VERDI, Giuseppe: IL CORSARO

  • Giuseppe VERDI
    IL CORSARO (Der Korsar)


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    Melodramma in 3 Akten
    Libretto: Francesco Maria Piave nach 'The Corsair. A Tale' von Lord Byron (1814), Übersetzung von Giuseppe Nicolini (1846)
    Uraufführung: 25. Oktober 1848 im Teatro Grande zu Triest; Leitung: Giuseppe Alessandro Scaramelli

    Die Handlung spielt auf einer Insel im Ägäisches Meer und in Coron, 16.Jhdt.

    Personen:
    Corrado, Hauptmann der Korsaren (Tenor)
    Medora, Corrados junge Geliebte (Sopran)
    Gulnara, Seid Lieblingssklavin (Sopran)
    Selimo, Aga, Offizier des Pascha (Bariton)
    Seid, Pascha von Coron (Bariton)
    Giovanni, ein Korsar (Bass)
    Ein schwarzer Eunuch (Tenor)
    Ein Sklave (Tenor)
    Eunuchen, Sklaven, Korsaren, Soldaten, Türken, Mägde



    Handlung:


    1. Akt
    Die Sonne verschwindet langsam am Horizont, als eine Piratenbande in einer Bucht, umgeben von steilen Felsriffen, ihr freies Leben besingt, ohne nicht jedoch auch an das Glück ihrer Kindheitstagen zu denken.(Come liberi volano i venti)=(Wie die Winde frei fliegen). Ihr Hauptmann Corrado, im Grunde genommen ein Mann von edlen Charakter, hat sich durch eine Liebesenttäuschung von der Gesellschaft abgewandt und wurde Pirat.(Tutto parea sorridere)=(Alles schien meiner ersten Liebe zu lächeln). Giovanni hat von einem Boten einen Brief erhalten, überreicht ihn Corrado, der, nachdem er ihn gelesen hat, sofort zum Absegelen rüsten lässt. Er selbst wird die Piraten in den Kampf gegen den Muselmanen führen und zusammen mit seinen Getreuen, ihm die Kraft spüren lassen, die einem Verräter widerfahren wird. (Si, de' vorsari il fulmine)=(Jawohl, die Blitze der Piraten)


    Szenenwechsel - Medoras Gemach
    Medora wartet in ihrem Gemach auf ihren Liebhaber Corrado. Sehnsüchtig blickt sie aus dem Fenster auf das offene Meer hinaus, ergreift die Harfe und in einer Romanze will sie sich von den düsteren Vorahnungen befreien, im Schatten eines Geheimnisses zu weinen. (Non so le tetre immagini fugar del mio pensiero)=(Ich kann meine meine Gedanken nicht von düsteren Gebilden befreien). Endlich erscheint Corrado und nun muß Medora erfahren, daß Corrado sie für einige Zeit verlassen wird. Medora schildert ihm die Angst, die sie sich um seine Sicherheit macht und versteht auch nicht, warum er sie so oft alleine lässt. Corrado versucht sie zu beruhigen, doch vergebens, Medora ist überzeugt, daß sie sich nie mehr wiedersehen werden.(Tornerai, ma forse spenta....)=(Du wirst zurückkehren,doch bis dahin schlägt dies unglückliche Herz vielleicht nicht mehr) Als ein Kanonenschuß ihn zum Aufbruch drängt, verlässt Corrado Medora mit der Versicherung, daß er bald zurückkehren wird. Medora fällt in Ohnmacht.


    2. Akt:
    Im Harem des Paschas Seid sitzt die Lieblingssklavin Gulnara und führt ein angenehmes Leben und lässt es sich gut gehen. Odalisken bringen Lobgesänge dar und bieten ihr wertvolle Juwelen und mit Bordieren verzierte Schleier an. (Oh qual perenne gaudio t'aspetta)=(O welche unendliche Freude erwartet dich) Doch glücklich ist sie nicht, sie haßt ihren Herrn und sehnt sich nach Freiheit. (Vola talor del carcere)=(Manchmal erheben sich meine Gedanken). Ein Eunuch tritt ein und bringt ihr die Nachricht, daß ihr Gebieter heute abend ein Fest gibt, und daß er sie dabei erwartet. Gulnara ist davon nicht allzu begeistert, nimmt aber die Einladung an, besteht aber darauf, mit ihren Dienerinnen zu erscheinen. Nochmals keimt in ihr die Hoffnung auf, daß der Himmel ihrer Gefangenschaft ein Ende bereiten wird. (Ah conforto è sol la speme)=(Ach,mein einziger Trost ist die Hoffnung)


