Oper nach 1945: Welche wird berühmt?

  • Lieber Alviano,
    "Jesu Hochzeit" ist ein eigenartiger Fall. So übel ist der Text nämlich nicht. Sprachlich bewegt er sich auf mehreren Ebenen: Simple Verse für die von bigotten Kreisen vereinnahmten Figuren, formalistische Satzgefüge für alles, was zur Amtskirche führt, Hochlyrik für Jesus und die Tödin.
    Auch inhaltlich ist die Sache nicht uninteressant, wenn man ein kritisches Mysterienspiel akzeptieren kann. Die Tödin verführt Jesus zum Tod - Höhepunkt in der Zeile: "Der du mit den Füßen auf dem Regenbogen stehst: Mach Hochzeit mit der Nacht." Maria Magdalena wird in einer Weise aufgewertet, die vieles von diversen neueren Reißer-Romanen vorwegnimmt.
    Das Problem ist nur: Einem konnte es nicht komponieren. Bei ihm klingen alle Ebenen gleich dünn und ausgeblutet und ergehen sich in Pseudo-Kantilenen, die nicht ins Ohr gehen, aber auch nicht neuartig sind.


    Auch "Kabale und Liebe", der ersten Garde der Wiener-Staatsopern-Ensemblekräfte auf die Stimmbänder geschrieben, hat diesen Nachteil. Es gibt fabelhafte Momente, insgesamt aber ist das Stück ziemlich mühsam.


    Ganz ehrlich: Ich halte auch die "alte Dame" für schwach: Dürrenmatt hat das Stück glänzend gekürzt und die Längen der Theaterversion ebenso eliminiert wie deren Holzhammer-Symbolik. Und dann macht Einem zu diesem wirklich bösen Stück eine so sanfte und schöne und leckere Musik, daß man an einen neuen Richard Strauss denkt. Aber es ist nicht der "Elektra"-Strauss, sondern der von "Arabella". Hört man das Werk zum ersten Mal, ist man ziemlich angenehm überrascht. Hört man es zum zweiten oder dritten Mal, merkt man, welche Längen diese Oper durch diese ewige scheinmelodische Deklamation hat.


    Für mich bleiben bei Einem der "Danton", der wirklich eine tolle Bühnenwirkung entfaltet, und der "Prozeß", der natürlich wesentlich handfester ist als Kafkas Roman, aber durch die Repetition rhythmischer Floskeln und die monoton trommelnden Singstimmen eine mitunter bohrende Intensität erreicht. Überleben sollten beide, überleben wird allerdings weder der "Danton" noch der "Prozeß".



    Erstaunlich finde ich, wie derzeit Henze am Wachsen ist. Die "Bassariden" waren praktisch tot. Jetzt tauchen sie hie und da wieder auf. Das Zeug zum Überleben hätten sie. Übrigens könnte auch "Il re cervo" oder sogar seine größere Erstfassung "König Hirsch" überleben, wäre nur der Part des Tartaglia nicht so wahnsinnig schwer und lang.


    Weniger Chancen hat meiner Meinung nach der "junge Lord": Ähnlich wie bei Einem ist das Libretto fabelhaft, aber die Oper hat große Längen, am schlimmsten im zweiten Bild des ersten Aktes und im zweiten des zweiten Aktes.
    :hello:

    ...

