Mathieu Ahlersmeyer - Ein deutscher Bariton aus Kriegstagen


  • Ach, weißt Du, meistens klingen deutsch singende Escamillos nicht wie geschmeidige elegante Toreros sondern eher wie grobe Haudegen. Das mag ich nicht so gerne. ;)
    Caruso41


    Das mag ja sein, aber mir ist die Semantik wichtig und ich habe Opern, die ich nicht wenigstens einmal auf Deutsch erlebt (oder wenigstens gehört habe) nicht so vollständig druchdrungen und begriffen wie die anderen, bei denen dies der Fall war. Wäre es Bizet um glaubwürdige Idiomatik gegangen, hätte er seine spanische Oper ja auch spanisch komponieren können(?), aber er wollte verstanden werden und das dies selbstverständlich in der Sprache seines Publikum, also auf Französisch! Und sein Publikum hätte ihm was gehustet, wenn die Aufführung in einer Sprach stattgefunden hätte, die es nicht versteht - und das zu Recht!
    Ein Stierkämpfer muss für mich auch nicht nur "geschmeidig" sein, sondern darf auch rauh und brutal herüberkommen, denn dieser "Haudegen" gehört zu seinem Berufsbild dazu!

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Das mag ja sein, aber mir ist die Semantik wichtig und ich habe Opern, die ich nicht wenigstens einmal auf Deutsch erlebt (oder wenigstens gehört habe) nicht so vollständig druchdrungen und begriffen wie die anderen, bei denen dies der Fall war.

    Lieber Stimmenliebhaber,


    die Gnade meiner frühen Geburt hat es mit sich gebracht, dass ich alle Opern zunächst nur auf Deutsch gehört habe. Von Sängern gesungen, bei denen man meist noch jedes Wort verstand - wie auch zum Beispiel bei Ahlersmeyer. Ich verstehe also Dein Argument bestens und kann es auf Grund dieser Erfahrung durchaus stützen. Trotzdem: wenn ich heute Rossini, Verdi oder Puccini, Gounod oder Bizet höre, entscheide ich meist für eine Aufnahme in Originalsprache! Bei - das waren die Beispiele - "Barbier von Sevilla" meist bei "Carmen" eigentlich immer.



    Ein Stierkämpfer muss für mich auch nicht nur "geschmeidig" sein, sondern darf auch rauh und brutal herüberkommen, denn dieser "Haudegen" gehört zu seinem Berufsbild dazu!

    Man darf aber nicht den Stierkämpfer mit dem Stier verwechseln.




    Für die Freude des Stierkampfes ist ja gerade essentiell, dass der geschmeidige, elegante zivilisierte Mann über das wilde, rauhe, brutale Tier obsiegt.
    Für Wissbegierige: in seiner Schrift "Tauromaquia" hat José Delgado Ende des 18. Jahrhunderts erstmals die Regeln beschrieben, nach denen der spanische Stierkampf im Wesentlichen bis heute durchgeführt wird. Da wird auch die dahinter stehende kulturelle Idee erklärt.



    Beste Grüße


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Wer mit einem Ster kämpft, begibt sich auf dessen Ebene. Ein anderes Lebewesen mit überlegenen Waffen zu töten, das muss man nun wirklich nicht verherrlichen, diese ganze bestialische Angelegenheit des Stierkampfes nicht, daran ist nichts edel!
    Das Schöne am Schluss von Bizet "Carmen" ist ja, dass er das Abschlachten Carmens durch José zeitgleich mit dem Abschlachten des Stiers durch Escamillo gleichsetzt. (Herrlich, diese Parallelität, Bizet war halt ein ganz großer Musikdramatiker!)
    Allerdings ist José mit seiner Tat etwas unglücklicher...

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • ......das muss man nun wirklich nicht verherrlichen, diese ganze bestialische Angelegenheit des Stierkampfes nicht, daran ist nichts edel!


    Lieber Stimmenliebhaber!


    Das wollte ich auch wirklich nicht verherrlichen. Mir geht es eigentlich erst mal nur um das Verstehen.
    Und dann wollte ich erklären, warum ein Escamillo der "rauh und brutal herüberkommen" wirklich nicht geht. Zum "Berufsbild" des Toreros gehört vielmehr Anmut, Geschmeidigkeit, Beweglichkeit, Eleganz usw. Das Töten des Stiers ist ja streng stilisierte, ritualisierte und choreografierte "Kunst".


    Wie man diese Kunst beurteilt ist eine ganz andere Sache. Da sind wir wirklich nicht weit auseinander!!!!!