    Szenenwechsel - Hafen
    Inzwischen hat sich die türkische Flotte im Hafen bereit gemacht, um die Korsaren zu bekämpfen. Pascha Seid und seine Gefolgsleute sind sich sicher, daß sie mit Hilfe Allahs siegreich sein werden und stimmen schon die Siegeshymne an. (Santo in pace,terribile in guerra)=(Heilig im Frieden, fruchtbar im Krieg). Ein Derwisch, von einem Sklaven aufgegriffen, erscheint und bittet um Schutz und berichtet, daß er eben den Piraten entkommen sei. Seid versucht über ihn mehr über die Absichten der Korsaren zu erfahren, doch der Derwisch sagt, daß er nichts gesehen hatte, er war engesperrt und ist in Ketten gelegen, bis ihm die Flucht gelang und von einem Fischer gerettet wurde. Plötzlich bedeckt ein Flammenmeer den Hafen, die türkischen Schiffe brennen. Der Derwisch gibt sich nun zu erkennen - es ist Corrado! Die Türken, die ihn in alle Stücke zerreißen wollen, fliehen aber vor den von allen Seiten herbeistürmenden Piraten. Die Flammen haben inzwischen auf den Harem übergegriffen, aus dem Hilferufe zu hören sind. Corrado befiehlt seinen Leuten, die eigentlich die Türken verfolgen wollten, die Frauen aus dem Harem zu retten. Diese Zeit nützen die Türken, um sich zu sammeln und die Piraten anzugreifen, wobei Corrado und viele seiner Gefolgsleute gefangengenommen werden. Aga Selim lässt sie in Ketten legen, will nun die entkommenen Piraten verfolgen, worauf Seid ihm Einhalt gebietet. Es genügt ihm, ihren Anführer, Corrado, in seiner Gewalt zu haben. Er bedroht Corrado mit furchtbaren Foltern bis sein Tod als Abschreckung für kommende Generationen dient. Corrado hat dafür nur Verachtung übrig. Gulnara und die Frauen des Harems bitten Seid, doch Gnade walten zu lassen, jenen Männern, die ihr Leben gerettet haben. (Deh, signor, deh ti rammenta)=(Ach Gebieter, erinnere dich daran)


    3. Akt:
    Seid, dessen Palast abgebrannt ist, hat sich mit seinen Leuten und den Gefangenen auf eine Festung zurückgezogen, wo er in seinem Gemach den Gedanken nachhängt. Er ist enttäuscht, daß gerade Gulnara, die er liebt, um das Leben Corrado bittet. Eifersucht kommt hoch, wenn er daran denkt, daß sie, dem sein ganzes Herz gehört, seinen wahrscheinlich größten Feind lieben könnte. Ja, hundert reizende Mädchen würden seine Liebe ersehen, doch wenn Gulnara seine Liebe verraten will, dann sollen Blitze sie in Asche verwandeln. (Cento leggiadre vergini)=(Hundert reizende Mädchen).
    Aber vorerst will er sich Gewissheit verschaffen, ob seine Vermutungen zutreffen. Er befiehlt Selim, einerseits Gulnara zu ihm zu bringen, andererseits soll er dafür sorgen, daß Corrado am nächsten Tag einen schmachvollen Tod stirbt. (S'avvivina il tuo momento)=(Deine Stunde ist nah)
    Als Gulnara erscheint und, nach ihren Glückwünschen für den errungen Sieg, erneut für den Korsaren eintritt, indem sie vorschlägt, für ihn, statt ihn zu töten, Lösegeld zu verlangen, wird Seid schnell klar, daß sie Corrado liebt. Doch Seid will Rache und keine Juwelen, mehr noch, er droht Gulnara mit Sklaverei und sogar mit dem Tod, sollte sie noch ein Wort über Corrado verlieren. Wütend stürmt er davon.
    In einem Verließ der Festung liegt Corrado in Ketten und denkt an Medora, die, wenn sie von seinem Schiksal erfährt, diese Nachricht nicht überleben wird. Er ist müde, legt sich auf das Bett und schläft ein. Erst als Gulnara, die die Wachen bestochen hat, eintritt, wacht er auf. Schlaftrunken glaubt er einen Geist zu sehen, doch Gulnara gibt sich als jene Frau zu erkennen, die er aus dem Harem gerettet hat und bietet nun ihrerseits ihre Hilfe an.
    Sie will ihm zur Flucht auf ein im Hafen wartenden Schiff überreden, nachdem er Seid, der jetzt schläft, mit einem von ihr mitgebrachten Dolch getötet hat. Corrado lehnt die Flucht ab, einerseits weil er sich der Beziehung Gulnaras zu Seid nicht schlüssig ist, obwohl Gulnara deutlich zu verstehen gibt, daß Liebe nur unter freien Menschen gedeihen kann (Schiava son io, corsaro!)=(Ich bin eine Sklavin, Korsar) und andererseits und noch weniger will er sich nicht mit einem verräterischen Dolch bewaffnen.
    Gulnara verschwindet. Ein heftiges Gewitter zieht auf, und umsonst fleht Corrado, daß ein Blitz die Festung treffen und sein verpfuschtes Leben beenden möge. Nachdem das Unwetter sich verzogen hatte, erscheint Gulnara, bleich und zitternd, und berichtet, daß sie Seid erdolcht hat. Als Corrado dies vernimmt, zögert er nicht lange, jetzt ist auch ihr Leben in Gefahr, und willigt in eine Flucht ein. Beide machen sich auf den Weg zum Hafen.


