Pietro Mascagni ( 1863 - 1945 )
Iris
Oper in drei Akten
Libretto: Luigi Illica
Originalsprache: Italienisch
Uraufführung: Rom 1898
PERSONEN DER HANDLUNG
Iris, eine junge JapanerinSopran
Il Cieco, Iris' blinder Vater, Bass
Osaka, ein junger Japaner, Tenor
Kyoto, Besitzer eines Geisha-Hauses, Bariton
Geishas, Händler, Komödianten, Musikanten, Lumpensammler, Volk
Ort und Zeit der Handlung: Japan, Ende des 19. Jahrhunderts
ERSTER AKT
Platz vor Iris Hütte und Garten. In der Nähe ein Bach.
Die Nacht weicht der Dämmerung. Ein unsichtbarer Chor besingt den Sonnenaufgang. Man hört Iris in der Hütte singen. Dann tritt sie heraus, berichtet von einem schrecklichen Traum und begrüßt die Sonne, die sie davon erlöst hat. Aus der Hütte hört man Il Cieco, ihren blinden Vater, der fragt, mit wem sie spreche.
Hinter Bambus verborgen beobachten Osaka, der sich in Iris verliebt hat, und Kyoto die Szene. Nachdem Iris in die Hütte zurückgegangen ist, tasten sie sich vorsichtig voran. Kyoto bekräftigt sein Versprechen, Osaka das Mädchen zu beschaffen.
Als Iris ihren Vater in die Sonne führt, ziehen sie sich in den Hintergrund zurück. Während Il Cieco betet, gießt Iris die Blumen und spricht mit ihnen. Junge Frauen kommen zum Bach, um Wäsche zu waschen.
Kurz darauf kehren Osaka und Kyoto – als Puppenspieler verkleidet – mit Geishas, Samurais und Musikanten zurück. Sie errichten ein Puppentheater und laden die jungen Frauen zur Vorstellung ein. Sie führen ein Spiel auf, in dem Dhia, eine Geisha, von ihrem bösen Vater als Sklavin verkauft werden soll. Auf ihr Flehen hin erscheint die Puppe Jor, der Sohn der Sonne (gesprochen von Osaka), und erlöst sie. Iris, die sich bisher im Garten zurückgehalten hat und die Sonne so sehr liebt, ist fasziniert und nähert sich dem Theater. Als Jor und Dhia langsam ins Nirwana entschweben, führen Geishas ein Ballett auf. Während des Tanzes lenkt Kyoto die Aufmerksamkeit der Zuschauer ab. Die Geishas umringen Iris und verdecken sie mit ihren Schleiern. Das immer noch bezauberte Mädchen wird von den Samurais ergriffen, ihr Aufschrei mit einem Handgriff erstickt, und die Ohnmächtige in Richtung Stadt verschleppt.
Die Puppenspieler verabschieden sich und die jungen Frauen gehen nach Hause.
Kyoto eilt in den Garten und hinterlässt einen Brief und Geld für den Blinden. Dann verschwinden alle. Vergeblich warnt Il Cieco seine Tochter, dass das alles Schwindel sei, und ruft nach ihr. Vorbeikommende Händler bittet er, nach seiner Tochter zu suchen. Schließlich findet einer der Händler den Brief und liest dem Blinden vor, dass seine Tochter nach Yoshiwara gegangen sei. Der Blinde, der glaubt, seine Tochter habe ihn freiwillig verlassen, bittet die Händler, ihn nach Yoshiwara zu führen, wo er Iris finden und verfluchen will
ZWEITiER AKT
Luxuriöses Zimmer in Kyotos Haus
Neben dem Bett, auf dem Iris noch schläft, singt leise eine Geisha zur Shamisen (dreisaitiges japanisches Instrument). Kyoto schilt die neugierig herumstehenden Geishas mit erregter, aber unterdrückter Stimme, Iris nicht zu wecken.
