Beethoven: op. 78 & 79 - Sonaten oder Sonatinen?

  • Hallo!


    Haben diese Sonaten einen eigenen thread verdient?
    Egal, hier ist er.


    Klaviersonate Nr. 24 Fis-dur op. 78


    Das 1809 komponierte Werk ist zweisätzig.
    Dem Allegro ma non troppo im ersten Satz geht ein viertaktiges Adagio cantabile voraus.
    Der zweite Satz ist ein kurzes Allegro vivace-Rondo.


    Das Werk ist Beethovens "unsterblicher Gelibten" (?) Gräfin Therese von Brunswick gewidmet.


    Der Interpretationsvergleich ging hier sehr schnell:
    Gulda wieder perfekt, Gould zerdehnt unerträglich den esten Satz, Schnabel erwischt eigentlich genau das richtige Tempo (ma non troppo), ich bin aber Gulda-geprägt.
    Kann man den zweiten Satz überhaupt irgendwie "interpretieren"?


    Klaviersonate Nr. 25 G-dur op. 79


    Dieses Stück wurde auch 1809 komponiert, es hat drei kurze Sätze:
    Der erste Satz ist Presto alla tedesca überschrieben. Warum der Satz so "deutsch" sein soll, weiß ich nicht, Kuckucke gibt es schließlich auch in ausländischen Wäldern.
    Es folgt ein überraschend feinsinniges Andante in g-moll, eher alla italiana.
    Das abschließende Vivace hingegen entbehrt jeglichem Tiefsinn.


    Schnabel ist in den Ecksätzen schneller als Gulda, und im zweiten Satz langsamer, auch gefühlvoller. Ich ziehe Schnabel vor.


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Salut,


    Die Sonate Fis-Dur [Nr. 24] op. 78 wird in meiner Notenausgabe [Edition Breitkopf, vergilbt] als "Sonate" bezeichnet. Hier gilt die Sonate allerdings der Gräfin Therese von Brunswick [1775-1861] und nicht der There Malfatti [1792-1851] als gewidmet. Was ist richitg? In meiner Claudio-Arrau-Einspielung wird Therese von Brunswick - "á Thérése" - als Widmungsträgerin genannt.


    Allegro, ma non troppo: Für den, der noch nicht verlernt hat, "heimlich zu lauschen", wird hier offenbar, daß der Herbst des Lebens für Beethoven gekommen war. Sogar die bisher mitunter so virtuos auf- und abeilenden Skalen scheinen entmaterialisiert und nur dazu geschaffen, den innigen Gesang an die Unsterbliche Geliebte (oder war es ein Abschiedsgesang?) zu begleiten. Allegro vivace: Die im ersten Satz von den sanft rieselnden Triolen scharf abgesetzten drei Akkorde bilden, nun aber punktiert, die Keinzelle für das harmonisch kühne Finale. [Wilhelm Kempff]


    Die Sonate Nr. 25 in G-Dur op. 79 wird in meiner ausgabe als "Sonatine" bezeichnet. Diese Differenzierung scheint mir im Vergleich zutreffend zu sein, op. 79 ist technisch um einiges leichter zu bewältigen.


    Presto alla tedesca: Mit dieser Bezeichnung ist ein deutscher Bauerntanz gemeint. Hier läßt Beethoven seiner vom flämischen Vorfahr ererbten Lebensfreude die Zügel schießen. Im Andante, das in seiner rührenden Unschuld an ein Volkslied gemahnt, ist ein Ton verhüllter Wehmut unüberhörbar, während im Rondo Beethoven zu einer heiteren Gelöstheit findet. Die derben Akzente verschwinden. Das grazile Thema hat das letzte Wort. [Wilhelm Kempff]


    Cordialement
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Hallo, Ulli!


    Zitat

    Original von Ulli
    Hier gilt die Sonate allerdings der Gräfin Therese von Brunswick [1775-1861] und nicht der There Malfatti [1792-1851] als gewidmet. Was ist richitg?


    Du hast recht! Ich ändere es oben.


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Zitat

    Original von Pius
    Klaviersonate Nr. 25 G-dur op. 79


    Dieses Stück wurde auch 1809 komponiert, es hat drei kurze Sätze:
    Der erste Satz ist Presto alla tedesca überschrieben. Warum der Satz so "deutsch" sein soll, weiß ich nicht, Kuckucke gibt es schließlich auch in ausländischen Wäldern.


    "alla tedesca" bezieht sich hier (wie in op. 130) auf den "Deutschen" einen walzerähnlichen Tanz in sehr schnellem 3/4 oder 3/8-Takt. Wenn ich mich recht erinnere, heißen auch einige Sätze in Haydns Klaviertrios so ähnlich


    Zitat


    Das abschließende Vivace hingegen entbehrt jeglichem Tiefsinn.


    Der wäre hier wohl auch fehl am Platze ;)
    Ich mag beide Sonaten sehr, da sie Beethoven von der oft übersehen lyrischen (op. 78 ) und humorvollen Seite zeigen.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Salut,


    Sonatine ist letztlich eine "kleine Sonate", die Form bleibt gewahrt, es ist keine Wertung. Man vergleiche z.B. Mozarts Klaviersonaten mit den späten Schuberts oder Beethovens... in dem Fall müssten alle Mozartsonaten [auch Haydns] in Sonatinen umbenannt werden.


    :hello:


    Liebe Grüße
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

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  • Hallo !


    Zitat

    Haben diese Sonaten einen eigenen thread verdient?


    Meiner Meinung nach unbedingt.


    Insbesondere bei op.78 sei darauf hingewiesen, daß Beethoven selbst sie sehr schätzte und über die "Mondscheinsonate" stellte.


    Zu op. 78 :


    Nach einer kurzen Einleitung entfaltet sich eine sehr schön gleichsam strömende Melodie.
    Für mich eine der schönsten Einfälle von Beethoven überhaupt.


    Nach der Überleitung folgt dann ein Seitenthema, daß "dolce" vorzutragen ist bevor es dann über die Dürchführung zum ende des ersten Satzes kommt.
    Und gerade in diesem "dolce Seitenthema" erkennt man ob der Interpret den Komponisten verstanden hat.


    Für mich wird dieser Satz ( mit dem auch die gesamte 2-Sätzige Sonate steht und fällt ) am besten von Alfred Brendel gespielt ( in der Beethoven Aufnahme aus den 90-zigern )
    Meiner Meinung nach nimmt er genau das richtige Tempo und spielt den ersten Satz gelöst und "luftig".


    Verglichen habe ich die Aufnahmen von Brendel, Gulda, Schnabel und der aktuellen Schiff Aufnahme.


    Gibt es noch mehr Meinungen dazu ?


    Gruss
    Holger

    "Es ist nicht schwer zu komponieren.
    Aber es ist fabelhaft schwer, die überflüssigen Noten unter den Tisch fallen zu lassen"
    Johannes Brahms