Bildbetrachtung – Franz v. Stuck: Der Wächter des Paradieses


  • Franz v. Stuck: Der Wächter des Paradieses, 1889
    Öl auf Leinwand, 250,5 x 167,5 cm
    Museum Villa Stuck (Schenkung Ziersch), München
    (Inv. Nr. G 91 1-2)
    Provenienz: Privatbesitz Den Haag (Ostini) – Berlin, Galerie Dahlheim (Bierbaum 1924)


    Wer mich kennt, weiß, daß ich der "modernen Kunst" gegenüber sehr zurückhaltend bin. Daher beschäftigte ich mich auch bis vor kurzem auch nur mit den "alten Meistern". Im Zuge des Studiums kam ich aber auch in Bekanntschaft mit den Symbolisten, die mir unbewußt schon immer gefielen, und hier ist ganz besonders mein Landsmann Franz Ritter v. Stuck [1863–1928] zu nennen.


    Es gibt gewiß prominentere Bilder v. Stucks (insbes. natürlich "Die Sünde" von 1906), doch finde ich, gerade dieses relative Frühwerk (es entstand bereits 1889) hat etwas sehr Eindrückliches an sich. Sehr dem klassischen Schönheitsideal verpflichtet, geradezu antikisierend anmutend, so kommt es daher, und doch schon ins Fin de siècle gehörig.


    Das Bild gehört dem Themenkreis "Tugend und Sünde" an, der v. Stuck in dieser Zeit beschäftigte. Gegenüber der Tugend, verkörpert durch "Innocentia" (1889) steht "Die Sünde" (1906). Zu letzterer gesellen sich dann die weiteren Bilder "Vertreibung aus dem Paradies" (um 1890), eben "Der Wächter des Paradieses" (1889), der auch in "Das verlorene Paradies" (um 1890) eine bedeutende Rolle spielt, indem er Adam und Eva den Zugang zu selbigen versperrt. Später kehrt er als "Engel des Gerichts" (um 1922 – in damals natürlich bereits total veraltetem Stil) wieder. Der gefallene "Lucifer" (1890) ist geradezu der Widerpart hierzu.



    Franz v. Stuck: Das verlorene Paradies, um 1890
    Öl auf Leinwand, 115,5 x 70,5 cm
    bezeichnet re. u.: FRANZ/STUCK
    Privatbesitz



    Franz v. Stuck: Der Engel des Gerichts, um 1922
    Öl auf Holz, 107,5 x 117,5 cm
    bezeichnet re. u.: FRANZ/VON/STUCK
    Münchner Künstlerhaus am Lenbachplatz, Dauerleihgabe aus Privatbesitz



    Franz v. Stuck: Lucifer, 1890
    Öl auf Leinwand, 161 x 152,5 cm
    bezeichnet re. u.: FRANZ STUCK/MÜNCHEN
    National Gallery for Foreign Art, Sofia
    Provenienz: Besitz des Königs von Belgien (Bierbaum 1924), 1891 erworben


    Lit.: BRANDLHUBER, Margot Th., und BUHRS, Michael: Franz von Stuck. Meisterwerke der Malerei, München 2008, S. 14 ff., S. 237.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Spät aber doch habe ich diesen Thread entdeckt. Während ich noch nach einem neuen Thema über unser Sorgenkind "bildende Künste" bei Tamino Ausschau hilet, und mir ernsthaft die Frage stellete ob denn dieser Berich wirklich auf Interesse stösst, habe ich diesen Beitrag übersehen.
    In der Tat bin auch ich eher mit den Niederländern des 17. Jahrhunderts vertraut als mit den Symbolisten.
    Dennoch - Stucks "Wächter des Paradieses" beeindruckt mich.Daszu ist zu sagen, daß diese Art von Gemälde sich jeglicher Reproduktion widersetzt, das Flirren der Farben ist einfach nicht einzufangen, man muß das Original gesehen haben, das gilt für viele Bilder dieser Zeit.


