Hanns Eisler, „Der Schatzgräber“ (III)
Dass es Eisler in seiner Vertonungsabsicht bei dieser Goethe-Ballade um die Aussage der letzten Strophe ging, nicht um das die Existenz und die Lebenswelt eines „Schatzgräbers“, wie sie sich bei Goethe in den vorangehenden vier Strophen niederschlägt, dass er deren Inhalt nur gleichsam als zu der letzten Strophe hinführende Vorgeschichte aufgefasst hat, die man mit einem extrem weit gefassten Strophenlied-Konzept auf geradezu flüchtig anmutende Weise musikalisch abhandeln kann, das wird schon nach wenigen Takten auf sehr deutliche Weise sinnfällig. Eine ganz neue Liedmusik klingt da auf, neu in allen ihren Bereichen, in der Struktur der Melodik, ihrer Harmonisierung und dem ihr zugeordneten Klaviersatz.
Aber vor allem ist festzustellen:
Nun reflektiert die Melodik den poetischen Text auf detaillierte Weise in seiner sprachlichen Struktur und seiner Semantik. Und vor allem dieser Sachverhalt ist es, der für mich die Hypothese so naheliegend macht, dass die ganze Vertonung auf diese letzte Strophe ausgerichtet und fixiert ist.
Und was verrät die Liedmusik nun, Eislers Interpretation des Goethe-Textes betreffend. Was hat er da als in seinem Denken und Schaffen marxistisch-kommunistisch ausgerichteter Mensch und Komponist herausgelesen?
„Tempo I, pp, äußerst zart“, so lauten die Vortragsanweisungen für die Liedmusik, D-Dur ist als Grundtonart vorgegeben. Mit einem gedehnten, in B-Dur harmonisierten und vom Klavier mit zwei Pianissimo-B-Dur-Akkorden begleiteten verminderten Terzfall in mittlerer Lage setzt die melodische Linie auf dem Wort „trinke“ ein. Auf den nachfolgenden Worten „Mut des“ beschreibt sie erneut einen solchen gedehnten Terzfall, nun aber einen großen, einen Halbton höher einsetzenden, mit einem F-Dur-Dominantseptakkord begleiteten, der mit einem Übergang des Metrums zu einem Dreihalbetakt verbunden ist. Klanglich zart, fast einschmeichelnd, aber zugleich nachdrücklich mutet dieser Auftakt der Liedmusik an. Und das ist auch der Grund-Gestus, den sie bis zum Ende beibehält, allerdings sich darin in der Nachdrücklichkeit darin permanent steigernd, um, dies allerdings erst im Nachspiel, aus dem Pianissimo bis ins Fortissimo auszubrechen.
Es ist nun viel ausdrucksstarke, aber zugleich leicht lieblich angehauchte Bewegung in der Melodik, in einer permanenten, immer wieder neu ansetzenden und partiell gedehnten in hoher Lage ansetzenden und über unterschiedliche Intervalle erfolgenden Abwärtsschritten entfaltet sie sich, dabei immer wieder zwischen einem Dreihalbe- und einem Zweihalbetakt hin und her pendelnd, in obere Lage aufsteigend und sich dann in der tonalen Ebene absenkend, um schließlich bei den Worten „zurück an diesen Ort“ in Gestalt eines Auf und Abs über nur noch eine partiell verminderte Sekunde in einer lange Dehnung auf der Ebene eines „D“ in tiefer Lage zu vorläufiger Ruhe zu finden. Das Klavier begleitet das durchweg mit einer Aufeinanderfolge von zwei Akkorden im Wert von einer halben und einer ganzen Note und die Harmonik verbleibt zunächst zwar in Rückungen von B-Dur nach F-Dur, der gedehnte Fall auf dem Wort „Belehrung“ ist aber in d-Moll gebettet und bei den Worten „mit ängstlicher Beschwörung, / nicht zurück an diesen Ort“ beschreibt die Harmonik gar eine Rückung von Es-Dur über D-Dur, c-Moll und B-Dur nach D-Dur. In diese Tonart ist die Dehnung auf einem „D“ in tiefer Lage bei dem Wort „Ort“ gebettet.