München, Bayerische Staatsoper. Hans Werner Henze: Die Bassariden

  • Die Neuproduktion von Hans Werner Henzes Bassariden an der Bayerischen Staatsoper hatte am letzten Montag (19.5.) Premiere. Ich habe die zweite Vorstellung am gestrigen Feiertag (22.5.) gehört und gesehen – alles in allem eine großartige Aufführung.


    Die Bassariden sind auf ein vielschichtiges Libretto von W.H. Auden und Chester Kallman in englischer Sprache komponiert, wurden aber bereits bei der Salzburger Uraufführung 1966 in einer deutschen Übersetzung gegeben. Auch in München singt man die deutsche Fassung. Auf der Grundlage der Bakchen von Euripides erzählt die Oper die Geschichte vom Einzug des Dionysos und seines Kultes nach Theben und den vergeblichen und tödlichen Versuch des Königs Pentheus, sich diesem Kult entgegenzustellen. Das Libretto wird in unserem Opernführer von Davidoff zusammengefasst, zudem gibt es auch einen Thread zum Werk, das Henze wie eine Symphonie in vier „Sätze“ unterteilt hat.


    Von Anfang an wurde der Oper im positiven und negativen Sinn nachgesagt, sie habe das Zeug zum modernen Klassiker. Die Uraufführung in Karajans Salzburg und die Kompatibilität des Sujets zum bildungsbürgerlichen Kanon taten das ihre dazu. Schließlich und vor allem die Musik – den Grundtenor gab schon damals Hans Heinz Stuckenschmidt vor, als er titelte: „Richard Strauss hat seinen Nachfolger gefunden.“ Henze hat sich immer gegen diese Auffassung gewehrt und noch kürzlich im Interview der SZ darauf hingewiesen, dass er zur Zeit der Komposition gerade intensiv Mahler kennengelernt und rezipiert habe (im Orchesterzwischenspiel vor der Mänadenszene klingen auch einmal die Herdenglocken wie in Mahlers Sechster und Siebter von fern herein). Trotzdem ist in vielen Punkten – Sujet, teilweise „süffiger“ Stil, Orchesterbesetzung – die Verbindung zu Elektra nicht von der Hand zu weisen. Wie dem auch sei: Heute steht man Henzes undogmatischem Kompositionsstil sicher offener gegenüber und auch der Konnex zwischen Antikenrezeption und Bildungsbürgertum (sofern überhaupt noch vorhanden) löst nicht mehr die allergischen Reaktionen früherer Zeiten aus.


    Insofern verwundert es nicht, dass Die Bassariden zwar nicht gerade zum Repertoirestück geworden sind, sich aber öfter als andere Opern der letzten fünfzig Jahre auf den Bühnen wiederfinden, selbst auf kleineren wie Freiburg oder Oldenburg. Und das, obwohl Henze einen Riesenapparat fordert: ein Orchester in noch leicht verstärkter Elektra-Größe sowie einen Chor, der einen Part von enormem Umfang und Anspruch bewältigen muss.



    *



    Und musikalisch wurde in München Großartiges geboten: Der in großer Besetzung (ca. 90 Sänger/innen) angetretene Staatsopernchor (Einstudierung: Andrés Máspero) hat in über 80 Proben seit letztem September seinen Part erarbeitet – und wurde ihm brillant gerecht. Sowohl die massiven Jubelchöre zu Beginn, als auch die wispernden Hintergrundchöre, die lyrischen Passagen (besonders schön: Nacht öffnet weit im dritten Satz) und natürlich die dionysischen „Schreichöre“ der Mänaden überwältigten in jeder Beziehung.


    Das Dirigat lag in den Händen von Marc Albrecht, der mit dem Orchester ganze Arbeit geleistet hat. Der Klang des riesigen Orchesters uferte nie aus, ohne aber im geringsten unterkühlt oder zurückgenommen zu wirken. Im Gegenteil: Die gelegentlich an Strawinskys Sacre erinnernden „dionysischen“ Passagen kamen mit enormer rhythmischer Präzision und klanglicher Gewalt. Besonders schön gelangen auch die lyrischen Arioso-Inseln bei den Ariosi der Agaue (Auf dem alten Waldweg) und des Dionysos (Ich fand ein Kind). Schon rein spieltechnisch war das eine herausragende orchestrale Leistung. Am meisten hat mich aber die stupende Balance zwischen Orchester, Chor und Solosängern verblüfft: selbst in den Ensembles, in denen alle gleichzeitig aktiv sind, blieb die Transparenz gewahrt. Und fast nie wurden die Sänger vom Orchester überdeckt – die Textverständlichkeit war ausgesprochen hoch.


