"Rheingold" im Aalto Essen

  • der vorabend wäre geschafft.2h20(mit applaus 2h30),meine blase hat´s durch gehalten.
    3 sehr,sehr betagte herrschafften verliessen nach knapp 2 h die vorstellung.


    ich hatte so sehr auf eine kritik von alviano gewartet u. gehofft,aber auch sonst scheint hier noch niemand darüber berichtet zu haben.
    ich war in der vorstellung vom 7.12.


    gleich beim öffnen des vorhangs wird dem "wagnerianer" klar,tilmann knabe erzählt hier kein märchen,sondern ein kapitalismuskritisches stück.


    die bühne ist dreigeteilt.prall gefüllt,nebeneinandergeschachteltet.
    links ein herrenhaus,das schon bessere tage gesehen hat,göttervater wotan in schiesser feinripp"besorgt´s" den rheintöchtern auf einer matratze.
    darunter das (rotlichtreich)der rheintöchter,darüber auf einer ballustrade sortiert fricka im rosa kostüm die rechnungen.
    in der mitte eine mit dem gesamten altkleiderfundus des aalto,so scheints,zugemüllte halde auf der es viele treppen rauf u. runter zu steigen gibt.dazwischen lugen ab u. zu verdreckte strassenkinder,als alberichs arbeiterheer hervor.
    rechts oben ein wellblechverschlag.die ingeneure fasolt u. fafner falten pläne f. die neue götterburg walhall.
    drunter vergnügen sich donner,als ledermacho mit froh in zuhälterjacke seit geraumer zeit in einer muffigen hausmeisterloge.
    alberich beobachtet als spanner,eine hand in der hose....,die aufreizenden rheintöchter,die sich an discostangen f. ihn räkeln u. sich über ihn lustig machen.
    links am bühnenrand steht freia,die manisch einen apfel poliert.


    da ist schon was los und bei der premiere sollen die ersten paar besucher,noch ehe ein ton gesungen wurde,türen knallend den saal verlassen haben.(schade sie haben einen spannenden opernabend verpasst)


    bereits in diesen 5 minuten vorspiel lässt knabe keinen zweifel daran,die oberen 10 000 sind verdorben und korrumpiert.


    stefan soltesz spielt einen nahezu kammermusikalischen wagner und deckt seine sänger nie zu.
    überhaupt wird auf sehr ordentlichem niveau gesungen,überaus wortverständlich.
    sie alle sind die ganzen 2h20 minuten,ohne unterbrechung auf der bühne und in interaktion.eine darstellerische hochleistung.ständig passiert irgendwo etwas.


    almas svilpa(wotan)
    heiko trisinger(donner),andreas hermann(froh) u.
    vor allem jochen schmeckenbecher(alberich) haben mir sehr gut gefallen.
    für albrecht kludszuweit(mime)sprang ein gast aus köln ein.(toll,wie er sich in (angeblich 5) stunden probenmaraton in die regie einführen liess.)
    rainer maria röhr (loge) fand ich leicht brustschwach.am schluss stellt er eine tickende zeitbombe auf die bühne und tritt durch den mittelgang ,durch´s publikum ab.
    die damen katharina müller(woglinde),bea robein(wellgunde), barbara kozelj(floßhilde)fand ich ganz ausgezeichnet.
    francesca devos(freia) u.ildiko szönyi(fricka) waren ebenfalls gut.
    ausgezeichnet empfand ich ljubov sokolova als erda.ein kurzer aber prägnanter auftritt.


    insgesamt waren die fast 2 1/2 pausenlosen stunden gut durchzustehen,da immer was auf der bühne los war und man so nicht vor langeweile umkam.


    man muss sich schon drauf einlassen und dann kann man es auch geniessen.


    wir jedenfalls freuen uns jetzt schon auf hilsdorfs "walküre",die wir anfang juli sehen werden.
    lg

  • Lieber Yago,
    der positiven Kritik kann ich mich nur voll und ganz anschließen. Als Ergänzung: Der Mime wurde von Johannes Preissinger gesungen, der seit 1995 Ensemblemitglied der Oper Köln ist.


    Viele Grüße

  • Also, ich muss sagen, dass ich das Rheingold in essen besonders szenisch sehr schwach fand.
    (Mein Besuch ist schon etwas länger her, daher hole ich mir die Infos aus meinen Erinnerungen)