    Szenenwechsel - Pirateninsel
    Medora erwartet sehnsüchtig die Rückkehr Corrados und schließt vom Schweigen der entkommenen Piraten, daß Corrado bereits tot ist. Sie nimmt Gift, in der Hoffnung, im Tode mit ihm vereint zu sein. Plötzlich taucht am Horizont ein Schiff auf, das untrügliche Zeichen gibt, daß auf ihm Corrado zurückkehrt. Sie landen und Corrado berichtet, wie Gulnara ihm vor dem sicheren Tode gerettet hat. Medora dankt Gulnara dafür, die eingesteht Corrado zu lieben, aber vergebens, sagte ihr Corrado doch, daß er eine andere liebt. Doch alles ist zu spät für Medora...die Rückkehr Corrados, die ungebrochene Liebe zu ihr...das Gift wirkt langsam...sie stirbt in den Armen Corrados. Zum Entsetzen aller stürzt sich Corrado von einer Felsenklippe ins Meer. Gulnara bricht ohnmächtig zusammen.
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    Zu viele Musikstücke enden zu lange nach ihrem Ende (Igor Strawinsky)

  • Nach Streitigkeiten mit seinem bisherigen Verleger Riccordi, unterschrieb 1845 Verdi einen Vertrag mit dessen Hauptrivalen Francesco Lucca. Darin verpflichtet sich Verdi drei Opern zu komponieren, wovon eine in London aufgeführt werden sollte. Aus diesem Grund schlug Verdi Lord Byron's 'The Corsair' vor, von dem Piave das Libretto verfassen soll. Lucca wollte dafür den in London ansässigen Librettisten Manfredo Maggioni durchsetzen. Lucca's Frau schlug auch die in Schottland spielende Ariodante-Episode aus Ariostos 'Orlando Furioso' vor, doch Verdi, der Piave mit dem Byron-Libretto bereits im Wort war, lehnte ab und setzte sich durch. Doch kurz nach der Premiere von 'Attila' erkrankte Verdi, fuhr dann auf eine längere Erholung in den Kurort Recoaro und die Reise nach London mußte abgesagt werden. 'Il Corsaro' trat in Vergessenheit, so daß Piave sein Libretto, um sie für andere Aufträge verwenden zu können, von Verdi zurückverlangt. Doch Verdi, der an diesen Stoff fasziniert war, lehnte ab und wollte das Libretto, wenn nicht schon für London, anderwertig verwenden. Schließlich hatte er schon mit der Komposition begonnen. Während seines Aufeinhalt in Recoara traf er Andrea Maffei, dem italienische Schiller- und Shakespeare-Übersetzer und Verdi's Begeisterung für 'Il Corsaro' trat in den Hintergrund. Vorerst wurde 'Il Masnadieri' und 'Macbeth', wie auch für Paris 'Jerusalem' realisiert, als Lucca auf die Erfüllung des Vertrages pochte. Verdi wollte durch Zahlung einer Pönale aus dem Vertrag aussteigen, doch Lucca lehnte ab. Somit beschäftigte sich Verdi wieder mit diesem Stoff und sandte Lucca am 12. Febraur 1848 die fertiggestellte Partitur durch einen Boten, da eine fiebrige Erkältung ihn darin hinderte. In einem Begleitschreiben teilte er Lucca mit, somit sei er der alleinige Eigentümer von 'Il Corsaro' und er könne mit dieser Oper machen, was er wolle. Eine ungewöhnliche Vorgangsweise von Verdi, denn bisher hat er immer bis zuletzt an seiner Oper gefeilt, bei den Proben die Partitur dem zur Verfügung stehenden Sängerensemble angepaßt und mehr oder weniger zahlreiche Änderungen vorgenommen. Infolge von Unruhen, 1848 war ein Revolutionsjahr, kam es erst am 25. Oktober 1848 im Teatro Grande zu Triest zur Uraufführung. Obwohl die Besetzung außerordentlich gut war, gerät die Premiere zum Debakel. Nur der Chor der Korsaren und das Schlußduett im ersten Akt konnten gefallen. Das Publikum nahm es Verdi übel, daß er nicht anwesend war (Verdi weilte in Paris), Lucca wiederum gab dem Publikum die Schuld. Auch die Kritiker ließen kein gutes Haar an der Oper und meinten, Verdi solle in Paris bleiben und die "Musik der großen alten und modernen Komponisten studieren". Nach drei Aufführungen verschwand die Oper vom Spielplan. Erst 1854 wurde sie in anderen italienischen Opernhäuser, so auch in Mailand, Venedig und Neapel, wieder aufgeführt, verschwand dann aber bald wieder aus dem Repertoire. Bis heute konnte diese Oper nicht Fuß fassen und wird nur mehr selten aufgeführt.