  • Es wäre aber, trotz gelegentlicher Längen, schade um den Jungen Lord. Wo hat man schon in der modernen Oper so viele herrliche Ariosi und Arien?
    Noch mehr wünschte ich mir jedoch das Überdauern der Elegie für junge Liebende. Insbesondere die Stellen, in denen mehrere gleichzeitig Singen, als würden sie, wie "im richtigen Leben", alle gleichzeitig sprechen und nur gelegentlich einander zuhören, so dass ich beim ersten Hören an Filme Robert Altmans wie Nashville erinnert wurde, finde ich ausgesprochen gelungen, denn bei Henze wird gerade hier aus "Durcheinander" faszinierende Musik.
    Insbesondere im dritten Akt unterstreicht die Musik m.E. auch das bitterböse Libretto Audens und Kallmans ausgesprochen gut. An der Stelle, an der welcher der Großdichterfürst die Frage, ob bei aufziehendem Unwetter noch jemand in den Bergen sei, mit den einfachen Worten verneint: "Nun ...nicht das ich wüßte", obwohl er selbst das junge Paar ausgeschickt hat, ihm einen letzten Dienst zu erweisen, läuft es mir immer kalt den Rücken runter, so kongenial böse empfinde ich hier auch die Musik: Mit welcher Beiläufigkeit hier zur Aufrechterhaltung der Gestik des Großkünstlers Menschenopfer gebracht werden und dies in seinem Umfeld akzeptiert wird, ist musikalisch äußerst gelungen verdeutlicht - und erst recht am Schluß: Der Großdichter setzt zur Lesung der neuen Elegie an, doch wir hören wieder das "Durcheinander" der Stimmen all derer, die zur Elegie beigetragen haben.
    Wo gibt es die DVD der "Elegie für junge Liebende" in der Regie Robert Altmans? Die hätte, gäbe es sie, Zukunft gehabt.


    Gerade verglichen hiermit war auch ich beim "Besuch der alten Dame" von der viel zu freundlichen Musik von Einems zu dieser erstklassigen Textvorlage, auf deren Aktualität Alfred schon hingewiesen hat, sehr enttäuscht, kannte ich doch vorher schon von Einems "Danton" und "Der Prozeß", zwei Opern, denen ich auch das Überleben wünschen würde.


    Verdient hätten es ebenso m.E. einige der hier schon genannten Opern, Zimmermanns "Soldaten" allen vorran, trotz aller Aufführungsschwierigkeiten und natürlich der von Edwin genannte Nono. Britten, Matthus "Judith", Cerhas "Baal", Reimans "Lear" könnte ich auch nennen. Von Peter Maxwell Davies würde ich "The Lighthouse" musikalisch noch "Taverner" vorziehen. Die spannende Krimihandlung zu einer die Spannung noch steigernden Musik sollte doch eigentlich sogar ihr Publikum finden können.
    Dies könnte unter den hier noch nicht genannten neuen Opern, die ich auch noch schätze, musikalisch vielleicht sogar für die dem Thema angemessen jazzige Oper "Malcolm X" des Afro-Amerikaners Anthony Davis zutreffen, wäre da nicht der radikale Text, aber wenn Spike Lee die Regie übernähme?


    Aus Stockhausens "Licht" kenne ich bislang (nur von CD) den Donnerstag, den Samstag und einige weitere Ausschnitte. Mein Eindruck nur vom CD-Hören: Das kann ich jedenfalls auch besser nur in Ausschnitten goutieren: Neben musikalisch absolut packenden Abschnitten greifft die abstruse New Age-Ideologie leider auch manchmal auf die Musik über und führt dann zu laaaangweiligem Wabern. Manches andere erscheint mir auch eher als Spektakel. Das müßte dann eigentlich gut in die "Gesellschaft des Spektakels" (Guy Debord) passen.


    Aktuell hegemoniale gesellschaftliche Tendenzen bedenkend, muß aber auch ich leider zu Bernd/Zwielichts Pessimismus neigen. Doch wer weiß, was für gesellschaftliche Überraschungen uns noch bevorstehen. Vielleicht sind Henzes Bassariden ja doch ein Anfang. Berg und sogar Schönbergs Moses und Aaron haben es, wie es zur Zeit aussieht, ja auch ins Repertoire geschafft.


