Donnerstag Abend war wirklich eine „Just in time“-Produktion. Um 8:30 Uhr waren wir in Münster gestartet und kamen gegen 17:30 Uhr in München an. Während sich nette Mitfahrer um den weiteren Weg meines Gepäcks bemühten, eilte ich zum bestellten Taxi und war um 17:50 Uhr an der Staatsoper.
Donizettis Oper war zu 97 % (geschätzt) ausverkauft, ich hatte immerhin noch Stehplätze auf der Galerie bekommen (Daher ist vor allem meine szenische Kritik mit Vorsicht zu genießen, denn ich konnte nicht alles sehen). Bevor das Licht ausging, wurde der Sänger des Nemorino, Dmitry Korchak, noch wegen Erkältung angesagt.
Die Inszenierung von David Bösch spielte auf der recht kargen Bühne von Patrick Bannwart, die mit ihrem ausgetrocknet wirkendem Boden auch auf dem Mond hätte spielen können, wenn nicht am linken Bühnenrand eine Laterne gestanden hätte. Die Soldaten Belcores hielten den Chor im Schach, während sich Belcore an Adina ranmachte. Das Gefährt Dulcamaras war eine eindrucksvolle Mischung aus Ufo und Traktor, machte aber teilweise recht hässliche klickende Geräusche. Und mehr gibt es eigentlich nicht von der Inszenierung zu vermelden, denn auch wenn Bösch sie auf modern trimmte, hätte man sie nur schöner bebildern müssen um sie zu einer aufgepeppten Version von Otto Schenk zu machen. Auffälligste Ideen waren ein toller Aufmarsch von Bräuten im Quartett des zweiten Aktes sowie Gianetta (gut: Tara Erraught), die im Brautkleid ständig auf ihren richtigen Mann wartete und zum deutlichen Gegenpart zu Adina aufgewertet wurde. Ansonsten empfand ich diese Inszenierung als recht langweilig. Die im Programmheft sehr interessant klingenden Thesen, habe ich zwar in der Arbeit auf der Bühne wiedergefunden, aber das hätte man auch anders ausdrücken können.
Besser war es da um die musikalische Seite bestellt, auch wenn das Orchester sich doch einige Schnitzer leistete. Dirigent Jurai Valcuha hatte teilweise auch alle Hände voll zu tun, den Apparat im Griff zu halten, aber insgesamt dirigierte er sehr sängerfreundlich und arbeitete mit guten Tempi, die immer wieder anzog, um Donizettis Brillanz zum schwingen zu bringen.
Für die Adina hatte man mit Laura Tatulescu eine wirklich rollendeckende Sängerin, bei der ich lediglich das strahlende, leuchtende in der Stimme vermisste. Ansonsten war ihre Leistung tadellos, das „Prendi, per me sei libero“ gestaltete sie mit großer Ruhe und frei von übertriebenen vokalen Effekten.
Dmitry Korchak hatte für den Nemorino genau diese Art von lyrischem Tenor, wie man ihn gerne hört. Allenfalls war er etwas durch die Erkältung etwas gehemmt und manche nasale Überbetonung lies sich nicht überhören, aber ansonsten sprach seine Stimme voll an. Übermäßig emphatisch wie Villazon legte er die Rolle nicht an, sondern blieb auch beim Singen sehr natürlich. Das „una furtiva lacrima“ wurde bei der Premiere von Giuseppe Filanotti noch oben auf der Laterne gesungen. Korchak verzichtete darauf. Ob das an der wackeligen Laterne oder an der Erkältung lag, kann ich nicht ermessen. Vielleicht macht er das generell nicht, aber das war auch egal, denn er sang es einfach sehr schön.
Auch von der Regie war der Belcore recht grobschlächtig angelegt. Fabio Maria Capitanuccis tiefer Bariton wurde diesem Rollenbild mit markantem Timbre voll gerecht, leider geriet ihm auch manches Parlando und einige Verzierungen doch etwas grob. Etwas weniger Rolle und mehr Belcanto wäre wünschenswert, von diesem sonst so sicherem Bariton. Publikumsliebling war sicherlich Ambrogio Maestri, der dem Dulcamara alle stimmliche Raffinesse verlieh. Auch diese Rolle war szensich ziemlich düster, zuweilen aber auch langweilig angelegt, aber Maestri ist Profi genug, um das zu kompensieren. Bei seinem Erscheinen bebte das Haus und oben auf der Galerie gab es kein Halten mehr.
Insgesamt war der Liebestrank nicht der erhoffte Wurf, aber zufrieden war ich nach diesem Abend allemal.