Michael Haydn: Die Messen und andere geistliche Musik

  • Ich habe etwas gezögert, bevor ich diesen Thread startete, weil ich ausser dem Requiem in C-Moll aus dem Jahr 1771 keine anderen Kirchenwerke von Michael Haydn kenne. Angeregt durch den Thread zu Michael Haydns Sinfonien machte ich mir Gedanken zu seiner geistlichen Musik. Von den Sinfonien die ich hörte kam keine auf das Niveau des Requiems, also dachte ich mir, dass Michael Haydns Talente eher bei der Kirchenmusik lagen und dass es einen Thread wert wäre sich mit ihr auseinanderzusetzen.


    Hier ist einmal eine Auflistung der geistlichen Chorwerke von Michael Haydn aus der Wikipedia:


    • Missa in honorem Sanctissimae Trinitatis, MH 1
    • Missa Sanctae Cyrilli et Methodii, MH 13
    • Missa Beatissimae Virginis Mariae, MH 15 (Perger deest)
    • Missa in honorem Sancti Josephi, MH 16
    • Missa Sancti Gabrielis, MH 17
    • Te Deum, MH 28
    • Messe C-Dur, MH 42
    • Missa Sancti Francisci Seraphici (1a), MH 43
    • Messe C-Dur, MH 44 (Perger deest)
    • Missa Sanctae Crucis, MH 56
    • Missa dolorum Beatae Virginis Mariae, MH 57 (= identisch mit MH 552)
    • Missa Sancti Raphaelis, MH 87
    • Missa Sancti Nicolai Tolentini, MH 109/MH 154
    • Missa Sancti Francisci Seraphici (1b), MH 119
    • Missa pro defuncto Archiepiscopo Sigismundo („Schrattenbach-Requiem“), in c-Moll, MH 155
    • Missa Sancti Joannis Nepomuceni, MH 182
    • Missa Sancti Hieronymi, Oboenmesse, MH 254
    • Missa Sancti Aloysii, MH 257
    • Missa in Honorem St. Ruperti (Jubiläumsmesse) in C-Dur, MH 322
    • Sancti Dei MH 328
    • Alleluja! Laudate Pueri, Graduale in festo SS. Innocentium, die Dominica, MH 342 (1783)
    • Effuderunt Sanguinem Sanctorum, Graduale in festo SS. Innocentium, extra Dominicam, MH 392 (1784)
    • Missa in honorem Sancti Dominici (Missa della Beneficenza) in C-Dur, MH 419 (1786)
    • Missa Hispanica (Missa a due cori), MH 422
    • Anima Nostra, Offertorium pro festo SS. Innocentium, MH 452 (1787)
    • Alleluja! Dextera Domini, Graduale pro Dominica quarta post Pascha, MH 484 (1788)
    • Alleluja! Surrexit Christus, Graduale pro Dominica quinta post Pascha, MH 485 (1788)
    • Missa in honorem Sancti Gotthardi (Missa Admontis), MH 530 (1792)
    • Missa in honorem Sanctae Ursulae (Chiemseemesse), MH 546
    • Missa pro Quadragesima, MH 551
    • Missa Quadragesimalis, MH 552 (a-Moll)
    • Missa Tempore Quadragesimae et Adventus, MH 553
    • Deutsches Hochamt „Hier liegt vor deiner Majestät“, MH 536
    • Deutsches Hochamt „Hier liegt vor deiner Majestät“ („Haydn-Messe“), MH 560
    • Deutsches Hochamt, MH 602
    • Deutsches Hochamt, MH 642
    • Missa sub titulo Sanctae Theresiae, MH 797 (MH 796 ohne Gloriafuge)
    • Petite et accipietis, Graduale, MH 798
    • Magnus Dominus, Offertorium, MH 799
    • Te Deum, MH 800
    • Missa sub titulo Sancti Francisci Seraphici, MH 826
    • Missa sub titulo Sancti Leopoldi in festo Innocentium, MH 837
    • Missa pro defunctis, Requiem in B-Dur (unvollendet), MH 838
    • Antiphonarium ad usum chori Rothensis, von 1791


    Wie man sieht hat Michael Haydn mehr geistliche Werke komponiert als sein Bruder. Das Requiem von 1771 kommt an die Werke von Joseph Haydn aus der selben Zeit (Große Orgel Solo Messe, Salve Regina in G-Moll & Nikolai Messe) heran. Ich glaube das kann eine sehr lohnende Entdeckungsreise werden.


    Ich werde mir nach und nach Messen von Michael Haydn anhören und in diesen Thread vorstellen. Da ich zur Zeit bedingt durch meine Arbeit etwas zugeschüttet bin, wird das ein wenig langsam vorangehen, daher bitte ich um etwas Geduld. Wenn jemand mitmachen möchte, würde mich das natürlich sehr freuen.