    Der "Wächter des Paradieses" ost keineswegs ein unbedeutendes Werk Stucks, es wurde 1889 bei der jährlichen Ausstellung im Glaspalast mit der Goldmedaille ausgezeichnet und mit einem Preisgeld von 60.000 Mark (!!) ausgezeichnet


    Zum Werk selbst.
    Ich habe es auf mich einwirken lassen und erst NACHHER ein wenig über den Maler und seinen Stil nachgelesen.
    Ich fand, dieser geflügelte Jüngling mit dem eigenartig flammenden Schwert, das aus sich heraus zu strahlen scheint ist nicht wirklich ein Engel. Seine Miene schwankt zwischen Unschuld, Entschlossenheit und Verlockung, die Pose ist gekonnt eingesetzt und doch aufgesetzt. Was hier unter Paradies verstanden werden soll, das ist meiner Meinung nach so durchsichtig (und so undurchsichtig) wie die Unhüllung dieser sogar clicheehaft mit einem Heiligenschein ausgestatteten Gestalt.
    Dennoch - das Bild verfehlt seine Wirkung auf den Betrachter nicht - ja ich wage zu behaupten, daß seine Wirkung erst durch den Betrachter und seine Deutung zur Vollendung kommt, wobei jeder Betrachter etwas anderes hineindeuten mag.


    Wie ist das nun ?
    Was interpretiere ich nun in das Bild hinein ?
    Erotik ?
    Man wird mich auslachen, wenn ich sage, daß hier erotische Signale ausgesandt werden !! - also sage ich es besser nicht.


    Dann lese ich bei WIKIPEDIA nach und finde folgenden Satz:


    Viele seiner oft großformatigen Werke zeichnet eine lasziv-erotische Atmosphäre aus.


    VOLLTREFFER !!


    mfg aus Wien


    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Hallo Joseph II


    ich finde Deine Idee gut und danke Dir für Deine kundige kunstgeschichtliche Eiführung. Da ich diesen Maler bisher überhaupt noch nicht kannte, habe ich mich bei Wikipedia umfassend informiert.


    Ich nehme an, dass Du diesen Maler gewählt hast, weil er Deiner geografischen Region zugehörig ist. Das Thema Malerei und Musik ließe sich gewaltig ausweiten, wenn man die Vukalmusik und die Symphonische Programmmusik zu Themenkreisen bündelt und diese mit berühmten Gemälden illustriert.


    Man kann sich zum Bespiel das Thema 'Romeo und Julia' wählen und die Bilder und Kupferstiche aussuchen. die zum Thema passen.



    LG.
    :angel:
    Engelbert

  • Lieber Alfred, lieber Engelbert,


    vielen Dank für die ersten Reaktionen!


    Zunächst: Ich denke, daß nach wie vor Interesse besteht an einer Auseinandersetzung mit der Malerei und den bildenden Künsten bei Tamino. Sicherlich ist dies vorrangig ein Forum für klassische Musik, doch sind nicht wenige Klassikliebhaber auch Kunstliebhaber.


    Ich wählte v. Stuck keineswegs, weil er auch Bayer ist (;)), sondern weil er "die wohl vollendetste und zugleich erschreckendste Persönlichkeit des Symbolismus" darstellt, wie einer meiner Professoren halb bewundernd, halb abwertend einmal meinte. Daß v. Stuck heute nicht mehr so bekannt ist wie etwa der zeitgleiche Klimt, liegt vielleicht darin begründet, daß der Laie aus dem Stegreif nur "Die Sünde" kennen dürfte, während Klimt ja auch ständig in den Medien präsent ist ("Bildnis der Adele Bloch-Bauer" teuerstes Gemälde aller Zeiten).



    Franz v. Stuck: Die Sünde, 1893
    Öl auf Leinwand, 95,5 x 124,5 cm
    bezeichnet re. o.: FRANZ/STUCK
    Neue Pinakothek, München


    Alfreds Interpretation finde ich interessant. Vielleicht kann man im "Wächter des Paradieses" ja sogar eine männliche Variante der verlockenden "Sünde" hineininterpretieren (wobei ich auch "Die Sünde" als recht androgyn empfinde). Unterschwellige Erotik finden wir in vielen Bilden v. Stucks wieder, selbst im "Lucifer", dem Antipart zum Engel, der vielleicht gar keiner ist ...


    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Das unterschwellig Erotische, oft auch Androgyne, vermischt mit dem Mythischen und Dekorativen, ist ja nun auch stilbildendes Element des Symbolismus in der Kunst und auch in der Literatur, man denke nur an Rilke und einige frühe Erzählungen Th. Manns, an den George-Kreis usw.


    tukan