    :hello: Matthias

  • Jetzt habe ich doch ganz vergessen, auf Michael Tippett einzugehen, dessen Musik ich mag, auch etwas opernhafte Werke, wie A Child of our Time oder The Mask of Time. Aber die Opern, wie King Priam haben mich dann doch etwas weniger überzeugt. Jedoch ausgerechnet The Ice Break kenne ich noch nicht. Das muß sich ändern!
    Ebenso danke ich für andere Anregungen! - Die Opern von Rihm, Poulenc, Messiaen und Bibalo kommen auf die Besorgungsliste.


    Ein weiterer Aspekt, der hier noch weiter bedacht werden könnte, ist, dass manches vielleicht regional überlebt, z.B. die Opern von Mikis Theodorakis. Was haltet ihr von denen?
    Oder werden solche relativen, aber regional begrenzten Erfolge in der kulturellen Globalisierung untergehen?
    Dieser, wenn auch nicht widerspruchsfreie Prozess dürfte es erst recht Cerha, von Einem und überhaupt deutschsprachigen Werken schwerer machen.


    :hello: Matthias

  • Wie sieht das mit nationalen Unterschieden aus?
    Poulenc ist hier in Frankreich fester Repertoirebestandteil und nciht wegzudenken. Auch Menotti hatten wir schon wiederholt auf dem Spielplan.
    In der nächsten Saison gibt es bei uns "Riders on the sea" von Vaughan Williams . Davon habe ich allerdings noch nie etwas gehört...... :untertauch:
    Die genannten deutschen Komponisten sind dagegen hier noch nicht aufgetaucht.
    Geht ihr von einer nationalen oder internationalen Bedeutung aus?


    Fairy Queen

  • Lieber Edwin,


    Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    "Jesu Hochzeit" ist ein eigenartiger Fall. So übel ist der Text nämlich nicht. Sprachlich bewegt er sich auf mehreren Ebenen: Simple Verse für die von bigotten Kreisen vereinnahmten Figuren, formalistische Satzgefüge für alles, was zur Amtskirche führt, Hochlyrik für Jesus und die Tödin.


    Ich räume gerne ein, dass ich vielleicht heute, einige Jahrzehnte nach meiner Begegnung mit "Jesu Hochzeit", den Text anders einschätzen würde, aber es drängt mich, ehrlich gesagt, nicht, das gleich und sofort zu überprüfen...


    Zitat

    Auch inhaltlich ist die Sache nicht uninteressant, wenn man ein kritisches Mysterienspiel akzeptieren kann.


    Das wäre kein grundsätzliches Problem, da würde ich auf eine entsprechende Inszenierung setzen. Allerdings klingt der handlungsbeschreibende Satz, dass das Stück die "chymische Hochzeit zwischen Jesu und der Tödin" behandelt, schon ein wenig abschreckend. Das Wort "chymisch" war mir bis zur Kenntnissnahme der Einem-Oper nicht vertraut...


    Zitat

    Das Problem ist nur: Einem konnte es nicht komponieren. Bei ihm klingen alle Ebenen gleich dünn und ausgeblutet und ergehen sich in Pseudo-Kantilenen, die nicht ins Ohr gehen, aber auch nicht neuartig sind.


    So habe ich das auch in Erinnerung, die Musik bietet nichts, was irgendwie Interesse weckt und bewegt sich in konventionell-langweiligen Bahnen.


    Zitat

    Ganz ehrlich: Ich halte auch die "alte Dame" für schwach: Dürrenmatt hat das Stück glänzend gekürzt und die Längen der Theaterversion ebenso eliminiert wie deren Holzhammer-Symbolik. Und dann macht Einem zu diesem wirklich bösen Stück eine so sanfte und schöne und leckere Musik, daß man an einen neuen Richard Strauss denkt. Aber es ist nicht der "Elektra"-Strauss, sondern der von "Arabella". Hört man das Werk zum ersten Mal, ist man ziemlich angenehm überrascht. Hört man es zum zweiten oder dritten Mal, merkt man, welche Längen diese Oper durch diese ewige scheinmelodische Deklamation hat.