    Das lag natürlich auch an den Sängern selbst, die fast ohne Ausnahme tadellos artikulierten. An erster Stelle muss hier Michael Volle als Pentheus genannt werden. Die beeindruckende darstellerische Leistung, mit dem er die Wandlung des zunächst machtbewussten, später verzweifelten Königs herausarbeitet, wurde von seiner Gestaltung des musikalischen Parts noch übertroffen: makellose Diktion, dynamische Differenzierung von gehauchten Pianissimi (die Nennung des eigenen Namens direkt vor seinem Tod) bis zu markanten Fortissimi, dabei auch in den größten Entäußerungen nie die Gesangslinie verlassend (Nein! Dies Fleisch bin ich!).


    Ausgezeichnet auch die zweite große Hauptrolle, der Dionysos von Nikolai Shukoff. Äußerlich ein fast ephebenhafter Latin-Lover-Typus, was einen wirkungsvollen Gegensatz zum größeren Volle bewirkt, kann er seinem Gegenpart stimmlich durchaus die Stirn bieten: mit ebenfalls vorzüglicher Diktion, schönen Lyrismen und stimmlicher Präsenz. An drei Stellen hat der Regisseur Shukoff ein Mikrophon in die Hand gedrückt – was wohl seine Qualitäten als Massenverführer kennzeichnen soll, aber beim orchestral massiven Schluss auch seinem Gesang zu seinem Recht verhilft.


    Tadellos und mehr als rollendeckend auch Sami Luttinen als Kadmos sowie Christian Rieger als Hauptmann. Agaue, die wichtigste Frauenrolle, war Gabriele Schnaut anvertraut – die darstellerisch äußerst intensiv agierte, aber streckenweise nicht verdecken konnte, dass ihre Stimme schlichtweg kaputt ist. Auch wenn es sich nur um eine mittlere Rolle handelt und das bei Schnaut besonders desaströse obere Register nicht allzu stark beansprucht wird, legte sich hier doch ein kleiner Schatten auf die sonst makellose Aufführung – auch beim lyrischen Arioso Auf dem alten Waldweg fiel es Schnauts Stimme aufgrund des wabernden Vibrato schwer, auf dem Weg zu bleiben (für sie gab es am Ende einige Buhrufe von der Galerie).


    Bei zwei anderen nicht mehr ganz jungen und verdienten Vertreter der Sängerzunft hatte ich ebenfalls gewisse Befürchtungen, die aber glorios entkräftet wurden: Hanna Schwarz sieht immer noch so aus wie vor zwanzig Jahren (ich habe sie ewig nicht mehr auf der Bühne gesehen) und konnte in der Rolle der Amme Beroe mit ihrem beeindruckendem tiefen Register punkten. Auch Reiner Goldberg war für die nicht große, aber wichtige Rolle des Sehers Teiresias eine Luxusbesetzung und überzeugte ebenso durch Bühnenpräsenz – das Rollenbild des weisen Sehers wird im Libretto in Richtung Lachnummer verändert, und Goldberg erfüllte die ihm zugedachte Rolle des schwuchteligen Trottels ausgezeichnet.



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    Die intensiven musikalischen und darstellerischen Leistungen waren die Voraussetzung dafür, dass auch die Szene mit Leben erfüllt werden konnte. Regie führte Christof Loy, das Bühnenbild wurde von Johannes Leiacker gestaltet. Loy wird in letzter Zeit ja nicht müde zu betonen, dass er sich einem szenischem Minimalismus verschrieben hat, der sich auf das vorgeblich Wesentliche konzentriert. Wir haben Risiken und Chancen dieses Ansatzes schon einmal anhand von Loys Frankfurter Inszenierung des Simon Boccanegra diskutiert. Leiacker hat dazu das passende Bühnenbild gestaltet: Die Antike kommt nicht vor. Die riesige Bühne ist vollkommen leer, nach den Seiten und nach hinten bis zu den Brandmauern (einschließlich technischer Apparaturen) einzusehen. An der Mitte der Rückwand ist eine breite weiße Stoffbahn heruntergelassen, die auf dem Boden bis zum vorderen Bühnenrand ausgelegt ist. Links entzündet sich – wie im Libretto vorgeschrieben – gelegentlich die Flamme auf dem Grab der Semele. Vor den Seitenwänden sind große Gestelle mit Neonröhren angebracht, die mit dem Erdbeben im dritten Satz angeschaltet werden. Requisiten: ein Stuhl, später noch ein Tisch und ein Pappkarton sowie eine Axt und ein Feuerzeug. Nur wenige gezielte farbliche Akzente bei der Kleidung: der Chor überwiegend in Grau, später z.T. in weißer Unterwäsche, Pentheus ganz in Schwarz, Dionysos in Schwarz mit weißem Hemd, die Frauen in Pastellfarben, der als Lustobjekt begehrte Hauptmann mit auffällig knallrotem Hemd. Alles sehr schick.


