Dürfen Mitsingen und wildes Gestikulieren Teil des Musizierens sein?

  • Ich habe selbst beim Singen (und auch am Instrument) genau das gegenteilige "Problem".
    Ich stehe immer sehr ruhig da, was ja bei der Interpretation von Opernliteratur schon sehr stört, aber auch im Chor durchaus auffallen kann.


    So habe ich vor einiger Zeit in einem Projektchor mitgesungen und wir haben Brahms Liebeslieder Walzer aufgeführt. Nach dem Konzert wurde mir aus zwei Richtungen gesagt, dass es doch sehr auffällig war, dass der gesamte Chor im Walzertag hin und her wogte und nur ich (wie ein Poller im Hafen) ganz ruhig dastand.


    Aus der Sicht des Publikums gehört für mich ein bißchen Bewegung und "Mitgehen" zum Musizieren dazu, aber ich kann mich auch herrlich über ein übertriebens Gehabe auf der Bühne aufregen...


    Gruß,
    Cherubina

  • Zitat

    Original von georgius1988


    Wichtig wäre es zu unterscheiden zwischen Show und Wirklichkeit. Summt oder gestikuliert jemand weil er nicht anders kann oder weil er eine Show abziehen will. Jeder, der sich bei ersterem aufregt, ist besser beraten sich die Musik von einem Computerprogramm vorspielen zu lassen...


    Absolut, lieber Georg, absolut! :D:D



    Herzliche Grüße,:hello::hello:


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Sag ich doch! Der entscheidende Unterscheid ist immer, ob etwas authentisch ist oder nicht.
    Und Gould ist 100%ig authentisch.
    Dass in seiner Persönlichkeitsstruktur Facetten zu finden waren, die bei einem Nicht-Genie wahrscheinlich in psychotherapeuthische oder psychiatrische Behandlung gedrängt würden, ist ja kein Geheimnis.
    Das mindert aber keinesfalls die Qualität dessen, , was er uns geschenkt hat.


    Fairy Queen

  • Zitat

    Original von Khampan
    das Mitsummen läßt sich ja eigentlich inzwischen weitestgehend entfernen, auch nachträglich. Gerade weil es idR so unharmonisch ist, steht es nach einer FFT-Spektralzerlegung häufig deutlich isoliert da, ein Knopfdruck und weg isses.
    Ich bin mal gespannt wie lange es dauert, bis die ersten Labels auf die Idee kommen das mal in die Tat umzusetzen.
    Ebenso gespannt darf man sein, ob dann den Gould-Fans nicht etwas fehlen würde. :stumm:


    :hello: Khampan


    Ja, mir würde massiv was fehlen, genauso wie bei Rostropowitsch oder Casals!


    Wenn man das entfernt, geht der "Live"-Charakter verloren, und es wird "steriler".


    Für mich gehört es dazu, und ich freue mich jedesmal, wenn ich es höre!


    Und schön, daß das einige hier auch so sehen...


    Matthias

  • [quote]Original von Thomas Pape
    [Genießen wir also, was sich nicht verwehren lässt./]


    Joooo !!


    Und ne Gould-Aufnahme mit weggebeamtem Summen käme mir wegen fehlender Authentizität erst gar nicht ins Regal.

  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner
  • Guten Abend


    Zitat

    Original von florian
    .


    Der türkische Pianist Fazil Say, ein exzellenter Musiker, der sich vor den "Großen" seiner Zunft nicht zu verstecken braucht, pflegt seine
    Vorstellungen nicht nur mit ausgiebigen Körperbewegungen, sondern auch mit seinen bescheidenen Sangeskünsten zu würzen. Diese doppelte "Interpretationshilfe" zur Musik verblüfft zunächst, dann amüsiert sie und schließlich wird sie zum Ärgernis.


    Florian


    Das konnte ich heute live bei diesen " Benefizkonzert der Rotary-Hilfe Schriesheim Lobdengau "
    erleben. Fazil Say spielte mit vollen Körpereinsatz J.Haydns Klaviersonate Nr. 48 C-Dur
    und Mozarts Klavierkonzert A-Dur KV 414, begleitet von den Heidelberger Sinfoniker .
    Als Zugabe gabs noch Says Version von Mozart "Rondo alla turca", durch allerhand Körpereinsatz verstärkt.
    Ich fand das Getue und Gesunge eher amüsant als agerlich :D.


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Hallo!
    Da Musik hören/machen für mich eine sehr emotionale und bewegende Tätigkeit ist, würde ich sogar fast sagen, dass wildes Gestikulieren und/oder Mitsingen absolut dazugehört.
    Ich halte es für sehr wichtig, dass Musiker nicht einfach wie ein Roboter ein Stück nach dem anderen runterspielen, auch wenn die Musik vielleicht gut klingt. Die Aussage, die Emotion der Musik kommt bei dieser Art des Musizierens leider kaum bzw. gar nicht rüber.


    Wer würde sich denn von euch (wenn überhaupt:D) ein Rock-Konzert anschauen wollen, mit einem Sänger, der nur auf einem Fleck steht und seinen Text runtersingt?
    Ich denke, dass man das auch auf klassische Musik beziehen kann. Ich bevorzuge Dirigenten, Pianisten etc. etc. die auch wirklich zeigen, was ihnen die Musik bedeutet und wieviel Leidenschaft sie in ihre Stücke stecken. Und so lange dabei nicht die spielerische Qualität der Musik leidet und die Emotionen, die man zeigt auch zum Stück passt, finde ich es absolut in Ordnung, wenn nicht sogar Pflicht, dass man die Musik "lebt".


    Das gilt natürlich auch für das Mitsingen, während man Musik hört. Wenn man dabei niemanden stört kann das doch viel Spaß machen.:D

    Zitat von André Glucksmann:
    Philosophieren bedeutet zuallererst, gegen die eigene Dummheit zu kämpfen.