SPONTINI, Gasparo: OLYMPIE

  • Gasparo Spontini (1774-1851):
    OLYMPIE
    Tragédie lyrique in drei Akten

    Libretto von Michel Dieulafoy und Charles Briffaut nach Voltaires Schauspiel

    Originalsprache: Französisch.


    Uraufführung: 22. Dezember 1819 in der Pariser Opéra,
    Erstaufführung der revidierten Fassung am 14. Mai 1821 im Königlichen Opernhaus, Berlin, Unter den Linden,
    Erstaufführung dieser revidierten Fassung, ins Französissche übersetzt, am 28. Februar 1826 in der Pariser Académie Royale de Musique.


    Personen der Handlung:

    Statira, Alexanders Witwe (Mezzosopran)

    Cassandre / Cassander, Sohn des mazedonischen Königs Antipater (Tenor)

    Antigone / Antigonus, Feldherr Alexanders und König eines asiatischen Reiches (Bariton)

    L’Hiérophante, Oberpriester (Bass)

    Hermas, Vertrauter von Antigone (Bass)

    Ein Priester (Bass)

    Arbate, Cassandres General (stumme Rolle)

    Zwei Priesterinnen (stumme Rollen)

    Chor, Ballett und Statisterie: Priester, Priesterinnen, Eingeweihte, asiatische Krieger, Soldaten, Jäger, Erntearbeiter, Seeleute, junge Griechen, junge ägyptische Mädchen, Bacchantinnen, Große des Reichs, asiatische Edle, asiatisches Volk, Amazonen, Waffenherolde, Krieger von Antigone und Cassandre, Magier, Gefolge der Königin, Wache von Antigone.


    Ort und Zeit: Ephesus, vor und im Tempel der Diana, 300 v. Chr.


    Erster Akt.
    Im Tempel der Diana.


    Wenn die Handlung der Oper einsetzt, ist Alexander der Große schon 15 Jahren tot – ermordet. Für die Tat, die bis zum Beginn der Handlung nicht aufgeklärt ist, könnte man sowohl Cassandre als auch Antigonus verantwortlich machen, denn beide hätten ein Motiv, nämlich das Verlangen nach Krone und Reich und, nicht ganz unwichtig, dass beide in Olympie, Alexanders Tochter, verliebt sind. Nach Alexanders Tod bestimmten Kriege, mit großem Hass geführt, die Zeit bis zum Beginn der Handlung dieser Oper.

    Der Eingangschor, repräsentierend die Bevölkerung von Ephesus, bejubelt die Göttin Diana, die für Frieden sorgen möge:

    Hochauf erschallt, jubelnde Klänge, vernimm, o Göttin, unser Flehen! Diana!
    Glühender Lust Weihegesänge und Dankopfer bringen wir dar,
    aus heiteren Höhen hernieder steigt Friede, gibt Freude uns wieder,
    die Flamme lodert auf von heiligen Altar.


    Das große Blutvergießen zwischen den Völkern muss beendet werden. Cassandre und Antigonus sind ebenfalls im Tempel und schwören, vom Oberpriester ermuntert, ewigen und heiligen Frieden, aber auch Freundschaft zwischen ihren Völkern zu halten. Ein Duett von Cassandre und Antigonus (mit später hinzutretendem Chor) schließt die Szene ab.


    Das Publikum erfährt, dass die Götter die Vorherrschaft des Königreichs dem Antigonus zugesprochen haben. Cassandre wiederum denkt an eine Heirat mit Olympie, die er allerdings erst wiederfinden muss. Dieses Streben nach Liebe zu Alexanders Tochter, lässt bei Antigonus Argwohn wachsen, denn Olympie ist längst ihm versprochen. Der Streit zwischen den beiden, die sich gerade noch Freundschaft schwörten, wird wieder lebendig, als Cassandre auf den Mord an Alexander zu sprechen kommt und die Frage nach dem Mörder stellt und sich rechtfertigt. Cassandre wird misstrauisch, als Antigonus behauptet, dass Olympie ihm versprochen wurde. Er gibt aber zu bedenken, dass sie vielleicht nicht mehr am Leben sei.