Als Osaka hereinkommt, schickt er die Geishas fort. Beide betrachten und bewundern die schlafende Iris. Dann lässt Osaka den Vorhang vor dem Bett herunter und zieht sich mit Kyoto in eine andere Ecke des Raumes zurück, wo ihre Unterhaltung Iris nicht weckt. Hier rät ihm Kyoto, dem Mädchen erst einmal kostbare Geschenke zu bringen und sich selbst einen romantischen Anblick zu verleihen.
Als die Männer gegangen sind, erwacht Iris und bewundert ihre Umgebung. Sie erinnert sich langsam an die vergangenen Ereignisse und glaubt sich im Paradies.
Kyoto führt Osaka herein und lässt ihn dann mit Iris allein. Dieser nähert sich ihr, die ängstlich zurückschreckt. Aber als sie die ihr bekannte Stimme hört, glaubt sie, es sei Jor. Zunächst lacht sie noch über die Worte des vermeintlichen Sohnes des Sonnengottes. Als Osaka aber seine wahre Identität zu erkennen gibt, erinnert sie sich an einen schrecklichen Kindheitstraum. Alle Geschenke und Versprechungen reizen sie nicht. Sie will zurück zu ihrem Vater und ihrem Garten. Da verliert Osaka, der in ihr jetzt nur noch eine kindische hölzerne Puppe sieht, das Interesse. Er fordert Kyoto auf, sie nach Hause zu bringen.
Doch dieser kommt auf den Gedanken, sie als Geisha einzukleiden und öffentlich zur Schau zu stellen. Als sie sich wehrt, zeigt er ihr einen tiefen, dunklen Abgrund. Erschrocken gehorcht sie. Kyoto reicht ihr die Puppe Jor, die das ihr aus dem Puppenspiel bekannte Lied singt. Dann lässt sie sich von den Geishas einkleiden, schminken und auf die Veranda führen. Die Menschen auf der Straße jubeln begeistert und Kyoto reibt sich die Hände über seinen Erfolg.
Osaka, der Iris nun in neuem Licht sieht, bahnt sich einen Weg durch die Menge und versucht noch einmal, sich ihr zu nähern. Aber Kyoto wirft sich dazwischen und sie geraten in Streit.
In diesem Augenblick tritt Il Cieco ein, geführt von zwei Händlern. Kyoto versucht ihn aufzuhalten. Aber Iris, die auf Rettung hofft, gibt ihrem Vater zu erkennen, wo sie sich befindet. Da bewirft er sie mit Schmutz und verflucht sie. Verzweifelt stürzt sie sich mit einem Schrei aus dem Fenster in den Abgrund. Der Akt endet mit dem Aufschrei Kyotos, der Menge und Osakas, der vergeblich versucht hat, sie noch zu retten, .
DRITTER AKT
An einem Abwasserkanal. Nacht.
In der Ferne hört man Frauenstimmen summen.
Einige Lumpensammler suchen nach Gegenständen. Sie ziehen zunächst mit ihren Haken nur ein Bündel Brennnesseln heraus und ein schwerer Gegenstand, den sie für eine Schatztruhe halten, entpuppt sich als Stein.
Plötzlich beleuchtet ein Blitz das Kleid der Iris. Sie stürzen sich auf den Körper, den sie für tot halten, entreißen ihr das Kleid und streiten sich um Kyotos Flittergold. Als sich der Körper regt, fliehen sie entsetzt.
In einer Traumvision vernimmt Iris die Stimmen Osakas, Kyotos und ihres Vaters, die beklagen, wie grausam das Leben ist. Iris ist traurig über den Verlust ihrer Hütte und ihres Gärtchens.
Die ersten Sonnenstrahlen fallen auf ihren Körper, so dass sie glaubt, das Leben kehre wieder. Sie streckt die Arme der Sonne entgegen und freut sich, dass wenigstens ihre liebste Freundin sie nicht verlassen hat.
Während sie stirbt, wird die Szene von Licht durchflutet. Man hört – wie zu Anfang der Oper – den Chor, der die Sonne beschreibt. Die Landschaft um Iris verwandelt sich in eine Blumenwiese, begleitet von summenden Frauenstimmen.
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