    Die "Alte Dame" hat möglicherweise ihre beste Zeit hinter sich. Die eklektizistische Musik zwischen Strauss, Orff oder Puccini konnte problemlos dem Publikum vorgesetzt werden, da erschreckt nichts und dankbare Gesangspartien gabs obendrein, ein wenig Kitsch dazu, das gefällt. Ich würde den "Besuch der alten Dame" nicht in die Reihe der Werke aufnehmen, die zu den wichtigen Opern nach 1945 gehören. Aber ich mag die Partie der Zachanassian ganz gerne mit ihren Ausbrüchen, z. B. die Passage, die in "Gerechtigkeit für eine Milliarde" mündet oder "ich kann sie mir leisten"... Auch die Szene Pfarrer/Ill, wo die "Glocke des Verrats" über Güllen läutet, hat was oder der Kitsch-Abschied Ill/Claire: "Ich danke dir für die Kränze, für die Chrysanthemen und Rosen".


    Dürrenmatt hat später den weiteren Kontakt mit von Einem abgelehnt, dem Vernehmen nach konnte er selbigen nicht mehr ertragen...


    Stärker ist der "Danton", keine Frage, und auch der "Prozess", von dem es aber meines Wissens ebenfalls schon länger keine Aufführung mehr gab.


    Zitat

    Erstaunlich finde ich, wie derzeit Henze am Wachsen ist. Die "Bassariden" waren praktisch tot. Jetzt tauchen sie hie und da wieder auf. Das Zeug zum Überleben hätten sie. Übrigens könnte auch "Il re cervo" oder sogar seine größere Erstfassung "König Hirsch" überleben, wäre nur der Part des Tartaglia nicht so wahnsinnig schwer und lang.


    "Bassariden" passen vielleicht wieder in unsere Zeit. Ich könnte mir vorstellen, dass auch mancher Dirigent dieses Werk gerne mal ausprobieren möchte und deshalb von dieser Seite Aufführungen lanciert werden.


    Zitat

    Weniger Chancen hat meiner Meinung nach der "junge Lord": Ähnlich wie bei Einem ist das Libretto fabelhaft, aber die Oper hat große Längen, am schlimmsten im zweiten Bild des ersten Aktes und im zweiten des zweiten Aktes.


    Der "junge Lord" ist, so finde ich, eigentlich ein gutes Stück: tolle Handlung, pralle Charaktere, gute Musiknummern, da würde ich mir durchaus wünschen, dass man dieses Werk wieder öfter aufführt. Das mit den Längen stimmt schon, das ist mir bei Vorstellungen schon so gegangen, dass ich gedacht habe, jetzt mal ein wenig Tempo...

  • Liebe Fairy Queen,
    normalerweise gehe ich in solchen Fragen von der internationalen Bedeutung aus - vielmehr: Ich versuche es. Aber gerade bei neuen Opern gibt es extrem starke nationale Tendenzen, die sich natürlich nicht in folkloristischen Zutaten niederschlagen, sondern im lokalen Bekanntheitsgrad der Komponisten.
    Poulenc ist mittlerweile natürlich international relevant. Aber Frankreich hat eine große Zahl jüngerer Komponisten, deren Opern hervorragend sind, sich aber international nicht wirklich durchsetzen. Ich denke vor allem an Passcal Dusapin, Philippe Hersant und Gilbert Manoury. Aber auch die Komponisten der Generation vorher haben einige gute Opern komponiert, etwa Gilbert Amy und Jean Prodromides. International haben sie sich allerdings nicht ansatzweise behaupten können.


    Henzes Standbeine sind der deutsche Sprachraum, etwas weniger der englische, mittlerweile aber laut Verlagsaussendung auch zunehmend Italien, wo Henze zwar lebt, aber nicht gerade sehr viel gespielt wurde.