    Nun tritt eine Amenais auf die Szene und Cassandre erkennt in ihr sofort Olympie. Sie hat ihn auch sofort erkannt und besingt das Glück, ihren Geliebten wiedergefunden zu haben und freut sich, bald seine Gemahlin zu sein. Ein Liebesduett beendet diese Szene.


    Die Priesterin Arsana tritt auf die Szene. Sie hat vom Hohenpriester Hierophant den Auftrag bekommen, die Ehe von Cassandre mit Amenais vor den Göttern zu segnen. Arsana ist in Wahrheit die Witwe Alexanders, Statira, die unerkannt im Tempelbezirk der Diana lebt. Als das Brautpaar zum Altar Dianas schreitet, erkennt der ebenfalls im Tempel befindliche Antigonus in Amenais Alexanders Tochter Olympie. Aber auch Arsana / Statira hat eine erhellende Erkenntnis: in Cassandre erkennt sie den Mörder ihres Gatten.


    Während Antigonus seine Krieger zur Rache auffordert, vergisst Arsana als Priesterin der Diana die Segnung des Brautpaares und ruft stattdessen die Götter zur Rache am Mörder ihres Mannes und Königs an. Cassandre fleht ängstlich und zitternd um Erbarmen und Olympie sucht ihren Priester-Vater Hierophant auf, von dem sie sich eine Beruhigung ihrer Seelenqualen erhofft. Der erste Akt endet mit dem Chor

    O fluchwürdig Wort!

    Welch furchtbar’ Schrecken vermocht’s im Heiligtum zu wecken.
    Ha! Beginnen frevelhaft!
    O Tag der Schmach, o Tag der Trauer, Entsetzen fasst uns, Todesschauer!
    Donnerbeben über uns!


    Zweiter Akt.
    Im Tempel der Diana zu Ephesus.


    Ein Chor von Priestern und Priesterinnen der Diana erbittet von der Göttin Milde für die Arsena / Statira. Zu wild waren ihre Mordanklagen am Altar gegen Cassandre. Ihr Wüten haben die religiösen Weihegesänge überlagert. Das könnte man als Entweihung des Diana-Altares ansehen – ein unwürdiges Verhalten für eine Priesterin.


    Statira hofft, dass sie im heiligen Hain der Diana ihr Leid vergessen kann. Den Bund von Cassandre mit Amenais kann sie auf keinen Fall segnen, auch wenn die Götter dem Mörder offenbar vergeben, geehrt und gekrönt haben. Sie hat jedenfalls den Wunsch, ihre Tochter Olympie noch einmal wiederzusehen, glaubt aber nicht wirklich daran.


    Hat Alexanders Witwe wirklich noch nicht bemerkt, dass jene Amenais ihre Tochter ist?


    Auch Oberpriester Hierophant ist nicht auf dem Laufenden, denn in einem Gespräch mit Arsena erfährt er jetzt, dass die Priesterin in Wirklichkeit Statira, die Gattin von König Alexander und die Tochter von König Darius ist. Hierophant wirft ein, dass sie im Tempel der Diana Schutz finden werde. Aber Statira ist durch die Begegnung mit Cassandre aus dem Gleichgewicht gebracht worden und beklagt den Tod ihres Vaters, ihres Gatten und ihrer Tochter.


    Hierophant fordert Statira auf, Hymnen zu singen, denn es nahe die Fürstenbraut und mit Erstaunen gibt sich Amenais in einem Duett mit ihr als Olympie zu erkennen. Dann erfährt sie, dass Cassandre, in jener unheilvollen Mord-Nacht, ihr das Leben gerettet hat. Und dass er ihr Vater und Freund war:

    Er bietet mir die Krone.
    So vieler Zärtlichkeit, soviel Treu zum Lohne,
    welch arm’ Geschenk ist meine Hand?


