Am 09. September gedenkt die Musikwelt des 400. Todestages von Leonhard Lechner. Wer sich derzeit mit dem Werk dieses bedeutenden Komponisten näher vertraut machen möchte, wird es schwer haben, denn keines seiner wichtigen Werke liegt derzeit auf Tonträgern vor. Dabei exstierten bis vor geraumer zeit durchaus zwei gewichtige Einspielungen; die eine als CPO- Produkion mit dem Ensemble „Weser-Renaissance“ mit einer Auswahl weltlicher Gesänge und die andere, gewichtigere Produktion mit „Cantus Cölln“die eine Auswahl von Liedern, Motetten und anderen gesitlichen Werken auf künstlerisch höchstem Niveau vorstellte.
Das Ensemble "sirventes berlin" plant jedoch die Produktion der letzten publizierten geistlichen Werke Leonhard Lechners: die sechsstimmigen „Septem psalmi poenitentiales“ („Bußpsalmen“), die in der gleichen Sammlung 1587 veröffentlichten bis zu achtzehnstimmigen (!) Psalmmotetten und schließlich die groß angelegte dreichörige Hochzeitsmotette „Quid Chaos“. Diese Werke, in denen jede Stimme solistisch besetzt ist, legen ein eindringliches Zeugnis ab von der einzigartigen kulturellen Hochblüte im Süddeutschland der Spätrenaissance. Das abwechslungsreiche Programm fasziniert vor allem durch den lebendigen Kontrast zwischen den intim besetzten „Bußpsalmen“ einerseits und der räumlichen Wirkung der mehrchörigen Hochzeits- und Psalmmotetten andererseits. Zum Lechner-Jahr 2006 soll dieses Programm in Konzerten aufgeführt werden. Außerdem werden diese Werke von sirventes erstmals für CD aufgenommen.
Biografischer Überblick:
Lechners genaue Herkunft ist unbekannt. Der von ihm teilweise verwendete Beiname Athesinus lässt auf seine Herkunft aus dem Etschtal in Südtirol schließen.
Landshut/München
Bis ca. 1570 war Lechner als Sängerknabe am bayerischen Hof zu Landshut angestellt. Es wird vermutet, daß er zuvor bereits Mitglied der Münchner Hofkapelle war und dort ein Schüler Orlando di Lassos gewesen sein muss, zumal satztechnische Errungenschaften italienischer Herkunft in seinen Werken deutlich hervor treten, etwa in den Deutschen Sprüchen von Leben und Tod. Seine werke klingen jedoch
mehr nach den italienischen Meistern Palestrina und Andrea Gabrieli als nach denen seines bedeutendend Lehrres.
Nürnberg
Spätestens seit 1575 hielt Lechner sich in Nürnberg auf und brachte dort mit der Sammlung Motectae sacrae die erste Ausgabe seiner eigenen Kompositionen heraus. Außerdem war an der Schule von St. Lorenz in Nürnberg tätig. Hier heiratete er auch Dorothea Kast, geb. Lederer, die Witwe des Stadtpfeifers Friedrich Kast.
Hechingen
Anfang 1584 trat Lechner das Amt eines Hofkapellmeisters beim Grafen Eitel Friedrich von Hohenzollern in Hechingen an. Wegen Auseinandersetzungen mit seinem Vorgesetzten, dem Grafen, wurde er entlassen und für vogelfrei erklärt. Er floh zunächst nach Tübingenund später unter den Schutz des Herzogs Ludwig von Württemberg nach Backnang.
Württemberg
Er bekam nach kurzer Zeit eine Stelle als Tenorist in der Württembergischen Hofkapelle in Stuttgart (die ihren Sitz in der Schloßkirche im Alten Schloß hatte). Im Jahr 1589 wurde er dann Hofkomponist. Auf die Stelle des Hofkapellmeisters konnte er erst 1594 aufrücken, als sein Amtsvorgänger starb. Zu diesem Zeitpunkt war Lechner selbst schon chronisch krank. In diesem Amt erreichte er trotzdem große Bekannntheit, die Hofkapelle wurde unter seiner Leitung weithin bekannt. Nach seinem Tod erhielt Leonhard Lechner hier ein ehrenvolles Begräbnis. Seine Grabplatte befindet sich heute in der Hospitalkirche in Stuttgart.
Achtung, Tamino-Leser aus Stuttgart: es wär einfach super wenn einer von euch diese Platte fotografieren und mir das Ergebnis per mail zuschicken könnte ! Vielen Dank schon jetzt dafür !)
Fazit:
Im Gegensatz zu Orlando di Lasso ließ Lechner sich sehr viel mehr von dem italienischen Villanellenstil beeinflussen. Seinen Schaffenshöhepunkt stellen seine Deutschen Sprüche von Leben und Tod dar. In der evangelischen Kirchenmusik wirkte er vor allem durch die Weiterentwicklung des deutschen Kirchenliedes sowie durch sein Passionswerk Historia der Passion und Leidens unsers einigen Erlösers und Seligmachers Jesu Christi, welches das Vorbild für viele spätere Passionskompositionen darstellte. Lechner erreichte als „frühester aller früh-barocken Komponisten“ eine wortgebundene Musik, die ähnlich und von entsprechender Tiefe und Inbrunst erst Heinrich Schütz gut 50 Jahre später realisieren sollte. Sätze wie „Nun schein, du Glanz der Herrlichkeit“ oder „Bhüt du dich“ suchen ihresgleichen vergeblich in einer Zeit, die noch überwiegend vom polyphonen Denken der großen italienischen und niederländischen Meister geprägt war.
Werke:
Motectae sacrae, 1575
Newe Teutsche Lieder zu drey Stimmen, 1576
Der ander Theyl Newer Teutscher Lieder zu drey Stimmen, 1577
Newe Teutsche Lieder mit Vier und Fünff Stimmen, 1577
Sanctissimae virginis Mariae canticum, quod vulgo Magnificat inscribitur, secundum octo vulgares tonos, 1578
Newe Teutsche Lieder, 1579
Sacrarum cantionum, liber secundus, 1581
Iohanni Neudorffero sponso... ac Iustinae Henzin sponsae.. psalmum hunc Davidicum (Beati quorum remissae sunt), 1581
Newe Teutsche Lieder mit fünff und vier Stimmen, 1581
Harmoniae miscellae Cantionum Sacrarum, 1583
Liber Missarum Sex et Quinque Vocum, 1584
Neue lustige Teutsche Lieder nach Art der Welschen Canzonen, 1586 (2.vermehrte Auflage 1588 )
Septem Psalmi poenitentiales, 1587
Neue Geistliche und Weltliche Teutsche Lieder mit fünff und vier stimmen, 1589
Epitaphia, 1593
Deutsche Sprüche von Leben und Tod, aus der posthumen Handschrift von 1606