    Regisseur Tillmann Knabe hat die Möglichkeiten der fantastischen Bühne (name gerade unbekannt) weitsgehend verschenkt. Auch wenn das Rheingold das kurzweiligste Element des Ringes ist kann man sich nicht darauf beschränken, nur Sex und Crime auf der Bühne stattfinden zu lassen. Besonders nervig - nicht wegen der Provokation, sondern einfach weil es keine ist - war die Idee aus Donner und Froh ein Schwulenpärchen zu machen, dass sich auf der Bühne hemmungslos austoben darf/muss. Bewundernswert, was Heiko Trissinger und Andreas Herrmanns trotz ihrer Hampeleien stimmlich aus den Partien holen.
    Aber auch ansonsten wir auf der Bühne rumgefummelt, was die alte Mottenkiste der Provaktion hergibt. Alberich masturbiert hemmunglos duch das Guckloch in das Bordell zum Rhein (besonders amüsant dann der Satz: "garstig glatter glitschiger Glimmer, wie gleit ich aus" und folgendes), wird von den Rheintöchtern übelst gequält. Später, wenn er an der Macht ist und die Gefahr aus den Slums (nibelheim) mit Kindersoldaten heraufsteigt, zeigt Knabe, welches Potential wirklich in der Inszenierung und in der Bühne steckt. Alberich revangiert sich bei den Rheintöchtern, was bis an den (vorgestellten) Bereich der Vergewaltigung geht. Mime und die Götter kriechen fast vor dem neuen Diktator. stimmlich müssen die das eh, denn mit Jochen Schmeckenbecher kann keiner mithalten. Der singt und gestaltet einen Alberich wie man ihn lange nicht mehr gehört hat.


    Trotzdem gehen die Möglichkeiten der Inszenierung in viel auf und ab, fummeln und glotzen, verloren, weniger wäre da mehr gewesen, wie zum Beispiel die zum stillstand gebrachte Erdaszene zeigt.


    Weniger Klang, dafür mehr Details bietet Stefan Soltez mit einem herrlich disponierten Orchester. Trotz der vollen Besetzung klingt das nicht viel anders als wenige Wochen zuvor beim Don giovanni (Besprechung wird folgen). Da hört man Achteln von denen man gar nicht wusste, dass es sie in der Partitur gibt, die Tempi passen, und bei aller Transparenz geht die dramatische Attacke nicht verloren. In der von mir besuchten vorstellung (ich glaube es war die 3. der Serie) wurde Soltesz mit viel buhs für seine andere Leseart abgestraft. Ungerechtfertigter trafen die auch einige Sänger, wobei die aber eher im mitwirken an der Inszenierung begründet sein dürfte. Auch wenn -Name wird nachgeliefert - (Fricka) keinen guten stimmlichen abend hatte und auch von der inszenierung her ziemlich langweilig da stand, dürften die vielen Buhs eher ungerechtfertigt gewesen sein. (ich persönlich buhe eh nie, sondern fahre nur den applaus zu höflichkeits-grenze hinab). Stimmlich langweilig war auch Reiner Maria Röhr, der den Loge in einer Farbe durchsang und keine Fasetten zeigte, was der eh schon auf Dauer ermüdenden Inszenierung und der musik-dramatischen Struktur den Todesstoß versetzte.
    Schöne Gesangskultur und gute Akzente bot Almas Svilpa als Wotan, dem aber noch dramatische sicherheit fehlte und in einem nicht so filigranen Dirigat zum Brüllen verdonnert gewesen wäre.
    Der Rest der besetzung agierte und sang rollendeckend, allen gebührt (wie Yago schon so treffend sagte) besonderes Lob für ihr Standing in einer sicherlich anstrengenden Inszenierung.


    Insgesamt bin ich vom Rheingold in Essen enttäuscht. Zu sehr wurde hier auf eine Provokation gesetzt, die nicht stattfand. Vor 20 Jahren wäre dies noch ein Skandal gewesen, inzwischen haben diese Elemente einen langen Bart. Die wütenden Buhs sind sicherlich auch darauf zurückzuführen.


    Anfang Juli bin ich in der Walküre und bin gespannt wie Hilsdorf das Beziehungsdrama zwischen Göttern und Menschen aufschlüsseln wird.

  • Zitat

    Original von WotanCB
    Anfang Juli bin ich in der Walküre und bin gespannt wie Hilsdorf das Beziehungsdrama zwischen Göttern und Menschen aufschlüsseln wird.


    ich bin auch da....und auch auf die inszenierung von hilsdorf gespannt,wobei seine letzten beiden arbeiten in essen recht "brav" waren.
    lg yago

  • Zitat

    Original von yago
    [


    ich bin auch da....und auch auf die inszenierung von hilsdorf gespannt,wobei seine letzten beiden arbeiten in essen recht "brav" waren.
    lg yago


    seine letzte inszenierung die ich gesehen habe war der Don carlo in Münster und der war äußerst gelungen.
    ich bin am 04.07. in der vorstellung und du?

  • ja da hast du recht,allerdings soll es nur eine "schmälere""softigere" wiedergabe seines essener "don carlos" gewesen sein.(habe leider keinen pers. vergleich)
    ist schon ein paar jährchen her und das war das letzte mal ,dass ich aus münsters theater sehr zufrieden raus ging.


    ich meinte die beiden letzten arbeiten von hilsdorf in essen.
    lg yago