    ***


    Lieber Alviano,
    natürlich ist "Jesu Hochzeit" eine verstiegene Sache. Aber ich bleibe dabei: Das Libretto entsprechend komponiert hätte eine erfolgreiche Oper abgeben können. Aber diese blutleere Angelegenheit funktioniert eben nicht.


    Den "jungen Lord" habe ich heiß geliebt, als er an der Wiener Staatsoper lief (leider in einer furchtbar überzuckerten und ironiefreien Regie), und was Henze speziell in den Ensembles macht, ist fabelhaft. Aber bezüglich der Längen dürften wir einer Meinung sein...


    Dieses Gefühl einer "gepflegten Langeweile" hatte ich auch ein wenig bei der "Elegie", die wunderbar komponiert ist und einige sogar grandiose Momente hat (speziell die Ensembles), aber auch wirkliche Durchhänger. Die sind es, die mir mitunter die Faszination etwas trüben.


    In diesem Zusammenhang möchte ich auf die Einspielung des "Re cervo" hinweisen, der für mich zu den besten Opern des 20. Jahrhunderts gehört und diese Längen fast völlig vermeidet. Es ist ein Mitschnitt einer sehr kompetenten, minimal gekürzten Aufführung des Werkes durch die Musikuniversität Graz und durch deren Homepage relativ kostengünstig zu beziehen: http://www.kug.ac.at/kunst_wis…t/publikationen_ton.shtml


    :hello:

    ...

  • Lieber Edwin


    Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Dieses Gefühl einer "gepflegten Langeweile" hatte ich auch ein wenig bei der "Elegie", die wunderbar komponiert ist und einige sogar grandiose Momente hat (speziell die Ensembles), aber auch wirkliche Durchhänger. Die sind es, die mir mitunter die Faszination etwas trüben.


    Die "Durchhänger" gibts in der "Elegie" - aber vor allem die Hauptpartie des Mittenhofer finde ich auf ihre Art faszinierend: was eine Rolle! Und das hat Fischer-Dieskau in der UA wirklich toll gemacht. Auf der Bühne habe ich "Elegie" bisher nur einmal gesehen - in einer leicht gekürzten Fassung.


    Was ich mittlerweile als echte Bildungslücke empfinde: den "König Hirsch" oder eben "Il re cervo" kenne ich überhaupt nicht - das sollte ich dann doch mal ändern...


    Ein interessantes Stück ist "Ice break" von Tippett - etwa 1 1/2 Stunden lang, im deutschen Sprachraum vermutlich wenig bekannt, die Musik habe ich als sperrig, aber abwechslungsreich empfunden. Beim Publikum dürfte das Stück schwer durchsetzbar sein, obwohl die Handlung spannend ist und auch für die Regie viele Möglichkeiten öffnet.

  • Hallo Matthias,

    Zitat

    Jetzt habe ich doch ganz vergessen, auf Michael Tippett einzugehen, dessen Musik ich mag, auch etwas opernhafte Werke, wie A Child of our Time


    A Child of our Time haben wir gerade aufgeführt!
    Allerdings finde ich dieses Werk eher Oratorienhaft, weniger Opernhaft, aber das soll jetzt um Gottes Willen keine Kritik sein.


    Ich finde es nur amüsant, genau jetzt und hier auf dieses Werk zu stoßen.


    Ansonsten finde ich es schade, nicht in hundert Jahren nachschauen zu können, welche Opern dann im Rückblick berühmt wurden.


    Es kommt halt auch immer darauf an, wann diese Frage gestellt wurde.
    1950 hätte die Antwort bestimmt von Einem geheißen.
    1970 Zimmermann.


    Heute vielleicht Glanert.........


    Die Zeit entscheidet von ganz alleine.


    In Kennerkreisen sind Danton, Die Soldaten, usw. sowieso berühmt.


