Mozart: Symphonie Nr. 23 D-Dur KV 181/162b – ein früher Vorgeschmack auf "Don Giovanni"?

  • Mozart: Symphonie Nr. 23 D-Dur KV 181/162b – ein früher Vorgeschmack auf "Don Giovanni"?

    Die am 19. Mai 1773 in Salzburg vollendete Symphonie Nr. 23 D-Dur KV 181/162b von Mozart ist ein Beispiel für den italienischen, ouvertürenartigen Typus, in welchem die Sätze nahtlos ineinander übergehen, ähnlich wie in der etwa zeitgleich entstandenen Symphonie Nr. 26 Es-Dur KV 184 und der auf 1779 datierten Symphonie Nr. 32 G-Dur KV 318. Der Autograph bezeichnet das Werk als Sinfonia.


    Die Besetzung sieht zwei Oboen, zwei Hörner in D, zwei Trompeten in D, zwei Violinen, zwei Bratschen, Cello und Kontrabass vor. Seinerzeit wurde zudem mit Fagott und Cembalo verstärkt. Die Hinzufügung von Pauken gilt in der Forschung wegen der Trompeten mittlerweile als obligatorisch. Die Aufführungsdauer beträgt lediglich zwischen 8 und 10 Minuten.


    Die Sätze sind wie folgt bezeichnet:


    I. Allegro spiritoso

    II. Andantino grazioso

    III. Presto assai


    Im Kopfsatz fühlt man sich zumindest in Aufnahmen mit Pauken bereits an das Hauptmotiv des Don Giovanni erinnert – der bekanntlich erst fast anderthalb Jahrzehnte später komponiert wurde. Diese Ähnlichkeit geht in älteren Aufnahmen ohne Pauken m. E. fast unter.


    Das Werk wurde, wie die meisten Symphonien vor Nr. 25, fast nur im Zuge von Gesamtaufnahmen eingespielt.


    Meine Empfehlung geht nach etlichem Vergleichshören sehr stark in Richtung Harnoncourt mit dem Concentus Musicus Wien (DHM). Alternativ Koopman mit dem Amsterdam Baroque Orchestra (Erato). Beide mit Pauken.


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    Hier der erste Satz in der Einspielung von Harnoncourt mit Pauken:



    Und hier in der Einspielung von Krips ohne Pauken:


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Hallo Joseph,


    Für mich gilt auch für die Sinfonie Nr. 23, KV 181 ähnliches wie schon für Nr. 25, KV 183 in meinem Beitrag dargelegt, d. h. auch hier ist das MAINZER KAMMERORCHESTER unter GÜNTER KEHR für mich neben ERICH LEINSDORF mit den LONDONER PHILHARMONIKERN - trotz mono - die Nr. 1. HARNONCOURT erwärmt trotz höchster Spielqualität einfach nicht. Für diese frühen Sinfonien à l'italienne muß m. E. die Musik leicht und spritzig klingen. Die Pauken mögen die Sinfonie interessanter machen und mehr an den Don Giovanni erinnern, doch ob dies für diese Sinfonie dann wirklich im Sinne von Mozart liegen würde, ist wohl kaum nachzuweisen, obwohl seit geraumer Zeit unter Berufung auf die Forschung nun Pauken eingesetzt werden. Viele berühmte MOZART-Dirigenten, eben wie KRIPS, spielen das Werk ohne Pauken, auch nicht das renommierte KÖLNER KAMMERORCHESTER unter MÜLLER-BRÜHL, und soweit ich weiß auch nicht KOOPMAN mit dem MOZARTEUM ORCHESTER SALZBURG, wohl aber mit dem AMSTERDAM BAROQUE ORCHESTRA. Auch LEINSDORF, der sich sehr mit MOZART beschäftigt hat, und in den frühen 50er Jahre alle MOZART-Sinfonien einspielte, läßt diese Sinfonie ohne Pauken spielen. Im übrigen zeigt LEINSDORF viel Sinn für den Fluß der Musik, dabei achtet er auf jedes Sechzehntel, und sein Spiel der schnellen Sätze ist in der Regel hochbrilliant. Er nimmt diese Sinfonie mit ca. 8:35 Minuten schneller als KEHR, der dafür 10:45 Minuten benötigt, doch beide finden meiner Meinung nach für diese frühe Sinfonie auf ihre Art den richtigen Ton. Aber an HARNONCOURT scheiden sich schon immer die Geister, wobei es viele Aufnahmen von ihm gibt, die ganz gewiß großartig sind.