    Bereits eine Viertelstunde vor 18 Uhr (dem offiziellen Beginn der Aufführung) und auch noch zehn Minuten danach lässt Loy auf einem weissen Zwischenvorhang einen „Film“ von rechts nach links abrollen, auf dem Menschen verschiedenen Alters in Alltagskleidung dastehen, sich gelegentlich mit der Hand durch die Haare fahren oder andere unauffällige Gesten machen. Wenn der Zwischenvorhang hochgeht und die Musik einsetzt, erkennt man, dass es sich um die Choristen handelt, die jetzt in loser Formation auf der Bühne stehen und ihren Triumphgesang auf den frisch ernannten König Pentheus anstimmen. Dieser sitzt bereits - wie man später feststellt – mit dem Rücken zum Publikum auf einem Stuhl, der seinen Palast ersetzt. Für den Chor gibt es durchaus eine ausgeklügelte Choreographie, die manchmal überzeugt, manchmal – gerade bei den Abgängen und Auftritten – aber auch etwas unmotiviert wirkt. Wie Loy betont hat: der Chor ist die eigentliche Hauptrolle des Stücks (das schließlich auch Die Bassariden heißt) – und an ihm müsste der Wandel von der königstreuen, geordneten Masse zur dionysisch entfesselten Menge dargestellt werden. Das halbe Entkleiden und Zeigen der Unterwäsche reicht da nicht aus und wirkt auf mich wie ein halbgarer Kompromiss, ebenso wie die mäßig entfesselte Choreographie der Mänaden. Der zentrale Konflikt des Stücks bleibt in dieser Hinsicht unterbelichtet.


    Über die Personenregie bei den Solisten lässt sich Besseres sagen, was auch auf die schon betonte darstellerische Begabung der Sänger/innen zurückzuführen ist. Die langen Dialoge zwischen Pentheus und Dionysos werden von Volle und Shukoff zu spannenden Konfrontationen ausgebaut. Die nur selten, dann aber nachhaltig irritierte Nonchalance, mit der Dionysos seine Überlegenheit demonstriert, stellt Pentheus zunächst eine stimmliche und szenische Autorität sondergleichen entgegen, um dann zusehends zu verzweifeln und zu verfallen. Auch die szenische Präsenz von Goldberg, Schnaut und Hanna Schwarz zieht immer wieder in ihren Bann. Eine besonders ergreifende Szene gelingt Loy und den Sängern im letzten Satz: Wenn Schnaut den von ihr abgeschlagenen Kopf des Pentheus unter dem Kleid trägt und ihr Vater Kadmos ihr klarmacht, dass sie ihren eigenen Sohn getötet hat, wenn Kadmos schließlich wie bei einer Geburt den Kopf des Getöteten unter dem Kleid hervorreißt und ihn – folgerichtig – an die Amme weiterreicht: das ist beklemmend gespielt (von der grandiosen musikalischen Gestaltung ganz zu schweigen). Immer wieder wird auch die im Libretto angelegte Inzestthematik in Bezug auf Pentheus und seine Mutter szenisch direkt angedeutet.


    Eine zentrale Stellung im Regiekonzept nimmt das Intermezzo im dritten Satz ein, in dem Teiresias, Agaue, ihre Schwester Autonoe und der Hauptmann das „Urteil der Kalliope“ nachspielen, bei dem es um die sexuelle Verfügungsgewalt von Venus und Proserpina (gespielt von Agaue und Autonoe) über Adonis (den Hauptmann) geht. Hier wird der bewusste Stilbruch der Musik auch szenisch übersetzt: es herrscht aufgedrehte Aktivität, es darf kräftig chargiert werden (musikalisch wie szenisch). Frau Schnaut pinselt auf einen vom Chor gehaltenen Leinwandstreifen Piktogramme und Wörter, die die Geschichte von Adonis nacherzählen – durch diese Leinwand rennen dann die sexuell entfesselten Darsteller und zerreißen sie dabei in kleine Stücke (wohl ein Verweis auf das spätere Zerreißen des Pentheus durch die Mänaden).