    Aber ob jemals noch einmal eine solche Breitenwirkung wie zu Zeiten von Verdi, Puccini, Wagner usw. mit Opern erreicht wird , wage ich zu bezweifeln.
    Diese große Breitenwirkung durch alle Gesellschaftsschichten hat m.e. der Film übernommen.
    Und auch das, was heute als Musical gilt, Zeug wie "Elisabeth" halt. :untertauch:


    Um etwas positives beizusteuern:
    Ich bin überzeugt davon, daß ein solch tolles Musical mit wirklichem Opernanspruch wie die West-Side- Story, auch in 100 Jahren noch berühmt sein wird.


    Klasse fand ich übrigens Berios "Un Re in ascolto", welchen wir diese Spielzeit im Repertoire hatten.
    Ein Meisterwerk, aber ob es berühmt ist oder jemals wird.......... keine Ahnung-leider wohl eher nicht.


    Ligetis tollen "Le grand macabre" haben wir auch vor 11 Jahren sehr erfolgreich im Programm gehabt.


    Dieses Werk gilt in bestimmten Kreisen sicherlich schon als "Klassiker" der Moderne, aber ob es jetzt berühmt ist und ob es in 50 Jahren noch gespielt wird?
    Sehr gut möglich, aber das bekomme ich nicht mehr mit.


    LG,
    Michael

  • Zitat

    Original von Michael Schlechtriem
    Allerdings finde ich dieses Werk eher Oratorienhaft


    "A child of our time" ist ein Oratorium...


    Zitat

    Heute vielleicht Glanert.........


    Glanert ist für mich ein typischer "Zeitgeschmacksvertreter" - eine Musik, die glatt und gefällig ist, ohne Ecken und Kanten und die zumindest bei mir keinerlei nachhaltige Wirkung hinterlässt.


    Zitat

    Klasse fand ich Berios "Un Re in ascolto", welchen wir diese Spielzeit im Repertoire hatten.
    Ein Meisterwerk, aber ob es berühmt ist oder jemals wird.......... keine Ahnung-leider wohl eher nicht.


    "Re in ascolto" ist ein interessanter Fall - eine Musik, zu der ich nur schwer einen Zugang gefunden habe, als Bühnenstück hats mich nicht wirklich überzeugt, aber die Musik, die Idee des Hörens, das hat schon was...


    Zitat

    Ligetis tollen "Le grand macabre"


    Ausserordentlich theaterwirksam, Musik, die nicht wirklich "neu" ist, schade nur, dass der Komponist sein Stück selbst abgemildert hat.

  • Hallo Alviano,

    Zitat

    "A child of our time" ist ein Oratorium...


    Ich wollte es nicht so deutlich sagen..........
    Du hast Recht.


    Tippett hat das selber ein wenig aufgelockert, da er Spirituals verwendete, um einen rein Oratoriumshaften Eindruck, zumindest was den kirchlichen Aspekt angeht, zu vermeiden.


    Zitat

    Ausserordentlich theaterwirksam, Musik, die nicht wirklich "neu" ist, schade nur, dass der Komponist sein Stück selbst abgemildert hat.


    Wir haben das Orginal gespielt, Ligeti war anwesend.
    Keine Ahnung, warum er es abgemildert hat.
    Das Werk war sehr stark in der Orginalfassung.


    [SIZE=7]Hallo-sind alle tot?[/SIZE]


    Zitat

    Glanert ist für mich ein typischer "Zeitgeschmacksvertreter" - eine Musik, die glatt und gefällig ist, ohne Ecken und Kanten und die zumindest bei mir keinerlei nachhaltige Wirkung hinterlässt.


    Aber ein netter Kerl..... :D
    :untertauch:
    :stumm:


    Ich finde seine Werke interessant, aber ob das auch zur Berühmtheit reicht?
    Keine Ahnung, im Moment ist Glanert jedenfalls gut im Geschäft.