    Liebe Grüße aus Wien.:hello:

  • Das ist durchaus eine interessante Thematik. Ich kenne u.a. M. Haydns "Chiemseemesse", die ich mal live im Süden Bayerns (ich weiß nicht mehr genau wo, Benediktbeuern?) gehört habe. Das Werk halte ich für eine natürlich ganz zeittypische, aber charmante Messvertonung.


    Die Messe mit vollständigem Namen Missa in honorem Sanctae Ursulae entstand 1793. Die Widmung an die heilige Ursula ist irreführend und witzig, denn Haydn schrieb die Messe für die Sängerin Ursula Oswald, die in Frauenchiemsee 1793 Nonne wurde. Passenderweise wird die Messe natürlich gerne auch am Namenstag der Heiligen Ursula von Köln (21. Oktober) aufgeführt. Der Name "Chiemseemesse" begründet sich im auf der Chiemseeinsel liegenden Kloster der Widmungsträgerin und wurde von Haydn handschriftlich in die Partitur eingetragen.

    Die Messe erfreut sich zunehmender Beliebtheit und wird häufig als "mozartischste" Messe Haydns bezeichnet. Der österreichische Kirchenmusiker, Komponist und Haydn-Kenner Armin Kircher bezeichnete das Werk als eines der "gelungensten und inspiriertesten" Werke Michael Haydns.


    Das Kyrie beginnt mit einem einfach Dreiklangmotiv, welches von Trompeten und schnellem Forte-Einsatz des Chores ins Prächtige gesteigert wird. So könnte durchaus auch ein Gloria-Satz beginnen. Selbiges Gloria gibt sich gewohnt prächtig mit Pauken und Trompeten. Der zunächst unisono geführte Chor ist sehr eindringlich. Besonders gelungen finde ich, wie die traditionelle Cum-Sancto-Spirito-Fuge völlig organisch und elegant aus dem vorherigen Satz hervorgeht und nicht - wie häufig - als artifizieller Fremdkörper dasteht. Das Credo ist mit 12 Minuten Dauer auch quantitativ das Zentrum der Messe. Es beginnt mit traditioneller, auf die Gregorianik zurückgehender Motivik. Auch hier gelingt die organische Verbindung der traditionellen Einzelsätze des Credo herausragend gut. Das kurze Sanctus gehört trotz der Pauken zum Wort "Sanctus" zum Typus der ruhigen Sanctus-Sätze. Das Benedictus schließt an die traditionellen melodiösen Vertonungen dieses Liturgiestücks an. Wie üblich ist das Schreiten dessen "der da kommt" deutlich zu vernehmen. Für mich wird u.a. an diesem Satz deutlich, was Kircher meint: Das ist wirklich sehr klangschöne und ergreifende Musik. Das abschließende Agnus Dei nimmt sich Zeit, was schon an der recht langen instrumentalen zu pochenden Pauken-Trompeten-Akkorden deutlich wird. An die Eindringlichkeit mancher vergleichbarer Sätze des Bruders, kommt es für mich aber nich heran. Das zugehörige "Dona nobis pacem" wird hier eher freudig und optimistisch interpretiert und führt die Messe zu einem glänzenden Abschluss.


    Aufnahmen sind durchaus verfügbar.


    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Prima Sache, ich bin gern dabei, mit der einen oder anderen Messe und auch ´kleineren` Stücken wie Offertorien und Gradualen.

    Aufgefallen ist mir, dass in der Auflistung die sog. Lambacher Messe fehlt - Missa Sancti Amandi MH 229. Dazu demnächst mehr.

  • Missa Sancti Amandi MH 229


    Wie angekündigt ein paar kurze Worte zu dieser Messe.


    Gewidmet ist die Missa Sancti Amandi MH 229 dem Heiligen Amandus aus dem 7. Jahrhundert. Haydn beendete die Arbeit an der Komposition Anfang September 1776, die erste Aufführung fand am 25. Oktober desselben Jahres unter seiner Leitung in der Stiftskirche Lambach statt.

    Die Messe ist neben Streichern mit vier Trompeten besetzt, womit die festlich-barocke Tradition aufgenommen wird. Der Vokalsatz ist fast durchweg homophon-liedhaft gearbeitet, kontrapunktische Teile finden sich lediglich in einem kurzen Fugato-Abschnitt im Kyrie.
    Alle Sätze der Messe, die ohne Solisten gestaltet ist, stehen in C-Dur und die Instrumentierung bleibt durchweg gleich, abgesehen vom Crucifixus, in dem die Trompeten schweigen.
    Besonders eindrucksvoll empfand ich den volksliedhaften Ton im Credo sowie die Umsetzung des Et incarnatus und des Crucifixus.
    Es existiert ein Mitschnitt der Messe auf YouTube, in der sie eingebettet ist in diverse Stücke u.a. von Gounod und dem Dirigenten Michael Stenov. Der Mitschnitt entstand am 15. Oktober 2023, leider ist die Klangqualität nicht sonderlich gut.
    Wer kennt weitere Aufnahmen des Werks?


    Beste Grüße aus Hamburg