    Das Intermezzo ist seit Mitte der 80er Jahre bei keiner Darbietung der Oper gespielt worden. Albrecht und Loy mussten angeblich bei Henze Telefonterror machen, um die Erlaubnis zur Aufführung zu erhalten. Gemäß dem ursprünglichen Konzept Henzes legt Loy das Intermezzo als Spiegel des ganzen Stückes an: Pentheus wird im gleichen Karton von seiner Mutter enthauptet, in dem vorher Adonis gekauert hat, Dionysos sitzt am gleichen Richtertisch, an dem Kalliope das Urteil gesprochen hat usw. Das ist alles gekonnt ausgeklügelt und intelligent umgesetzt. Vielleicht wäre manchmal weniger Schachspiel und mehr unmittelbare theatralische Energie wirkungsvoller gewesen. Zum Schluss sitzt Dionysos allein auf der Bühne und wirft irritierte Seitenblicke auf den (verhüllten) abgeschlagenen Kopf des Pentheus, der Chor ist ganz nach hinten zurückgedrängt und abgesperrt worden. Eine Gewaltherrschaft ist durch eine andere ersetzt worden. Darüber hätte man gerne noch mehr erfahren.


    Jedenfalls lässt die Inszenierung Freiraum für die Gewalt der Musik, die unmittelbar und um Dimensionen stärker als bei einer CD-Aufnahme zu erfahren war. Ich habe mich keine Sekunde der pausenlosen zweieinhalb Stunden gelangweilt und hoffe, dass es dem Großteil des Publikums im nicht gerade ausverkauften Nationaltheater ähnlich gegangen ist.



    Viele Grüße


    Bernd

  • :DIch gehöre der Generation an (60 plus), die die Uraufführung bei den Salzburger Festspielen gesehen und gehört hat im Großen Festspielhaus zu Salzburg am 6.August 1966.
    Später in gleicher Besetzung an der
    Deutschen Oper Berlin.
    Dirigent war Christoph von Dohnanyi
    Regie Gustav Rudolf Sellner
    Bühnenbild und Kostüme Filippo Sanjust


    Loren Driscoll, Kostas Paskalis, Peter Lagger, Helmut Melchert,
    William Dooley, Kerstin Meyer, Ingeborg Hallstein, Vera Little.


    Hab hier in München die Aufführung nun wieder gesehen
    und war s e h r beeindruckt!!!
    Der Bernd hat alles geschrieben, was soll ich bei soviel
    Begabung weiter schreiben, schließe mich einem Kritiker an der
    sagete es war eine der besten Aufführungen hier am Nationaltheatr seit
    langem.
    =) :yes:


    Am Rande nur HANS WERNER HENZE über 80 Jahre war anwesend und er bekam STANDING OVATION. Das fand ich toll!!!!

    mucaxel

  • Danke, Bernd, für diesen interessanten Bericht!
    Ich kenne diese Oper leider überhaupt nicht, aber deine Rezension hat mich nun neugierig gemacht. Vielleicht sollte ich wirklich wieder einmal den Nachtzug von München nach Wien ins Auge fassen!
    Michael Volle kenne ich aus Zürich und kann dein Urteil, was seine stimmlichen und schauspielerischen Qualitäten betrifft, nur bestätigen!
    lg Severina :hello:

  • Liebe Severina,


    es lohnt sich bestimmt (auch wenn der Aufwand für Dich natürlich erheblich ist) - weitere Aufführungen gibt's am 25. Mai, 28. Mai, 31. Mai und 3. Juni, im Rahmen der Opernfestspiele am 19. Juli, und nächste Saison wieder am 19., 22. und 25. Oktober.


