebeten worden war, ihn zu schreiben.


    Das Thema des Balletts wurde von einer Szene mit Pan und Echo inspiriert, die der Künstler Charles Conder optimistisch auf einen Fächer gezeichnet hatte, obwohl der Titel selbst nebensächlich für das Thema ist. Die Uraufführung 1917 im Rahmen einer Revue in London statt und wurde vom Komponisten dirigiert.


    Das Gelegenheitswerk fand beim Publikum erst in den 1960er Jahren grossen Anklang, als das Werk vom Dirigenten Sir Adrian Boult wiederentdeckt und 1973 aufgeführt wurde.


    "Um Musik zu hören, muss man seine Ohren öffnen und auf Musik warten. Zuhören ist Anstrengung; blosses Hören keine Leistung – auch eine Ente kann hören." Igor Strawinsky



  • Igor Strawinsky (1882-1971) hat das einaktige Ballett Pulcinella im neoklassizistischen Stil komponiert.


    Es war der Einfall des Impresarios Diaghilews die Tradition der Commedia dell’arte, wiederzubeleben. Er förderte eine um 1700 entstandene Verwechslungskomödie zutage: "Vier gleiche Pulcinellas". Für die musikalische Grundlage fand er in den Archiven Kompositionen, die man Giovanni Battista Pergolesi zuschrieb. Die musikwissenschaftliche Forschung ergab später, dass Werke weiterer Barockkomponisten enthalten sind. So stammen sieben Sätze aus Triosonaten von Domenico Gallo (1730-1768). Das Parnassi musici hat die hörenswerte Musik eingespielt.



    Die Produktinformation des Werbepartners klärt auf:


    Die wahren Vorlagen für Strawinskys Pulcinella


    Als Igor Strawinsky im Jahre 1919 der Bitte des genialen Impresario Serge Diaghilew nachkam, Léonide Massines Ballett Pulcinella nach Vorlagen des neapolitanischen Komponisten Giovanni Battista Pergolesi zu vertonen, konnte er nicht wissen, daß von den zur Bearbeitung ausgewählten Werken nur die Hälfte tatsächlich von Pergolesi stammte. Er griff nämlich unter anderem auf einen Druck von 12 Triosonaten zurück, der 1780 unter dem Autornamen Pergolesi in London veröffentlicht worden war. Erst in den 1950er Jahren entdeckte man in italienischen Handschriften den wahren Komponisten der entzückenden Pulcinella-Vorlagen: Domenico Gallo. Das Rätseln geht allerdings auch hier weiter, weiß man doch recht wenig über den um 1730 in Venedig geborenen Komponisten und Violinisten (so Fétis in seiner Biographie universelle von 1866). Komponiert wurden die vorliegenden Triosonaten vermutlich zwischen 1750 und 1760, somit in einer Zeit, die zu den farbenreichsten und vielfältigsten Abschnitten der europäischen Musikgeschichte zählt. Mit ihrer lebenssprühenden Rhythmik und überschwenglichen Melodik mußten sie Strawinsky geradezu begeistern.



    Diaghilew schlug Strawinsky den Stoff vor. "Pulcinella' war meine Entdeckung der Vergangenheit, die Epiphanie, durch die mein ganzes Spätwerk erst ermöglicht wurde. Es war natürlich ein Blick zurück – der erste von vielen Liebesaffären in diese Richtung –, aber es war auch ein Blick in den Spiegel".



    Es gibt dazu im Forum einen Thread.


    Igor Strawinsky: Pulcinella - Ballett in einem Akt


    Das Besondere ist, dass in das Ballett Teile mit Gesang integriert sind. Wer mit dem Frühwerk des Komponisten nichts anfangen kann, wird mit diesem Ballett vielleicht einen Zugang finden.

    "Um Musik zu hören, muss man seine Ohren öffnen und auf Musik warten. Zuhören ist Anstrengung; blosses Hören keine Leistung – auch eine Ente kann hören." Igor Strawinsky



  • 1928 erlebt ein Ballett am Königlichen Theater in Kopenhagen mit dem Titel "Benzin" die Uraufführung.


    Die Handlung:

    Einem Motorradfahrer geht das Benzin aus und er macht sich an das Mädchen heran, das ihm Gesellschaft leistet, während ihr Freund zum Tanken fährt.


    Nach drei Vorstellungen war Schluss. Das 45 minütige Tanzstück wurde seither nie mehr aufgeführt.


    Die Musik von Knudage Riisager (1897-1974) ist es Wert gehört zu werden. Er hat abwechslungsreich orchestriert. Für ein Ballett wichtig: Die Musik hat narrative Qualitäten.



    Danish National Symphony Orchestra, Owain Arwel Hughes

    "Um Musik zu hören, muss man seine Ohren öffnen und auf Musik warten. Zuhören ist Anstrengung; blosses Hören keine Leistung – auch eine Ente kann hören." Igor Strawinsky



  • An dieser CD habe ich grosse Freude, weil eher unbekanntes Repertoire zu hören ist. Der sehr lesenswerte Booklet-Text von Mervyn Cooke bietet neben vielen Anekdoten auch Fachwissen zu den Stücken.


    Malcolm Arnold (1921-2006) schrieb 1954 die Musik zum Ballett Rinaldo and Armida. Das Tanzdrama, basiert auf einer Episode aus Torquato Tassos Dichtung La Gierusalemme liberata (1581):


    Die mörderische Zauberin Armida, die in ihrem Garten die Liebhaber in den Tod lockt,

    wird selber vom Schicksal ereilt, als sie sich in den Kreuzritter Rinaldo verliebt.