    Aber der Escamilio Bizets sollte meiner Meinung nach schon dem "Berufsbild" des Toreros entsprechen, das Bizet hatte als er für ihn seine Musik komponiert hat. Und dem entspricht nun mal etwa Michel Dens eher als ein deutscher Hau-den-Lukas-Bariton.


    Aber bitte, das kann man auch anders sehen. Wer deutsch singende Baritone hören will, sollte sich mal Schlusnus oder Hotter versuchen.
    Von Ahlersmeyer kenne ich keine Aufnahme, obwohl er ja die Partie viel gesungen hat.


    Können wir es dabei belassen?



    Beste Grüße


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Können wir es dabei belassen?


    Nur noch so viel, dass ich finde, dass Escamillo seine Stimme im Toreador-Lied schon sehr deutlich ausstellt, mit den kraftmeierischen Spitzentönen etc. - er ist da schon von der Rolle her sehr effekthaschend - und zu edel und "schmiegsam" sollte das meines Erachtens auch nicht gesungen oder gar gezeigt werden.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

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  • .....mit den kraftmeierischen Spitzentönen....


    Gerade das kritisiere ich ja, dass die Spitzentöne kraftmeierisch ausgestellt werden.
    Das passt nicht zum französischen Stil und auch nicht zu der Figur des Toreros.
    Degen ist da gefragt - nicht Beidhänder!


    Ich weiss ja. dass ich Dir nicht historische Aufnahmen empfehlen kann, weil Du die nicht gern hörst.
    Also belasse ich es bei dem Hinweis auf Michel Dens, der immerhin eine Ahnung davon vermittelt, was ich meine. In der frühen Aufnahme von Cluytens!


    Beste Grüße


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Ich habe schon genug "geschmeidige" Langweiler als Escamillo gehört - und auch einige lyrische Baritone, die sich mit dieser Partie furchtbar übernommen haben. Aber ich werde - wohl im Gegensatz zu dir - den Inhalt immer für wichtiger halten als die Idiomatik, die so auch gar nicht immer ganz zweifelsfrei aus den Noten rekonstruierbar ist. Das martialische Vorspiel des Stierkämpfer-Liedes lässt mich freilich genauso wenig "Geschmeidigkeit" erwarten wie das, was der Toreador dann singt - manchmal ist es auch hilfreich, sich den Text durchzulesen! Das ist ein Kraftprotz, der vor allem bei den Damen Eindruck schinden will - und kein Valentin oder Pelleas. Sicher kann das auch edel gesungen werden, aber wenn es nur edel gesungen wird, befriedigt mich das keineswegs. Das ist ein Show-Auftritt, den Escamillo da veranstaltet, und deshalb muss er alle(!) Register ziehen - nicht nur brüllen, aber auch nicht niemals brüllen... (Mit dem ausgestellten Spitzenton meine ich übrigens die "Halbzeit" in der Strophe, bevor sie in die Moll-Dominante moduliert. Wenn das nicht "ausgestellt" ist, dann weiß ich auch nicht...)

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Schön, sehr schön, lieber Stimmenleibhaber,


    jetzt haben wir unsere Positionen eigentlich ganz gut klar gemacht und auch begründet. Ob sie wirklich ganz kontrovers sind, lasse ich jetzt mal dahin gestellt sein.

    Auf jeden Fall müssen wir ja nicht versuchen uns zu einigen. Im Zweifelsfall kommt es ja doch auf den konkreten Sänger an und darauf, ob er mit der Partie Eindruck macht. Denn darüber sind wir uns einig: Die Auftrittsarie ist ein Vehikel der Selbstdarstellung und da ist eine gewisse Exuberanz einfach unabdingbar. Ob die kraftmeierisch sein muss oder aber geschmeidig und elegant ist allerdings strittig.
    Können wir aushalten!


    Interessant ist, dass sich die Diskussion im Thread von Ahlersmeyer entfaltet hat. Er hat eigentlich wohl eher ein Portrait zwischen beiden hier vertretenen Idealtypen gezeichnet, nehme ich an. Aber ich habe - wie gesagt - keine Aufnahme des Torero-Liedes von ihm nicht gehört.


    Übrigens: Die Partie hat ja nicht nur den Auftritt im 3. Akt sondern noch das kleine Duett mit Carmen in 4. Akt. Da wirst Du sicher zustimmen, dass das nun nicht kraftmeierisch gesungen werden darf.


    Ich werde jetzt erst wieder ein paar Tage auf Tournee durch verschiedene Hörsäle und Opernhäuser sein. Wenn alles gut geht, melde ich mich in einer Woche wieder.



    Gute Nacht


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Aber ich habe - wie gesagt - keine Aufnahme des Torero-Liedes von ihm nicht gehört.