    In der nächsten Szene vereinen sich Statira, Olympie und der hinzugetretene Cassandre zu einem Terzett, in dem Olympie erstmals vom Mord durch Cassandre an ihrem Vater hört. Der Mörder gesteht zwar die Tat, sieht sich allerdings als Vollstrecker eines Komplotts, was er als Entschuldigung vorbringt. Immerhin, so erklärt er weiter, konnte er Mutter und Tochter das Leben retten.


    Verwandlung auf den Platz vor dem Tempel.

    Statira bleibt trotz Cassandres Erklärungen unversöhnlich. Plötzlich hört man aus der Ferne Freudengesänge auf Statira, angestimmt von Antigonus. Der will mit seinen Kriegern der Königinwitwe in der Rache beistehen und ist damit zum Kampf mit Cassandre bereit. Auch Statira ruft im Finale des zweiten Aktes zur Rache für ihren ermordeten Gatten auf. Tatsächlich kommen auf sein Zeichen von allen Seiten Soldaten auf die Szene. Cassandre, Antigonus’ Angriff als Verrat empfindend, schwört nun Rache an dem „Freund“. Die Priester und Priesterinnen der Diana versuchen, mit Oberpriester Hierophant an der Spitze, die Streithähne zu besänftigen, finden es aber erwähnenswert, dass man den heiligen Ort „entweiht“ habe. Ungeachtet dessen, rufen Antigonus und seine Krieger, damit den zweiten Akt beendend, weiter nach Rache für den Königsmord.


    Dritter Akt.
    Verwandlung in den Tempel mit Altar der Diana.


    Olympie erfährt, dass Cassandre mit seinen Kriegern gegen Statira und Antigonus vorgeht. Sie beklagt nun ihre zwiespältigen Gefühle zu dem Geliebten. Allerdings ist ihr klar bewusst, dass die Staatsräson von ihr den Hass auf Cassandre verlangt.


    Statira fühlt sich stark genug, Antigonus die Hand ihrer Tochter zu versprechen (hat sie vergessen, dass Olympie, wie es Antigonus behauptet hat, ihm längst versprochen war?). Die aber wehrt sich gegen die Forderung ihrer Mutter:

    Unmögliches verlangt ihr von Olympien!
    Zu Füßen des heiligen Altars werde ich, den Sterblichen beweinend,
    von dem mich trennt ein grausam’ Los, mein Leben enden.
    Ah! einzig meine Tränen bleiben ihm; im Heiligtum der Götter lasst sie mich vergießen.


    Antigonus freut sich zwar über Statiras Versprechen, verlangt aber den Tod Cassandres. Dafür will er jedenfalls streiten.


    In einem Rezitativ erfährt Olympie (und das Publikum), dass Cassandre den Feldzug gewonnen hat. Er nähert sich Olympie und fordert sie auf, ihm zu folgen. Sie zögert, ist sich durch Hassrufe von Antigonus’ Kriegern auch nicht sicher, ob sie ihm folgen soll. Schwer verwundet kommt Antigonus auf den Altar zu. Plötzlich verdunkelt sich Dianas Bildsäule, Donner und Blitz fahren auf Antigonus nieder, der vom Himmel als Frevler verdammt worden ist. Im Todeskampf ruft er die Furien des Hades an, dass sie Cassandre vernichten mögen. Zum Entsetzen aller Anwesenden gesteht Antigonus, der Mörder von König Alexander zu sein, dessen Geist durch die Furien gerufen wurde und der seine Stimme mahnend erhebt.


    Im Finale jubeln Freudenchöre und Statira führt Olympie und Cassandre zusammen. Zum Schluss preisen Priester und Priesterinnen das glückliche Ende als eine göttliche Fügung:

    Hoch entzückt für dich sieh uns glühen;
    hoch entzückt huldigen dir wir, o selig Paar
    In stillem, süßem Frieden
    herrsche, beglück’ das Reich.
    Und Seligkeit hienieden stellt dich den Göttern gleich.

    (Deutsche Fassung der eingestreuten Zitate von E.T.A.Hoffmann, Berlin 1821)

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