    Nach einer beklemmenden, auf einem schicksalsschweren Vier-Noten- Motiv aufgebauten Einleitung (eine von vielen Passagen des Balletts, die von der Erfahrung Arnolds als Filmkomponist zu profitieren scheinen) beschleunigt sich mit dem Auftritt Rinaldos das Tempo, und begleitet von einer lyrischen Melodie fürdie tieferen Streicher und Fagotte bewegt er sich durch eine Gruppe von Bäumen. Armida erwacht mit einem Ausbruch von Leidenschaft des vollen Orchesters zum Leben und tanzt eine Sarabande. Die musikalische Erregung wächst, als Rinaldo vor seinem wahrscheinlichen Schicksal gewarnt wird, doch er tanzt mit Armida einen melancholischen “Pas de deux”, der mit einem dramatischen Kuss (Paukenwirbel) und dem Tod der Zauberin endet. Auf dem Höhepunkt eines weiteren heftigen Orchesterausbruchs geht Rinaldo höchst bühnenwirksam durch die Mauer des Gartens ab, und ein klagendes Violinsolo lässt abermals die beklemmende Eröffnungsatmosphäre einkehren.


    Nach 20 Minuten ist die einaktige Musik vorbei.


    Gerade mal 15 Minuten dauert die Musik, die Malcolm Arnold für den Elektra Stoff, frei nach Sophokles geschrieben hat. Zuerst war die Musik, Danach wurde die Choreografie erstellt.


    Wer die für Arnold so typisch bunte und geistreiche Orchestermusik kannte, dürfte von dem Electra-Auftrag überrascht worden sein – der tragische Stoff verlangte düsteren Expressionismus, wie etwa in der gleichnamigen Oper von Strauss; doch in dieser Partitur – stellenweise atonal und von vielen schroffen rhetorischen Gesten geprägt – konnte Arnold die dunklere Seite seiner musikalischen Persönlichkeit, die auch in einigen seiner reifen Sinfonien spürbar ist, zum Ausdruck bringen.

    Ein kritisches Element in der Instrumentierung von Electra ist eine Kerngruppe von Schlaginstrumenten (Pauken, Bongos, Timbales und Tomtoms), die in vielen Passagen ein Gefühl von heidnischen Ritualen aufkommen lässt. Rhythmische Dynamik wird allein durch einfache aber wirkungsvolle metrische Verschiebungen innerhalb längerer Passagen mit unverändertem Taktzeichen erzielt – offenbar waren Arnold in diesem Stadium seiner Entwicklung als Ballettkomponist die praktischen Möglichkeiten der Choreographie bereits vollauf bewusst. Die über weite Strecken sparsame Orchestrierung überrascht umso mehr mit einer impressionistischen Passage, in der Electra den Kopf dreht und wendet, um sich in Raserei zu steigern: Blechbläser- und Harfenglissandos gleiten über mehrere Oktaven auf und ab, während die Streicher benommen in ein allmähliches Crescendo wirbeln. Ebenso wie die anderen Ballettkompositionen Arnolds wurde auch dieses kompromisslose Werk nach der ersten Spielzeit aus unerfindlichen Gründen vernachlässigt und erst im Jahr 2004 wieder konzertant aufgeführt.



    BBC Philharmonic Orchestra, Rumon Gamba






    "Um Musik zu hören, muss man seine Ohren öffnen und auf Musik warten. Zuhören ist Anstrengung; blosses Hören keine Leistung – auch eine Ente kann hören." Igor Strawinsky



  • Im Werkverzeichnis von Bohuslav Martinu (1890-1959) gibt es eine Reihe von Ballett-Einaktern. Zwei Werke sind auf CD zugänglich.


    Der 60minütige Ballett-Einakter Stin, (Der Schatten) handelt vom Tode eines Mädchens. Sie begegnet im Laufe der Handlung einem Schatten, der am Schluss als ihr Tod sich zeigt. Ein eher düsterer Stoff auf einen Libretto seines Landmannes Alois Kohout. Eine Singstimme gehört zur abwechslungsreich instrumentierten Musik. Eine Violine charakterisiert das Mädchen.



    Dorota Szczepanska, Anna Maria Staskiewicz, Agnieszka Kopacka, Sinfonia Varsovia, Ian Hobson


    11 Jahre später kam ein einaktiges Jazz-Ballett zur Aufführung, deren Handlung in einer Küche spielt und ein Kessel und eine Kaffeemühle die Protagonisten sind: La Revue de Cuisine.



    Holst-Sinfonietta, Klaus Simon

    "Um Musik zu hören, muss man seine Ohren öffnen und auf Musik warten. Zuhören ist Anstrengung; blosses Hören keine Leistung – auch eine Ente kann hören." Igor Strawinsky



  • Das wahrscheinlich bekannteste einaktige Ballett ist Maurice Ravels BOLERO.


    Die Tänzerin Ida Rubinstein hatte Maurice Ravel gebeten, für sie ein Musikstück in der Form eines spanischen Balletts zu entwerfen.

    Die Ballett-Uraufführung erfolgte am 22. November 1928 in der Pariser Oper in einer Choreographie von Bronislava Nijinska mit Ida Rubinstein. Die damals 43-jährige Rubinstein tanzte als einzige Frau in einem Kreis von 20 jungen Tänzern.



    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • Les Noces ist ein Ballett mit Gesang von Igor Strawinsky, das er zwischen 1914 und 1917 komponiert hat. Das Werk besteht aus vier Tableaus, die ohne Unterbrechung in einem Akt gespielt werden. Die Darbietung dauert etwa 25 Minuten.


    Im Publikum saß 1923 in Paris auch der Amerikaner George Antheil, dessen bekanntestes Ballett das ursprünglich als Begleitmusik zu einem Stummfilm komponierte Ballett Mécanique ist. (Achtung!: DADA!)


    Die choreografische Uraufführung durch Meryl Tankard ist im Januar 2024 geplant.

    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

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