    Wenn du keine Aufnahme des Torero-Liedes von ihm nicht gehört hast, wie viele hast du denn dann gehört? Wie viele hat er denn gemacht? ;) :hello:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Lieber "Carlo",


    darf ich dich als Fachmann für historische Aufnahmen an dieser Stelle fragen, ob du weißt, ob es vom Hans Sachs des Mathieu Ahlersmeyer irgendeine Aufzeichnung (zum Beispiel eine Radioübertragung von irgendwo her) gibt?


    Ich bedanke mich schon jetzt für deine Antwort (und danke natürlich auch allen anderen, die zur Klärung dieser Frage einen Beitrag leisten können). :hail::hello:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

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  • Hallo, Stimmenliebhaber!


    Merkwürdigerweise wurde ich vor vier Wochen von einem Wiener Leser des "Tamino"-Forums auch gefragt, ob ich von einer "Meistersinger"-Aufnahme mit Mathieu Ahlersmeyer als 'Hans Sachs' weiß.


    Mathieu Ahlersmeyer sang seinen ersten 'Hans Sachs' in der Premiere der Hamburgischen Staatsoper am 3. 10. 1950 (mit Lore Hoffmann und Peter Anders, der hier seinen ersten 'Stolzing' sang; Arthur Grüber war der Dirigent und die Inszenierung stammte von Günther Rennert). Einen Mitschnitt von einer der 13 Vorstellungen in Hamburg konnte ich nicht feststellen.


    Für das dreiwöchige Gastspiel bei den Edinburgher Festspielen im August/September 1952 verstärkte die Hamburger Oper ihr Ensemble um einige Gäste, wie z. B. Inge Borkh, Lisa Della Casa, Elisabeth Grümmer, Gottlob Frick, Joseph Keilberth, Georg Solti und auch Otto Edelmann, der in den beiden Aufführungen von "Die Meistersinger von Nürnberg" am 3. und 6. 9. 1952 im King's Theatre den 'Hans Sachs' sang (neben Grümmer, Anders und Frick unter der Leitung von Leopold Ludwig).


    Mathieu Ahlersmeyer nahm an diesem Gastspiel zwar auch teil, wurde aber als "Mathis der Maler" (Titelrolle) in der englischen Erstaufführung dieser Hindemith-Oper eingesetzt (mit u. a. Anneliese Rothenberger als 'Regina', die im englischen Magazin "Opera" besonders gelobt wurde). Die BBC übertrug die Opern - außer "Meistersinger" und "Mathis" noch "Zauberflöte", "Fidelio", "Freischütz" und "Rosenkavalier" - dieses Hamburger Gastspiels im Rundfunk, mit Ausnahme der "Meistersinger", weil man ein paar Wochen vorher das Werk von den Bayreuther Festspielen 1952 (auch mit Edelmann als 'Sachs') gesendet hatte und man vermutlich den Hörern diese Oper nicht schon wieder präsentieren wollte. (Die Rundfunksendung des "Mathis" im 3. Programm der BBC war am 29. 8. 1952; vom "Rosenkavalier" - Sendung vom 5. 9. 1952 - habe ich Ausschnitte mit Clara Ebers, Martha Mödl und Lisa Della Casa, allerdings in schlechter Tonqualität.) Besonders gesucht wird auch noch ein Mitschnitt des "Freischütz" (mit Grümmer, Rothenberger, Anders und Frick unter Keilberth, der sogar am 27. 8. 1952 vom NWDR Hamburg direkt aus Edinburgh übertragen wurde!)


    Lt. dem Wiener Opernfreund gastierte Ahlersmeyer 1951 als 'Sachs' an der Berliner Staatsoper (Inszenierung von 1948), worüber ich nicht näher informiert bin. 1954 gab es an der Städtischen Oper Berlin eine "Meistersinger"-Neuinszenierung von Heinz Tietjen unter Karl Böhm (mit Josef Herrmann, Elisabeth Grümmer und Hans Beirer); in späteren Aufführungen sang dann auch Ahlersmeyer den 'Hans Sachs', wovon es zumindest Fotos gibt. In den alten (westdeutschen) Rundfunkzeitungen, die ich habe, kann ich keine entsprechende "Meistersinger"-Sendung aus West- oder Ost-Berlin finden; allerdings wurde in der BRD das Radio-Programm der 'Ostzone' damals nur sporadisch ausgedruckt, während viele westeuropäische Sender berücksichtigt wurden! Vielleicht weiß einer unserer 'östlichen' Tamino-Mitglieder und -Leser mehr...


    LG


    Carlo




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