Haydn, Joseph: Sinfonie Nr. 79 F-Dur

  • Joseph Haydn: Sinfonie Nr. 79 F-Dur


    entstanden ca. 1784, vermutlich als letzte von 79-81


    Besetzung: Flöte, je 2 Oboen, Hörner, Fagotte, Streicher


    1. Allegro con spirito
    Ohne Einleitung startet der Satz sofort mit dem Hauptthema; die Charakterisierung des Reclam-Führers als "ungemein sprechend" ist vielleicht ein wenig übertrieben, aber jedenfalls hat es einen melodisch einprägsamen Themenkopf. Wichtiger für den Verlauf des Satzes sind aber die Doppelschlagmotive (wie man sie aus der Ouverture der Zauberflöte oder dem Kopfsatz der Prager Sinfonie kennt) ab dem dritten Takt. Sie prägen die folgende Überleitung, in der sie bereits verarbeitet werden. Das Seitenthema wird zunächst von Achtelrepetitionen bestimmt, dann folgt auch wieder das Doppelschlagmotiv.
    Die Durchführung beginnt nach dreimal drei Akkordschlägen (ein Echo des Expositionsendes) mit einer ziemlich vollständigen erneuten Präsentation des Hauptthemas. Thematische Arbeit setzt dann mit der folgenden Überleitung ein, wieder dominiert vom Doppelschlagmotiv. Anschließend konzentriert sie sich auf ein anderes kleines, rhythmisch prägnantes Motiv, das auf einen Höhepunkt führt und dann zur Reprise überleitet.
    Wie häufig gibt es auch in der Reprise durchführende Abschnitte. Nach der Wiederkehr des Hauptthemas (mit Flöte und Fagott eingefärbt) hat man ein paar Takte lang beinah den Eindruck, es habe sich um eine Scheinreprise gehandelt. Denn der Themenbeginn wird leise in Moll wiederholt und bleibt dann an einem Schlußmotiv hängen. Darauf folgt, ohne jegliche Überleitung nun das Seitenthema, mit beinah triumphierendem Gestus, wird aber ebenfalls schon nach wenigen Takten vorübergehend instabil, bis sich dann das Doppelschlagmotiv durchsetzt und die etwas gesteigerte Schlußgruppe den Satz zum Ende führt.



    2. Adagio cantabile
    Das etwas feierliche Thema mit seinen Punktierungen (erinnert Lessing an das andante in Mozarts Es-Dur KV 543) wird zunächst von den Streichern vorgestellt, dann mehrmals leicht variiert wiederholt, wobei zunehmend die Holzbläser zu Wort kommen. Der Satz ist berückend instrumentiert, der mitunter exponierte Einsatz der Bläser gibt ihm eine ganz eigene Stimmung.
    Nachdem der Satz mit einer deklamierenden Phrase der Geigen zu Ende gebracht zu sein scheint, folgt überraschenderweise noch ein poco-allegro-Abschnitt (der von der Spieldauer mehr als ein Viertel der Satzlänge ausmacht) mit einem plappernden Thema, das wieder zuerst von den Streichern, später dann mit dem vollen Orchester vorgetragen wird. Es gibt zwar keine Hinweise darauf, aber man ist versucht, an eine Opernszene zu denken, wo nach einem Liebesduett nun eine komische Figur hereinplatzt oder so etwas. Ganz am Ende gibt es einen weiteren Scherz: Die Musik verlangsamt, bricht ab, man könnte eine Sekunde vermuten, die Geigen wollten sich in eine Reprise des langsamen Satzteils schwingen, aber der Aufschwung führt nur in ein paar derbe Tutti-Schläge und dann ist endgültig Schluß.



    3. Menuetto. Allegretto
    Ein eher eleganter, sehr farbig instrumentierter Satz. Phrasenweise werden neue Instrumentenkombinationen gegenüber gestellt, z.B. die leise rufenden Hörner mit minimaler Begleitung nach dem von Holzbläsern gefärbten Beginn. Auch das volkstümliche Trio arbeitet mit solchen Kontrasten und weist eine Art "Vorsänger-Chor"-Aufbau auf.



    4. Finale. Vivace
    Hier handelt es sich um ein Rondo, wobei die "Episoden" teilweise durchführungsartig mit dem Material des Rondo-Hauptteils arbeiten.
    ungefähr A-B-A'-C-A''-Coda
    Die erste Episode 'B' gibt sich dramatisch, in f-moll mit durchführungsartigem, gegen Ende auch kontrapunktischem Charakter.
    Bei seiner Wiederkehr liegt das Rondothema im Fagott mit durchaus komischer Wirkung
    Die zweite Episode 'C' wirkt dagegen überschwenglich-freudig
    Bei der Überleitung platzt als Gag das Kopfmotiv (Auftakt) plätzlich ff heraus.
    Es folgt noch einmal das Rondothema und anschließend eine Coda.



