Das Leben des Johann (auch Jean) Schobert lässt sich am besten von hinten aufrollen: Sein Tod zählt mit dem Jean-Baptiste Lullys an einer Sepsis nach einem Stich in den Fuß mit dem Dirigierstab sicher zu den kuriosesten der Musikgeschichte. Quelle hierfür ist die "Correspondance littéraire" des Fréderic Melchior Grimm, in deren Brief vom 15. September 1767 es heißt:
ZitatDer Tag des Hl. Ludwig war dieses Jahr durch ein äußerst betrübliches Ereignis gekennzeichnet. M. Schobert, unter den Musikliebhabern als einer der besten Cembalisten von Paris bekannt, unternahm mit seiner Frau, einem seiner Kinder im Alter von vier oder fünf Jahren, und einigen Freunden, darunter auch ein Arzt, einen Ausflug. Es waren sieben an der Zahl, die im Wald von St. Germain-en-Laye spazieren gingen. Schobert liebte Pilze über alle Maßen; er sammlete also tagsüber, während der Wanderung, einige im Wald. Gegen Abend erreichte die Gesellschaft Marly; man betrat ein Wirtshaus und bat um die Zubereitung der mitgebrachten Pilze. Der Koch des Wirtshauses prüfte die Pilze, erklärte, daß sie von der schlechten Sorte seien und weigerte sich, sie zu kochen. Über diese Weigerung verärgert, verließen sie das Wirtshaus und suchten ein anderes im Bois de Boulogne auf, wo ihnen der Wirt dasselbe sagte und ebenso die Zubereitung der Pilze verweigerte. Ein grausamer Eigensinn, hervorgerufen von den ständigen Versicherungen des Arztes, der bei der Gesellschaft war, daß die Pilze gut seien, ließ sie abermals das Wirtshaus verlassen, um sie ihrem Verderben zuzuführen. Sie begaben sich alle nach Paris, in Schoberts Wohnung, wo dieser ihnen ein Abendessen mit den Pilzen vorsetzte. Und alle, sieben an der Zahl, einschließlich der Bediensteten von Schobert, die das Essen zubereitet hatte, und des Arztes, der angeblich so gut Bescheid wußte, starben an Pilzvergiftung.
Ansonsten weiß man bisher so gut wie nichts aus der Biografie des Komponisten. Ein anderer Eintrag in der "Correspondance littéraire" von 1765 enthält eine Bemerkung über einen Neuling in den Pariser Salons, "une jeune claveciniste de la musique du Price de Conti. M. Schobert est Silésien. Il est en France depuis cinq ou six ans."
Daraus schließt man, dass er um 1735 in Schlesien geboren wurde, denn er wird kaum als unausgebildeter Musiker gewagt haben, die belebte Pariser Musikszene zu betreten, und in der Breslauer Bibliothek findet sich ein Divertimento, das mit Schoberts op.1 Nr. 1 identisch ist. 1760 oder 1761 muß er nach Paris gekommen sein und fand im Prinzen Conti einen Gönner, der eine schützende Hand über ihn gehalten und ihn großzügig unterstützt haben muß, denn alle Opera wurden in eigener Regie gestochen und gedruckt, und in Paris vertrieben, wo sie Mozart Vater und Sohn kennengelernt haben dürften; wahrscheinlich Mitte Juni 1766 wurde ein Gemälde angefertigt, das den jungen Mozart bei einer Teegesellschaft bei Louis-Francois de Bourbon, Prince de Conti (eben Schoberts Gönner), zeigt, wie er sich anschickt, den Sänger Jélyotte am Cembalo zu begleiten.
Leopold Mozart hegte starke Abneigung gegen Schobert (war er neidisch auf dessen Erfolg?), Sohn Wolferl bewunderte seine Musik: Im Pasticcio-Konzert KV 39 ist der Mittelsatz das modifizierte Andante poco allegro aus Schoberts op. XVII Nr. 2; die a-moll Sonate KV 310, in Paris komponiert, zitiert fast wörtlich aus op. XVII Nr. 1.
Schobert war nicht der erste, der Claviersonaten mit obligaten Instrumenten schrieb - das war in Paris Jean-Joseph Cassanea de Mondonville mit seinem op. 3 "Pièces de Clavecin en Sonates avec accompagnement de violon", ca. 1734 veröffentlicht. Schobert scheint das Genre mit seinen reichen Harmonien und melodischen Einfällen mehr als jeder andere popularisiert zu haben und machte mit seinem virtuosen, aber nach neueren italienischen Moden orientierten Cembalospiel den letzten Vertretern der französichen Clavecinisten in der Tradition von Francois Couperin (Jacques Duphly, Claude-Benigne Balbastre, Armand-Louis Couperin) das Leben schwer.
