In diesem Thread möchte ich, wie schon der Titel sagt, Bücher von und über meinen Lieblingskomponisten Hans Pfitzner vorstellen. Dieser war bekanntlich nicht nur Komponist, Dirigent, Pianist und Regisseur, sondern auch kritischer und teilweise zynischer Musikschriftsteller. Viele seiner Schriften sind in ihrem Wert heute nur mehr historisch interessant - als Beispiel sei hier die Kampfschrift "Futuristengefahr" gegen Busonis "Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst" (erschienen 1906) angeführt - andere haben ihren Wert aber durchaus bis heute erhalten und zeigen Pfitzner als stets um die Musik besorgten Menschen.
Die wichtigsten Schriften Pfitzners sind:
Vom musikalischen Drama (1908-1915), München/Leipzig 1915
Futuristengefahr, Leipzig/München 1917
Die neue Ästhetik der musikalischen Impotenz, München 1920
Werk und Wiedergabe, Augsburg 1929
Meine Beziehungen zu Max Bruch, München 1938
Über musikalische Inspiration, Berlin 1940
Meine Liedertexte, 1941 (Manuskript)
Eindrücke und Bilder meines Lebens, Hamburg-Bergedorf 1947
Ich werde versuchen, falls das Interesse besteht, in loser Reihenfolge einige dieser Werke inhaltlich und auch interpretatorisch vorzustellen. Beginnen möchte ich aber mit einer, meiner Meinung nach sehr gelungen Biographie über Hans Pfitzner.
Johann Peter Vogel: Hans Pfitzner - Leben - Werke - Dokumente
Atlantis Musikbuch-Verlag, 1999
356 Seiten, mit zahlreichen s/w-Bildern und Notenbeispielen
J. P. Vogel hat das schwierige Unternehmen, eine möglichst objektive Biographie über Hans Pfitzner zu schreiben mit diesem Buch überzeugend vollbracht. Er versucht ihn weder ausschließlich als "nationalen Kämpfer, letzten Romantiker, weltenthobenen "Palestrina" und freundlichen Mitmenschen" noch als "Querulant, Misanthrop, Reaktionär und Nazi" darzustellen, sondern ausgehend von detailliertem Studium aller Quellen ein verständnisvolles, differenziertes und auch kritisches Porträt Pfitzners zu entwerfen. Den üblichen Teilen - Zeittafel, Biographie, Werkverzeichnis... - fügt er einen sehr persönlichen Teil zu den "Aspekten der Musik Pfitzners" hinzu und analysiert darin einige Lieder, Pfitzners "Volkston", seinen Opernstil und einige Motive und Themen des Komponisten.
Auch eines der vielleicht bedeutendsten Schriftstücke Pfitzners zum Thema Inspiration und Einfallsästhetik - das dritte Kapitel aus "Die neue Ästhetik der musikalischen Impotenz" - ist leicht gekürzt im Buch enthalten.
Der Darstellung von Pfitzners höchst komplizierter Persönlichkeit wird im biographischen Teil sehr viel Raum gegeben. Besonders treffend scheinen dabei folgende Aussagen:
S. 33: "Ich bin ein böser Kerl, und in meinen Adern fließt nicht gerade Limonade" (Selbstbeschreibung Pfitzners in Schrott, Hans Pfitzner S. 13)
"Im übrigen ist er zum sich wohl fühlen wohl nicht geboren: ein schwieriger, wunder, zwiespältiger Mensch, glaube ich, der bei aller Liebe zum erlösenden "Intellekt" von der bösen Willenswelt seines zweiten "Palestrina"-Aktes ohne Zweifel viel in sich trägt:" (Thomas Mann an Bruno Walter vom 24.6. 1917)
S. 37: "Ich habe von jeher das Phänomen an mir wahrgenommen, dass ich mich immer mehr auf eine Sache gefreut habe, als diese Sache genossen; was vorher in der Phantasie herrlich war [...] brachte Enttäuschungen..." (Pfitzner über seine Realitätsferne)
Unzählige weitere Zitate und erzählte Begebenheiten steuern zu einem aussagekräftigen Bild des Menschen Hans Pfitzners bei. Besonders prägend, so wird er zitiert, sei für Pfitzner das Bild des "aufgespießten Schmetterlings, der über Nacht noch Eier legt" gewesen.
Auch auf sein vielgestaltiges Werk - nicht nur auf Palestrina - wird ausführlich eingegangen.
Ich kann und soll hier nicht das ganze Buch zitieren - ich tat es nur bei für mich besonders vielsagenden Stellen. Auf alle Fälle kann ich dieses umfangreiche Buch jedem Freund von Pfitzners Musik und Werk, von schwierigen Persönlichkeiten und interessanten Lebensbeschreibungen sehr empfehlen.
Liebe Grüße,
Gerald