Horszowski, Mieczyslaw, "Bindeglied zwischen den Jahrhunderten"

  • Hallo liebe TaminoanerInnen


    Mit grosser Verwunderung mussten wir das Fehlen eines eigenen Threades für den wunderbaren Pianisten Mieczyslaw Horszowski feststellen.


    Hier eine kurze Biografie des polnischen Künstlers.


    Mieczyslaw Horszowski 23.6.1892 - 22.5.1993



    Horszowski wird oft als Bindeglied zwischen den Jahrhunderten bezeichnet. Die musikalische Tradition lässt sich bei ihm bis zu Beethoven zurückverfolgen. Und Horszowski selbst hat sein nicht in Notenköpfen festgehaltenes Wissen an eine ganze Phalanx von Pianisten weitergegeben, aus der Namen wie die von Murray Perahia, Andras Schiff oder Peter Serkin herausragen. Horszowski ist noch k. u. k. österreichischen Lemberg geboren, war Schüler Theodor Leschetizkys, eines Giganten unter den Klavierpädagogen des neunzehnten Jahrhunderts, nur drei Jahre nach dem Tod Beethovens geboren und selbst wiederum Schüler Czernys, den Beethoven unterrichtet hatte. Zu Leschetizky waren auch Ignaz Paderewski, Arthur Schnabel und Elly Ney in die Klavierlehre gegangen.
    Er trat gemeinsam auf mit dem Cellisten Pablo Casal, Arturo Toscanini und dem Geiger Joseph Szigeti, deren langjähriger Duopartner Horszowski gewesen ist. Über viele Jahre verband ihn eine tiefe Freundschaft mit diesen Künstlerpersönlichkeiten.
    Der zweite Weltkrieg überraschte Horszowski auf einer Brasilien-Tournee. Anstatt nach Europa zurückzukehren liess er sich in den USA nieder. Er wurde Professor für Klavier am renommierten Curtis Institut of Music in Philadelphia.
    Horszowski hat noch im Alter von neunundneunzig Jahren Konzerte in Deutschland gegeben.
    Horszowski war nie ein brillierender Virtuose, sein singender Ton, der natürliche Charme seines perlenden Spiels, die Poesie des nuancierten Anschlags kam vor allem den Werken seines Landmannes Chopin, Schumann und Mozart, aber auch den Franzosen Claude Debussy und Maurice Ravel zugute. Und Beethoven, mit dessen drittem Klavierkonzert einst die Karriere in Wien des Pianisten begonnen hatte, spielte er mit einer unaufdringlichen Sachlichkeit, ohne alles romantische Pathos, jedoch mit wundervollem Legato. Das Jahr 1906 sah ihn erstmals in der New Yorker Carnegie Hall.


    Welche Aufnahmen sagen Euch besonders zu und von welchen Aufnahmen ist sogar abzuraten.


    Mit Interesse erwarten wir Eure Meinungen.


    Herzliche Grüsse


    romeo&julia

  • Hallo,


    die Unterlassung ist in der Tat kaum begreifbar, war doch Mietja, wie seine Freundin Martha Argerich ihn nannte, einer der großen Alten. Ich schätze mich glücklich seine Einspielung des WTK I, erschienen 1980 bei Vanguard, zu besitzen. Eine Aufnahme, die ich immer dann ans Tageslicht hole, wenn ich einen Kontrast zu Glenn Gould, Friedrich Gulda, Tatjana Nikolayeva hören möchte, insbesondere aber auch hören möchte, wie vielleicht Ferrucio Busoni oder andere große Interpreten im ersten Quartal des 20. Jhdts. Bach gespielt haben könnten.


    Grüße


    tom

  • Ich schätze ihn in erster Linie als sensiblen und stets kompetenten Kammermusiker, zB. in seiner Aufnahme der Beethoven Cellosonaten mit Casals, Klaviertrio op. 40 von Mendelssohn-Bartholdy, Klaviertrio op. 63 von Schumann, Beethoven und Haydn mit Mitgliedern des Budapester Streichquartetts, oder Violinsonaten von Mozart mit Szigeti. Leider sind nicht immer alle Aufnahmen in guter Qualität greifbar (ital. Billiglabels), aber von Sony gibt es im Rahmen der Casals-Ausgaben doch so manches Stück.


    Ansonsten habe ich auf Arbiter noch vier Beethoven-Sonaten mit ihm sowie auf dem gleichen Label ein Bach-Recital. Arbiter ist immer zu empfehlen, die geben sich wirklich Mühe beim Überspielen alter Schellackplatten.

  • hallo,


    mir ist die bedeutung dieses pianisten durchaus bewusst ! da er aber im gegensatz zu z.b. rubinstein ein eher ruhiger und zurückhaltener zeitgenosse war, gibt es nicht so viele möglichkeiten ihn als hörer kennen zu lernen. eine aufnahme habe ich mit ihm. es handelt sich um einen live-mitschnitt des NBC-rundfunks aus anfang der 40er jahre. horszowski spielt mozarts konzert nr.27 b-dur KV 595 mit dem NBC SO unter arturo toscanini (des weiteren die haffner sinfonie und ouvertüre aus der zauberflöte). ein phantastisches konzert. das konzert wird von den beteiligten recht zügig genommen und dennoch klingt es wehmütig.



    gruß, siamak

    Siamak

  • Ich gestehe, dass ich damals nur aufgrund seines hohen Alters auf ihn aufmerksam wurde. Es näherte sich sein 100. Geburtstag und man machte bei Nonesuch ein paar Einspielungen mit dem alten, fast blinden Mann. Auf einer der Scheiben spielt er ein Chopin-Nocturne. Dort hat er Gould-mäßig die Neigung, ein wenig "mitzusingen" - in den ersten Takten hört man ein eigenartiges, brüchiges Krächzen, das für den Bruchteil einer Sekunde lauter ist, als die Töne, die er anschlägt...
    Im Übrigen vollbringt er für sein wahrhaft biblisches Alter allerdings noch kleine Wunder.
    Ich habe auch einen Mitschnitt aus Paris, das war anfang der Neunziger (1991?)- da war auch H. noch "jung" (ich glaube, so Anfang, Mitte 90...) Da sitzt die Technik natürlich noch besser, als bei den allerletzten Aufnahmen. Er spielte nicht mehr die "Granaten" (naja, die richtigen "Granaten" hat er sowieso nie gespielt), sondern beschränkte sich auf die "Kinderszenen", ein wenig Mozart, frühen Beethoven, die eine oder andere Bach-Suite... er tat dies in sehr gedrosseltem Tempo (da merkt man dann doch das Alter), aber mit Phantasie und höchster Poesie. Er war in seinen letzten Jahren wohl noch bei den Berliner Festwochen. Dort soll er so unzufrieden mit seinem Spiel gewesen sein, dass er unterbrach, vor das Publikum trat und gesagt haben soll: "Sie können nichts dafür, dass ich so alt geworden bin..."



    Liebe Grüße :hello:
    daniel

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