Die Popularität seiner Werke während seines so abrupt beendeten Lebens steht in starkem Kontrast zum Vergessen seines Werkes nach seinem Tod, was angesichts der rasanten Entwicklung der Musik in jenen Jahren und vor allem der veränderten Kompositionsideale in der Klavier-Kammermusik nicht weiter verwundert: Sieht man Schobert von Mozart her, der die Streichinstrumente mehr und mehr zu dem Klavier gleichberechtigten Partnern emanzipierte, erscheint Schoberts Musik vor allem den Streichern als wenig attraktiv, da sie hier im wesentlichen eine echte obligate Rolle haben. Fast die gesamte Kammermusik lässt sich mit dem Tasteninstrument solo ohne Substanzverlust aufführen, obwohl sie mit Streichern wesentlich fülliger und charmanter klingt; Schobert verstand es mit nur zwei Streichern gleichsam orchestrale Effekte zu erzielen, die etwas an die Schreibweise der Mannheimer Schule erinnert, mit der eine Verbindung aber nicht nachgewiesen werden kann. Als affektenreiche Ensemblemusik gespielt, ist Schoberts Kammermusik durchaus attraktiv.
Johann Wolfgang von Goethes Schester Cornelia spielte Schoberts Stücke mit Hingabe - ihr Urteil mag stellvertretend für die Reaktionen der Zeitgenossen stehen:
ZitatIl a composée XV ouvrages graveés d'une taille douce, qui sont excellent et que je me ne saurais de lasser de jouer. Toute autre musique ne me plait presque plus. En jouent des sentiments douloureux percent mon âme, je le plains ce grand auteur, qui a la fleur de son âge avec un tel génie a fallu périr d'une facon si miserable et inopinée.
[... die ich nie aufhören werde zu spielen. Während ich sie spiele, durchbohren schmerzliche Gefühle meine Seele.]
Ich persönlich habe bemerkt, dass ich Schoberts Sonaten weit häufiger höre als die Mozarts oder Haydns - seine Expressivität spricht mich weit mehr an als die seiner Zeitgenossen, seine Melodik ist unnachahmlich - ich kann Frau Goethes Worte gut nachvollziehen.
Vielleicht ist dieser Beitrag eine Anregung, sich mit seiner Musik zu beschäftigen, die weit mehr als nur eine Fußnote zu Mozarts Oeuvre darstellt. Hier einstweilen eine Liste seiner Werke:
op. 1 - 2 Sonaten für Cembalo, Violine ad libitum
op. 2 - 2 Sonaten für Cembalo, mit obligater Violine
op. 3 - 2 Sonaten für Cembalo, Violine ad libitum
op. 4 - 2 Sonaten für Cembalo
op. 5 - 2 Sonaten für Cembalo, Violine ad libitum
op. 6 - 3 Triosonaten für Cembalo, Violine und Violoncello ad libitum
op. 7 - 3 Sonates en quatuor, Cembalo, 2 Violinen und Violoncello ad libitum
op. 8 - 2 Sonaten für Cembalo mit obligater Violine
op. 9 - 3 Sinfonies für Cembalo, Violine und 2 Hörner ad libitum
op. 10 - 3 Sinfonies für Cembalo, Violine und 2 Hörner ad libitum
op. 11 - Concerto I für Cembalo, 2 Violinen, Viola, Violoncello, 2 Hörner ad libitum
op. 12 - Concerto II für Cembalo, 2 Violinen, Viola, Violoncello, 2 Oboen, 2 Hörner ad libitum
op. 13 - Concerto III pastorale für Cembalo, 2 Violinen, 2 Hörner ad libitum, Viola, Violoncello
op. 14 - 6 Sonaten für Cembalo, Violine ad libitum (Nr. 1 mit Violine und Viola ad libitum)
op. 15 - Concerti IV für Cembalo, Violine und 2 Hörner ad libitum
op. 16 - 4 Sonaten für Cembalo, Violine und Violoncello obligato
op. 17 - 4 Sonaten für Cembalo, Violine obligato
op. 18 - Concert V für Cembalo und 2 obligate Violinen
op. 19 - 2 Sonaten für Cembalo oder Pianoforte, mit obligater Violine (postum, nicht gesichert)
op. 20 - 3 Sonaten für Cembalo mit obligater Violine (wahrscheinlich von T. Giordani)
Schobert machte einen einzigen Ausflug in die Gefilde der Oper:
Le garde-chasse et le braconnier (opéra comique, Paris, Théâtre Italien, 18 Januar 1766 (verschollen)
Eine Discografie mit allen mir bekannten Aufnahmen seiner Werke folgt in ein paar Tagen; wenn Interesse besteht, kann ich auch noch ein paar Äußerungen von Zeitgenossen über ihn heraussuchen.
p.s. Inzwischen scheint auch ein Konterfei von ihm aufgetaucht zu sein, oder zumindest hält man es dafür:
Erinnert mich doch stark an ein verbreitetes Mozart-Profilbild ...