    Zitat

    "Re in ascolto" ist ein interessanter Fall - eine Musik, zu der ich nur schwer einen Zugang gefunden habe, als Bühnenstück hats mich nicht wirklich überzeugt, aber die Musik, die Idee des Hörens, das hat schon was...


    Ging mir auch so, das Werk ist sehr tiefsinnig, und höchstwarscheinlich darf und soll man das auch alles nicht kapieren.


    Aus meiner Sicht des Orchestermusikers war es für mich überzeugend und aus einem Guß, das kommt bei neuerer Musik bei mir nicht so häufig vor.
    Ich habe jedenfalls in keinem Moment das Gefühl gehabt, das die Musik beliebig ist, sondern im Gegenteil, daß Berio sehr genau wußte, was er machte.


    Und es ist tatsächlich vom Klang und vom Spielgefühl her eine wirkliche "italienische" Oper.
    Sehr klangsinnlich.


    LG,
    Michael

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  • Der "Re in ascolto" ist schon ziemlich faszinierend, aber ein Stück für Kenner, kaum für das breite Publikum. Und ohne dieses wird sich kaum eine Oper auf die Dauer durchsetzen können.


    Der "Grand Macabre" hat bessere Chancen, das ist ziemliches Opernfutter. Gut inszeniert, ist er knüllerverdächtig.


    Tippetts "Ice break" ist in der Länge etwas problematisch, wenn ich ihn richtig im Gedächtnis habe, dauert er sogar nur knapp 1 Stunde 20 Minuten, duldet aber kein anderes Werk neben sich. Es ist meiner Meinung nach Tippetts beste Oper - und sie ist leider immer noch aktuell, denn die Frage der Entwurzelung stellt sich heute angesichts der Migration intensiver als je zuvor. Da die Oper auch Jazz- und Rock-Elemente, wenngleich stilisiert, integriert, ist sie wirklich ein tolles Ding, ein Reißer auf durchaus avancierter Basiis.


    Die andere Tippett-Opern leiden entweder am Libretto oder an der Musik. "King Priam" hat ein tolles Libretto, aber diese ausgeblutete, staubtrockene Musik überzeugt zumindest mich nicht. Ich hatte nur einen Anfall von Dauerlangeweile.


    "Midsummer Marriage" hat ein so konfuses Libretto, daß mir der Komponist selbst nicht wirklich klar machen konnte, worum es eigentlich geht. Irgendwas mit "Sieg des dynamischen Eros" war's, was auch immer damit gemeint sein mag.


    Ähnliches Problem beim "Knot Garden": Das Libretto, in dem diverse Zweierbeziehungen durchgespielt werden, wobei teils auf Shakespeares "Sturm", teils auf Mozarts "Cosi" angespielt wird, leuchtet nicht recht ein. Ich sah eine szenische Aufführung, die ziemlich gut war. Trotz der Kürze wirkte das Werk aber langatmig. Obwohl es Stellen mit unglaublich toller Musik gibt.


    "New Year" kenne ich nicht, habe aber darüber nur gehört, daß wieder einmal das Libretto eine Katastrophe sein soll.


    :hello:

    ...

  • Natürlich weiß ich, dass A Child of our Time ein Oratorium, keine Oper ist. Ich schrieb ja, offenbar mißverständlich:


    [OUOTE]Jetzt habe ich doch ganz vergessen, auf Michael Tippett einzugehen, dessen Musik ich mag, auch etwas opernhafte Werke, wie A Child of our Time oder The Mask of Time. Aber die Opern, wie King Priam haben mich dann doch etwas weniger überzeugt. Jedoch ausgerechnet The Ice Break kenne ich noch nicht. Das muß sich ändern![/QUOTE]


    Gemeint war, dass ich nach dem Hören von A Child of our Time und The Mask of Time angenommen hatte, dass ein Komponist, der solche Werke mit Gesang schreiben kann, die ich als recht gelungen empfand und bei denen ich mir dennoch vorstellen kann, dass sie auch publikumswirksam seien könnten, auch sehr gute und dennoch publikumstaugliche Opern schreiben können müßte. Als ich dann die Opern Midsummer Marriage, King Priam und Knot Garden allerdings nur auf CD hörte, war ich eher enttäuscht aus ähnlichen Gründen, wie Edwin. Um so neugieriger bin ich jetzt auf Ice break.
    Lieber Michael, wie kam denn bei eurem Publikum A Child of our Time an?