    Der Kauf eines Tickets in jeder gewünschten Preisklasse dürfte bei keiner Vorstellung ein Problem sein - wie gesagt, bereits in der zweiten Vorstellung gab es recht viele freie Plätze. Eigentlich schien mir die Erklärung mit dem konservativen Münchner Publikum immer zu einfach zu sein, aber nachdem ich beim Verlassen des Nationaltheaters mal wieder zwei ernüchternde Abonnentenkommentare mitanhören durfte, bin ich mir da nicht mehr so sicher... X(


    Appell an alle Forumianer, die näher an (oder sogar in) München wohnen als ich oder gar Severina: Lasst Eure CDs einen Abend im Regal stehen und geht mal wieder in die Oper! ;)


    (Michael Volle habe ich schon gelegentlich auf der Bühne erlebt, in der Tat fast immer ein großartiger Sängerdarsteller - aber so gut wie diesmal war er selten!)



    @muxacel: Kompliment - ich würde gerne mal wissen, wieviele Besucher der Münchner Premiere außer Dir (und Henze selbst :D) noch die Uraufführung erlebt haben!



    Viele Grüße


    Bernd

  • Hallo Bernd,


    also ich war doch sehr betroffen, als ich nach dem Datum der
    Uraufführung nach geschlagen habe, denn das ist sehr lange her
    1966 ja so wird man ÄLTER und merkt das nicht so.
    Erst beim Nachrechnen fiel mir das unangenehm auf......
    (Bin Baujahr 1946)
    Aber das alles Bitte nur als Randbemerkung gedacht.
    Ich finde es komisch "na der war schon bei der
    Uraufführung dabei".............Da fühle ich mich dann
    auch alt und bin es auch...


    Karten sind gar nicht mehr soviele da (in einer bezahlbaren
    Kategorie), aber wer die Chance hat
    unbedingt hingehen!!!
    Hab das vorhin im Internet gesehen, dass die
    Vorstellungen sehr gut verkauft sind.


    Es lohnt sich wirklich. 2 1/2 Stunden garaniert
    Spannung und tolle Sänger!!
    :pfeif:

    mucaxel

  • Im Juli 1996 erlebte ich Henzes Bassariden im Münchner Gasteig als konzertante Aufführung. Damals dirigierte Gerd Albrecht die Münchner Philharmoniker; Dionysos war James O'Neal, Pentheus Alan Titus, Teiresias Horst Hiestermann, Agaue Renate Behle. Gut erinnerlich die Völkertwanderung eines Großteils des Publikums während der Aufführung zu den Ausgängen, obwohl die Lektüre des Librettos den Mangel an szenischer Fantasie durchaus wettzumachen vermochte.
    Als ich am Montag die Live-Übertragung im Radio mir anhörte, war es ungleich schwieriger, den Handlungsverlauf allein auf akkustischem Wege zu verfolgen. Das, was zu hören war, erschien mir indessen so spannend und musikalisch überzeugend, daß mir wohl nichts anderes übrig bleibt, als eine der folgenden Vorstellungen zu besuchen. Dabei werde ich die seltene Gelegenheit haben, ohne Vorbestellung an der Abendkasse mir eine Karte kaufen zu können, als ginge es ins Kino. Das ist angenehm, gleichzeitg aber auch betrüblich (ähnlich wie bei Moses und Aaron), da wieder mal demonstriert wird, daß Kunst ohne Event-Charakter oft keinen leichten Stand hat.


    Florian

  • Hallo zusammen,


    ich habe es jetzt endlich auch gesehen (Aufführung im Rahmen der Opernfestspiele am 19.07.) und bin noch immer total begeistert. Für mich war es die erste Begegnung mit dem Stück.


    Den Ausführungen von Zwielicht habe ich nichts hinzuzufügen, ich könnte es höchstens weniger genau wiedergeben, da ich mich von der ersten Hörerfahrung eher habe mitreissen lassen und das kritische Hinterfragen der Inszenierung etwas beiseite gelassen habe.


    Allerdings kann ich ein bisschen nachvollziehen, dass Henze das Intermezzo gestrichen hat. Es war zwar gut umgesetzt, aber so richtig schlüssig und zwingend scheint es mir nicht zu sein. Es war mir zu komisch und gab (meiner Meinung nach und das ist auch nur ein erster Eindruch) keinen willkommenen kontrast, sondern wirkte etwas albern und deplaziert. Aber ich kannte das Stück vorher nicht, da muss ich mit solchen Urteilen natürlich vorsichtig sein.


    Und ausserdem ist das schon viel zu viel Negatives für eine meiner besten Aufführungen in dieser Saison.