    wok



  • Ich habe mir die Sinfonie Nr 23 - Unter Karl Böhm angehört - und sie hat mir auf Anhieb gefallen. Bohm interprietiert sie etwas milder, ausgewogener als das heute üblich ist und erzielt dadurch einen sehr klangschönen Eindruck der vielleicht von manchen als harmlos empfunden wird

    Leider gibt es hier keinen Clip davon im Internet,


    Quasi als Entschädigung eine völlig andere Deutung der Sinfonie Nr 23 durch Ton Koopman aus dem Jahre 2002

    Es spielt das Mozarteum Orchester Salzburg

    Interessant die Gestik des Dirigenten., die extrovertierte Attitüde und die rhythmische Betonung...



    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Die Pauken mögen die Sinfonie interessanter machen und mehr an den Don Giovanni erinnern, doch ob dies für diese Sinfonie dann wirklich im Sinne von Mozart liegen würde, ist wohl kaum nachzuweisen, obwohl seit geraumer Zeit unter Berufung auf die Forschung nun Pauken eingesetzt werden.

    Lieber wok,


    erst einmal danke für Deine kenntnisreichen Ergänzungen. Besonders für den Hinweis auf Günter Kehr danke ich, der offenbar sogar eine Beinahe-Gesamtaufnahme in Stereo vorgelegt hat (ist Dir bekannt, wann das eingespielt wurde?).

    Was nun die Pauken anbelangt, so konnte die Forschung offenbar bereits in den 70er Jahren nachweisen, dass in Symphonien mit Trompeten diese als obligatorisch vorausgesetzt werden können. George Szell spielte Nr. 28 schon 1965 mit Pauken ein, was zeigt, dass es schon davor eine Tendenz hierzu gab. Mir gefallen die traditionellen Interpretationen mit großem Orchester und eher gemessenen Tempi ja durchaus und ich fände einmal eine Lesart á la Böhm oder Krips mit Pauken spannend. Aber ob man das noch erleben wird? Es fehlt (mir) einfach etwas ohne.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Lieber wok,


    erst einmal danke für Deine kenntnisreichen Ergänzungen. Besonders für den Hinweis auf Günter Kehr danke ich, der offenbar sogar eine Beinahe-Gesamtaufnahme in Stereo vorgelegt hat (ist Dir bekannt, wann das eingespielt wurde?).

    Was nun die Pauken anbelangt, so konnte die Forschung offenbar bereits in den 70er Jahren nachweisen, dass in Symphonien mit Trompeten diese als obligatorisch vorausgesetzt werden können. George Szell spielte Nr. 28 schon 1965 mit Pauken ein, was zeigt, dass es schon davor eine Tendenz hierzu gab. Mir gefallen die traditionellen Interpretationen mit großem Orchester und eher gemessenen Tempi ja durchaus und ich fände einmal eine Lesart á la Böhm oder Krips mit Pauken spannend. Aber ob man das noch erleben wird? Es fehlt (mir) einfach etwas ohne.

    Lieber Josef,


    Soweit ich weiß hat GÜNTER KEHR sämtliche MOZART-Sinfonien 1970 bei VOX aufgenommen. Auch LEINSDORF hat wie gesagt alle MOZART-Sinfonien eingespielt.


    Gewiß zeichnete sich schon vor 1970 eine Tendenz zu der Verwendung von Pauken ab, doch scheint weder KEHR noch LEINSDORF davon überzeugt gewesen zu sein. Aber wollen wir uns an dieser interessanten frühen Sinfonie mit und ohne Pauken erfreuen, und noch wichtiger ist ja auch die eigentliche Interpretation dieser Sinfonie.


    Viele Grüße

    wok

  • Mein Favorit für diese Sinfonie ist die:

    Mozart: Five Early Symphonies, Nos. 19-22 by Charles Mackerras (1990-01-01)

    Sir Charles Mackerras und das Prager Kammerorchester (Aufnahme: 8/1989, Schloß Dobris, Prag).

    Die Anklänge an die DON GIOVANNI-Ouvertüre sind unüberhörbar.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).