    Berios "Re in ascolto" gefällt mir zwar auch ausgesprochen gut, aber ich hatte es nicht erwähnt, weil auch ich fürchte, dass dieses großartige Werk wohl leider Geheimtip bleiben wird. "Grand Macabre" kenne ich leider noch nicht. Auch das wird sich ändern!


    :hello: Matthias

  • Lieber Matthias,

    Zitat

    Lieber Michael, wie kam denn bei eurem Publikum A Child of our Time an?


    beim Publikum und bei der Kritik kam es überwältigend gut an.
    Beim Orchester und auch mir selber leider nicht so wirklich.
    :O


    :hello:

  • Äääääääääääääääh.............
    Bei mir eingeschworenem Tippettianer auch nicht.


    Im Grunde wundere ich mich, wie man angesichts dieses Werkes auf die Idee kommen kann, Tippett könnte ein guter Opernkomponist sein. Das Werk trieft vor gutem Willen, macht aber sein Statement nicht klar. Meinetwegen. Wenn's wenigstens musikalisch was hergibt.
    Aber da klingen manche Stellen, als habe jemand versucht, den späten Beethoven etwas zu entschärfen. Und was mich endgültig auf die Palme bringt, sind die Verswiederholungen. Und zwar, bitteschön, immer zwei Mal. Nicht etwa hier gar nicht wiederholt, dort, zwecks Intensivierung, dreimal usw. Nein, alles zweimal. Von wegen Periodenbildung, wahrscheinlich.


    Die "Mask" allerdings hat's in sich, die ist wirklich fabelhaft komponiert, obzwar ich auch bei diesem Werk ganz gerne wüßte, worum es eigentlich geht...


    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Der "Re in ascolto" ist schon ziemlich faszinierend, aber ein Stück für Kenner, kaum für das breite Publikum.


    Kennengelernt habe ich den "Re in ascolto" durch den Mitschnitt aus Salzburg. Mich hat das Werk mehr herausgefordert als bsplsw. die "Wände" von Hölszky, ich fand das Hören wirklich anstrengend. Als dann die Oper Frankfurt den "Re in ascolto" ins Programm nahm, habe ich mir die Aufnahme wieder angehört und schon mehr Momente entdeckt, die mich auch gefesselt haben. Die szenische Aufführung selbst hat bei mir einen zwiespältigen Eindruck hinterlassen, weil ich es als eher undramatisch empfunden habe, aber: die Hauptrolle ist eine tolle Partie für einen Bariton, der mehr will, als schön zu singen.


    Zitat

    "Midsummer Marriage" hat ein so konfuses Libretto, daß mir der Komponist selbst nicht wirklich klar machen konnte, worum es eigentlich geht.


    Das finde ich sympathisch - bisher habe ich immer gedacht, das geht nur mir so. Mir hat sich die Handlung von "Midsummer Marriage" nie richtig erschlossen, auch nicht, als ich das Werk vor Jahren mal szenisch erleben durfte. Das war unterhaltsam, kurzweilig, aber da blieben bei mir in Bezug auf die Handlung Fragen offen... Die Musik gefällt mir teilweise recht gut.[/quote]


    Lieber Edwin, ich packs mal hier rein - ich wollte Dich fragen, was Du, als Fachmann fürs "russische" von der Komplettierung der Shostakovich-Oper "Die Spieler" durch den polnischen Komponisten Krzysztof Meyer hältst.