    Beitrag von Verletto!

  • Diese Oper leidet an ihrer langen Entstehungszeit, denn dadurch fehlt die einheitliche Linie und Geschlossenheit, die sonst Verdi's Opern auszeichnen, und wen man die vorangegangen Opern Verdis als Maßstab nimmt, etwa Macbeth, so ist deutlich zu sehen, daß die dramatische Gestaltungskraft in dieser Oper fehlt. Sie wirkt etwas lustlos komponiert, was einerseits vielleicht in den Kontroversen mit seinem Verleger zu suchen sind, andererseits, wolle er an 'Macbeth' nahtlos anknüpfen, er das Libretto neu gestalten lassen müßte, um aus der mehr erzählenden Form Byron's, und Piave hatte sich so eng wie möglich Byron angepaßt, die dramatischen Vorbedingungen zu erzielen. Es gibt jedoch in dieser Oper so manche Szene, wo Verdi seine musikalische Genialität beweist. Bemerkenswert etwa, wie Gulnara im 3.Akt im Gefängnis ihre von Corrade vermutete Liebe zu Seid zurückweist...'Schiava son io, corsar'...man spürt die Erleichterung als die Melodie in einen selbstischeren Polonaise-Rythmus fällt, Seid's Arie 'Cento leggiadre virgini', die eigentlich kaum berührt, doch das nachfolgende Duett Seid's mit Gulnara mit der effektvoll gestalteten falschen Zärtlichkeit, die in Wut umschlägt, Medoras Romanze im 1.Akt, die dann von den Oboen wiederholt ihren letzten Auftritt einleitet oder der Beginn der Gefängnisszene, wo Geigen- und Cellosoli sich in einer ergreifenden Harmonie ergänzen. Nicht unerwähnt soll die Handlungsmusik sein, die sich am Ende des 2.Aktes mit den dahingaloppierende Geigen fünfmal wiederholt, jedesmal einen Halbton höher als vorher. Die Schönheiten dieser Oper enthüllen sich meist unerwartet, nicht in den Cabalettas - sie berühren kaum - sondern in Szenen wie voher schon erwähnt. So ist diese Oper zwar kein Meisterwerk Verdi's, aber doch nicht so unbedeutend, wie es den Anschein hat.


    Beitrag von Verletto!

  • Besetzung der Uraufführung
    Corrado - Gaetano Fraschini
    Medora - Carolina Rapazzini
    Gulnara - Marianna Barbieri-Nini
    Seid - Achille De Bassini


    Beitrag von Verletto!


  • Il Corsaro
    (Der Korsar),
    Melodramma in 3 Akten
    von Giuseppe Verdi.
    Text von Francesco Maria Piave nach Lord Byrons Verserzählung The Corsair (1814).
    Uraufführung: 25.10.1848 Triest, Teatro Grande
    mit Marianna Barbieri-Nini • Carolina Rapazzini • Gaetano Fraschini • Achille De Bassini • Giovanni Volpini • Giovanni Petrovich.


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Hallo, Harald!


    Diese Oper besitze ich auch unter Gardelli in Vinyl (ehemals Philips). Eine selten gespielte Verdi-Oper, aber mit wunderbarer Musik.



    Liebe Grüße


    Wolfgang

    W.S.