Rosenkavalier DBO - Garanca, Schäfer, Kaune

  • Liebe Taminos,


    bin gestern nach Urlaubsrückkehr gleich mit einem Highlight wieder in Berlin angekommen: Der von mir heiß erwartete Rosenkavalier in der alten Friedrich-Inszenierung (die doch gar nicht so lahm war, wie ich in Erinnerung hatte) und mit einer selten erreichten Besetzung.


    Nicht eine Rolle fiel wirklich ab, sogar Yosep Kang als Sänger wirkte trotz seiner nasalen Kopfstimme nicht unangenehm, sondern bewältigte die Partie in akzeptabler Manier.


    Ansonsten: Garancas Octavian klingt mir manchmal zu warm und guttural, aber eine beachtliche Reserve macht es ihr möglich, das teils zu undifferenziert und breit spielende Orchester kultiviert zu übertönen (etwas, womit die anderen Akteure Schwierigkeiten hatten, weil jede Rolle filigran und ausgefeilt angelegt war). Das Spiel changiert zwischen Koketterie, Noblesse und jugendlichem Sturm und Drang, überzeugt aber am meisten in den burlesken Passagen.


    Für mich die zwei Entdeckungen des Abends: Michaela Kaunes Marschallin und Peter Roses Ochs. Die Finesse, mit der Kaune das Portrait einer eben nicht schon überalterten Dame, sondern einer in voller Blüte stehenden, ahnenden und verletzlichen, dabei würdevollen Frau von Stand zeichnet, war in ihrer Stille
    überwältigend. Die heiklen Aufschwünge als kurze Temperamentsausbrüche (und nicht als Schlachtschiff-Etüde) gesungen, dann wieder die Zurücknahme in feine Pianokultur, edles Legato, kurz oszillierende Triller, stimmiges Spiel und mustergültige Diktion - es wäre ein ganz großes,
    einer Schwarzkopf ebenbürtiges Marschallinnenbild gewesen, wenn nicht Mr. Auguin fröhlich den pastösen Orchesterklang bemüht hätte, anstatt auf das ziselierte Gesamtkonzept Kaunes einzugehen - denkwürdig bleibt es allemal.


    Peter Rose singt einen Ochs, der mit der mörderischen Partitur fast mühelos zurechtkommt, ja gar mit den Höchstschwierigkeiten spielt. Obwohl er die nötige Tiefe hat, verzichtet er klug darauf, ausladende Nebelhorntöne zu produzieren, sondern singt angetippt und mezza voce, teils mit hervorragenden Piano-Effekten. Das Schmierige, Lüsterne und doch Bäuerlich-charmante der Rolle kommt perfekt zur Geltung, und man muß schon weit zurückgehen, um ähnlich geschickt eingesetzte Rollenökonomie zu erleben.


    Christine Schäfers Sophie ist weniger süßlich, als man es gewohnt ist. Nicht immer ist das kühle Timbre optimal für die junge Frau, Schäfer vermag aber in der Höhe durch perfekt gedeckte Vokale zu punkten, ihr intellektuelles Spiel verleiht der Sophie mehr Kontur als üblich, und ihr Ensemblegesang ist großartig. Insgesamt hatte sie die meisten Schwierigkeiten, gegen das dickliche Spiel des Orchesters anzukommen.


    Gerade wenn man bedenkt, wie fein die einzelnen Interpretationen angelegt waren, ärgert eine solche Durchschnitts-Repertoire-Leistung des DOB-Orchesters besonders. Eine Sternstunde war der Abend dennoch, und ein so ausgewogen und brillant besetztes Ensemble sieht man vielleicht alle Jubeljahre einmal.


    LG,



    Christian

  • Ich das Urteil von Christian nur bestätigen, es war ein großer Abend. Ohne auf die musikalischen Details eingehen zu wollen, von denen ich auch nicht genug verstehe, um mir ein Urteil darüber zu erlauben, es war einfach schön. Und Elina Garanca war nicht nur gut anzuhören, sondern auch gut anzusehen. Sie ist nicht nur eine sehr gute Sängerin, sondern auch eine hervorragende Schauspielerin. Es ist einfach eine Freude, ihr zuzusehen. Und der abschließende Terzett Marschallin, Oktavian, Sophie war so schön und anrührend, da fehlen mir die Worte.


    Wie im Ticket des Berliner Tagesspiegel stand: "Ist ein Traum … "


    Grüße


    Klaus

  • Lieber Christian,
    wie war denn der Dirigent dieser Aufführung? Der spielt ja gerade im Rosenkavalier auch eine gewisse Rolle, oder war der so schlecht, daß man besser nicht näher auf ihn eingehen sollte ?


    (Jetzt habe ich Mr. Auguin gelesen, den Namen habe ich noch nie gehört.)


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Lieber Herbert,


    ich kannte ihn auch nicht, der volle Name lautet: Philippe Auguin. Ich hätte nichts gegen ihn gesagt, wäre dies ein symphonischer Abend gewesen. Ich fand manches Detail etwas verschenkt - etwa die Dissonanzen inmitten der Süße. Aus meiner Sicht war die Leistung insgesamt schon in Ordnung, aber die Interaktion mit den Sängern war Barenboimsch, also nicht vorhanden. Ein sämiger Klangteppich, der auch die Parlando-Passagen etwas zudeckte. So nivelliert sich natürlich manches Herausragende (im Schlußterzett kam es mir so vor, als habe Frau Kaune arg forcieren müssen, obwohl sie im Grunde eine nuancierte, auf gute Verbindung der Stimmen achtende Sängerin ist).
    Dieser Wermutstropfen schmälert aber nicht die Tatsache, daß ich restlos begeistert von dieser Besetzung den Heimweg angetreten habe - und wie oft kommt einem so etwas vor. Dieser Abend muß sich für mich im Hinblick auf das Sängerische vor keinem berühmten Vorbild verstecken.



    LG,


    Christian

  • Interessant! Philippe Auguin und Peter Rose scheinen derzeit eine gemeinsame Deutschlandtournee zu unternehmen.


    Nur einen Tag vorher (Ostersamstag) habe ich beide in Hamburg im Don Carlos (Inszenierung Konwitschny) gesehen. Respekt für Herrn Rose, dass er nur einen Tag nach einem guten König Philippe als Ochs auftritt und sich diesmal noch dazu gegenüber dem Großinquisitor behaupten kann.