    Meine Aufführung war im übrigen - so weit ich sehen konnte - ausverkauft und es gab einen riesigen Beifalssturm am Ende. Henze, der wieder anwesend war, bekam "Standing Ovations".


    Ich kann mich also meinen Vorschreibern mit der Empfehlung, sich das Stück anzuschauen, nur anschließen. In der nächsten Spielzeit gibt es weitere Aufführungen, allerdings - wenn ich richtig gesehen habe - nicht mehr mit Shukoff. Volle und Schnaut sind allerdings weiterhin dabei.


    Viele Grüße,


    Melanie

  • Zitat

    Original von Mela
    In der nächsten Spielzeit gibt es weitere Aufführungen, allerdings - wenn ich richtig gesehen habe - nicht mehr mit Shukoff. Volle und Schnaut sind allerdings weiterhin dabei.


    Viele Grüße,


    Melanie


    Liebe Melanie,


    danke für Deinen interessanten Bericht. Freue mich für Dich, dass Du dabei sein durftest.


    War heute auch ganz entsetzt als ich sah, dass Schukoff in der nächsten Serie den Dionysos nicht mehr singt, denn als Parsifal fand ich ihn schon so großartig, aber leider hatte es terminlich bis jetzt noch nicht für die Bassariden gepasst. Wie schade, aber reingehen muss ich natürlich trotzdem.


    Sah gerade, wie vielseitig Schukoff eingesetzt ist. Im Februar singt er den Gabriel von Eisenstein, im April wieder den Parsifal und im Mai den Erik und Bryn Terfel den Holländer :jubel: Ich werde ihn also auf jeden Fall im nächsten Jahr auf der Bühne erleben.


    Liebe Grüße
    Ingrid

  • Zitat

    Original von Mela
    Meine Aufführung war im übrigen - so weit ich sehen konnte - ausverkauft und es gab einen riesigen Beifalssturm am Ende. Henze, der wieder anwesend war, bekam "Standing Ovations".


    Vielen Dank auch von mir, Melanie, für Deinen Bericht. Freut mich zu hören, dass diese musikalisch überragende und szenisch gute Produktion inzwischen ein echter Publikumsreißer ist (nachdem ich oben in Bezug auf die Publikumsresonanz noch etwas geunkt habe).



    Zitat

    Allerdings kann ich ein bisschen nachvollziehen, dass Henze das Intermezzo gestrichen hat. Es war zwar gut umgesetzt, aber so richtig schlüssig und zwingend scheint es mir nicht zu sein. Es war mir zu komisch und gab (meiner Meinung nach und das ist auch nur ein erster Eindruch) keinen willkommenen kontrast, sondern wirkte etwas albern und deplaziert. Aber ich kannte das Stück vorher nicht, da muss ich mit solchen Urteilen natürlich vorsichtig sein.


    Bezüglich des Intermezzos bin ich hin- und hergerissen. Eigentlich mag ich solche bewussten Stilbrüche und internen Spiegelungen in einem Werk sehr gern und die Regie hat das in München auch intelligent umgesetzt. Das Hauptproblem scheint mir die Musik des Intermezzos zu sein, die zwar einige hübsche serenadenhafte Klänge beinhaltet (die Gitarren und Mandolinen), aber nie zu einem prägnanten "komischen" Tonfall findet.



    Zitat

    Original von Mela
    In der nächsten Spielzeit gibt es weitere Aufführungen, allerdings - wenn ich richtig gesehen habe - nicht mehr mit Shukoff. Volle und Schnaut sind allerdings weiterhin dabei.


    Die Vorstellungen sind am 19., 22. und 25. Oktober diesen Jahres. Statt Shukoff singt dann Rainer Trost den Dionysos (sicher auch keine schlechte Wahl, wenngleich die Stimme eventuell etwas zu leicht für die Rolle ist). Sonst bleibt aber die Besetzung unverändert - Michael Volle als Pentheus ist die dominierende Figur der Produktion, da fände ich einen Wechsel schmerzlicher (das gilt auch für den großartigen Dirigenten Marc Albrecht).


    Hier kann man übrigens neben der Besetzung auch Fotos von der Inszenierung sehen und vor allem auch ein kurzes Video anschauen und -hören, das trotz einer etwas nervenden Clipästhetik einen guten Eindruck von der visuellen und akustischen Seite der Produktion vermittelt (nach unten scrollen).



    Viele Grüße


    Bernd