    Lessing stellt diese Sinfonie hinter die beiden numerisch folgenden zurück, bezeichnet die Ecksätze als "routiniert" und "kühl elegant"; er diskutiert eigentlich nur die Binnensätze und lobt (im Anschluß an Robbins Landon) besonders das Menuett. Mir gefällt der Kopfsatz dagegen recht gut, dei recht stark veränderte Reprise finde ich ziemlich spannend. Das adagio ebenfalls sehr, wobei ich das angehängte allegro eigentlich ein wenig fehl am Platze finde. Das Rondo mit seinem 08/15-Thema ist allerdings ein wenig repetitiv.



    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hallo!


    Ich sehe die 79. als den "braven" Gegenpart zur "trotzigen" Nr. 80. Die "plappernde", "sprechende" (um nicht zu sagen: stellenhaft "naiv" wirkende) Melodik beschert uns immerhin eine richtig "schöne" Symphonie.
    Wie gesagt, die 81. brauche ich nicht unbedingt, da sie nicht wirklich als Synthese von 79 und 80 herhalten kann [auch wenn die Entstehungsreihenfolge vermutlich eine andere war], so wie man das zurecht z.B. in die drei letzten Symphonien Mozarts hineininterpretiert.
    Auf diese wird ja sogar Bezug genommen


    Zitat

    Original von Johannes Roehl
    2. Adagio cantabile
    Das etwas feierliche Thema mit seinen Punktierungen (erinnert Lessing an das andante in Mozarts Es-Dur KV 543) wird zunächst von den Streichern vorgestellt, dann mehrmals leicht variiert wiederholt, wobei zunehmend die Holzbläser zu Wort kommen. Der Satz ist berückend instrumentiert, der mitunter exponierte Einsatz der Bläser gibt ihm eine ganz eigene Stimmung.


    Haydn mochte diesen Satz offenbar besonders, denn er fertigte 1786 eine Klavierversion an (ist in der Sammlung "10 kleine Klavierstücke" enthalten; und wurde auch in der GA von Van Oort eingespielt).


    Zitat

    Lessing stellt diese Sinfonie hinter die beiden numerisch folgenden zurück, bezeichnet die Ecksätze als "routiniert" und "kühl elegant";


    Also, "kühl" kann ich hier gar nicht nachvollziehen.


    Zitat

    Mir gefällt der Kopfsatz dagegen recht gut


    Dito.


    Zitat

    Das Adagio ebenfalls sehr, wobei ich das angehängte allegro eigentlich ein wenig fehl am Platze finde.


    2 * Dito.


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Immer wenn eine Sinfonie mich nicht besonders begeistert hat wart ich mit Bangen auf die nächste. Im Falle der Sinfonie Nr 79 ist jededes Bangen überflüssig, denn es ist ein klangschöne betörende Sinfonie. Das äussert sich schon nach den ersten Tönen, meine Liebe zu diesem Werk war sofort erwacht. Haydn setzt hier seine neu Linie fort, sich etwas mehr am allgemeinen Publikumsgeschmack zu orientiern- auf Kosten der Dramatik und Experimente. Das hat einigen Musikwissenschaftlern nicht geschmeckt. Zu viele Ohrwurmthemen - zu wenig Überraschungen.

    Aber Haydn war nicht nur ein guter Komponist, sondern auch ein Menschenkenner und Taktiker, der wusste was das Publikum draussen in der Welt für die Zukunft von ihm erwartete.

    Nach dem flotten ersten Satz folgt ein ebenso eingängiger wie versonnen - verträumter zweiter mit Zwischenspielen Orchester - vs. Bläser-"Zwischenrufen" der allerdings ab dem 3. Drittel etwas tänzerisch- lebhafter wird ohne an Schönheit einzubüßen. Das Menuett erschein mit ein wenig ländlich - und doch zierlich.

    Der Finalsatz ist weitgehend lebhaft, kann aber IMO mit dem Rest der Sinfonie (odf höchstem Niveau) nicht ganz mithalten...

    Bei dieser Sinfonie hat sich bewährt, daß ich seit etwa 2 Jahren meine Sammlng an Haydn Sinfonien permanent aufstocke. Bis dahin war sie noch gar nicht inmeiner Sammllung. Um alle Lücken zu schliessen habe ich seinerzeit die Gesamt aufnahme aller Haydn Sinfonien unter Denies Russell Davies erworben. Ich halte sie für eine klangschöne moderne Aufnahme in guter Tontechnick, die ich als "Normalversion" höre. Ich bevorzuge sie gegenüber der Österreichisch -ungarischen Aufnahme unter Adam Fischer.

    Als Alternative besitze ich seit einiger Zeit auch die Lesart von Giovanni Antonini mit dem Kammerorchester Basel. Zu meiner Überraschung fiel seine Interpretation dieser Sinfonie oher moderat und klangschön aus, zudem äusserst temperamentvoll und nur gelegentlich aggressiv, dann aber allerdings heftig. Ob Haydn die doch sehr vitale Interpretation gefallen hätte, entzieht sich meiner Kenntnis - aber ich habe keine Einwände -im Gegenteil.

    Dass das Publikum nach dem 2 Satz zu applaudieren begann, empfand ich nicht als störend - sondern eher verständlich....:)


    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....