ZitatOriginal von Melot1967
Heute gelesen in orf.at:
Wenn ich mir diese Erklärung so durchlese, dann hört sich das für mich mehr nach Kindergarten als nach Trauerfeier an. Ich muss sagen von diesem Verhalten bin ich echt enttäuscht.
ZitatOriginal von Melot1967
Heute gelesen in orf.at:
Wenn ich mir diese Erklärung so durchlese, dann hört sich das für mich mehr nach Kindergarten als nach Trauerfeier an. Ich muss sagen von diesem Verhalten bin ich echt enttäuscht.
Wir durchschauen die wirklichen Zusammenhänge der unendlichen Querelen in der Familie Wagner kaum. Ich behaupte gewagt,der Kampfgeist liegt in den Genen aller Nachkommen des Meisters.
Ich meine aber, dass es der Respekt vor dem Verstorbenen und seinen nicht zu leugnenden großen Verdienste erfordert, dass wir uns nicht an einer solchen Diskussion, die auch in politische Dimensionen hineingeraten könnte, hineinziehen lassen sollten.
Außerdem wurde Wolfgang Wagner in den Anfangsjahren von Neubayreuth auch stark unter Druck gesetzt und in seinem Wirken eingeengt. Er sollte zum Beispiel nie inszenieren, wurde sogar mit Erfolg als zweitklassik degradiert, wurde ins Gärtnerhaus verbannt und mußte bei seiner Ring-Iszenierung 1960 Schikannen, wie eine fast nicht zumutbare Kürzung seiner Probenzeiten hinnehmen. Einen Teil dieser Vorfälle erlebte ich mit, weil ich damals längere Zeit in Bayreuth war und auch eine Reihe von Proben besuchte. Es war meine erste Rezension die ich über Festspielaufführungen schreiben durfte. Ein junger "Spund" mit so einer Chance der Bewährung bereitete sich zumindest in der damaligen Zeit sehr gründlich vor.
Herzlichst
Operus
Das, lieber operus, überlegen Sie sich nochmal - rate ich.
Ich müsste Sie sonst sehr nachdrücklich bitten, sich mit der Geschichte der Bayreuther Festspiele, Abteilung Neubeginn 1951 ff., näher zu befassen. Was Sie da kolportieren, wird durch die Fakten in nichts gestützt. Von "Kampfgeist" kann ohnedies kaum die Rede sein, wo Intrige und Kleinlichkeit dominieren.
Vielmehr gab es einen Dissenz aus politischen Gründen: Wieland brach rigoros mit der Verstrickung der Mutter Winifred in Naziparteistaat und Hitlerei, suchte den nicht nur gesellschaftlichen, sondern vor allem geistigen Neubeginn in Form neuer Kooperationen, Interpretationen, Denkmodelle, Visionen (dabei zunächst noch keineswegs die dirigierende Klasse einbeziehend, dies erst ab Mitte der 1950er mit Boulez , Sawallisch, Maazel, Schippers, Leinsdorf). Wolfgang hingegen blieb mit dem Muttertier verbunden, in die unguten Verbindungen real wie geistig wie atmosphärisch eingebettet, distanzierte sich nie.
Sodann: Als der unbestritten organisatorisch-ökonomisch Begabtere übernahm WoWa von Anbeginn den administrativen Teil. Die künstlerische Leitung hatten beide paritätisch vereinbart und auch ausgeübt - auf jede Wieland-Inszenierung folgte eine von Wolfgang, in stetem Wechsel bis zu Wielands Tod. Nur der RING und der "Parsifal" liefen in Wielands Inszenierungen zunächst über mehrere Jahre, allerdings um dann durch ebenfalls mehrjährig laufende Deutungen Wolfgangs abgelöst zu werden. Das ist Geschichte. Sie brauchen sich bloß die Statistik der Festspiele seit 1951 anzuschauen.
Entscheidend war: Die weltweite Kritik setzte sich, ob ablehnend oder zustimmend, stets tiefer, fundamentaler, anspruchsvoller mit dem Schaffen Wielands auseinander, behandelte Wolfgangs Hervorbringungen vom ersten "Lohengrin" an als mittelmäßig, nichtssagend, langweilig, eklektisch, sogar vergeblich nachschaffend = kopierend, qualifizierte ihn als nur bemüht gegenüber dem genialischen Bruder ab. Das kann man auch heute noch in Hunderten von Texten nachlesen. Von einer Zurücksetzung oder Einengung im eigenen Betrieb kann also gar keine Rede sein. Was er galt, schuf er sich selbst. (Niemals aber hat ihn jemand ob seiner Administrations- wie auch Kapitalbeschaffungskünste nicht hochgelobt.)
Wie sich das psychisch im Wolfgang-Haushalt auswirkte/ausdrückte, das kann man in Gottfried Wagners Buch "Wer nicht mit dem Wolf heult" detailliert erfahren: Eifersucht, Neid, Hass, kleinlichste Affektgeladenheit und reaktionäre Gesinnungsäußerungen inkl. Vergangenheitsverleugnung des Unterlegenen - und das tobte sich dann ein halbes Jahrhundert lang mit kulturellen Folgen aus. Eben das beklage ich ja in meinen Äußerungen zu WoWa und zur m.E. peinlich-verfehlten Lobpreisung seiner Spuren in der Kulturhistorie. Das die wenigen veröffentlichten kritischen Einschätzungen zur WoWa-Ära aber zutreffen, das ergibt sich nicht nur aus dem rückblickenden Vergleich (soweit das Ausgrenzungswüten des dann alleinherrschenden WoWa einen solchen überhaupt noch ermöglicht), sondern auch aus dem Wechsel des Personals, der Partnerschaften, der intellektuellen Orientierungen: Von Adorno-Bloch-Reich-Newman-Habermas-Wapnewski u.a. zu Göring/Hess-Sippschaften, Schwarzgelb, CSU-Staat plus Medien-Gigi mit Gloria T+T, T.Gottschalk etc. Anders gesagt: Als Herr über alles erst zeigte der angeblich so Eingeengte, wer er war und was er vermochte - wie wir jetzt erleben müssen, übers Grab hinaus und in Nach-Verkörperung, Schlimmes befürchten lassend, in seinen nachgeborenen Protektionskindern, etabliert-staatsverbunden, Arm in Arm mit rechter Politik, kapitaler Geldmacht und inferiorer Medienerbärmlichkeit.
Und Ihr "Ich behaupte ..." (joi, joi, joi!) über familiäre " G e n e aller Nachkommen", das meinen Sie wohl nicht wirklich ernst. Sie wollen doch in diesem Forum weiterhin ernstgenommen werden - oder?
Grüße, KUS
Lieber Kus,
da ich Dich und Deine Kompetenz schätze und glaube, dass in dieser Frage unsere Meinungen zu weit auseinanderliegen, bitte ich zu akzeptieren, dass ich nur in einigen Punkten Stellung nehme.
Ich schätze selbstverständlich Wieland Wagner und sein künstlerisches Schaffen seinem Rang und seiner Bedeutung nach entsprechend hoch ein. Ich argumentiere nur dagegen, wenn der Bruder zu stark angegriffen wird. Ein Grundsatz von mir ist, hier im Tamino-Forum so wenig wie möglich politische Diskussionen zu führen. Ich setze mich mit Freude über Komponisten, Werke, Interpretationen,Sänger, Instrumentalisten usw auseinander. Gerne erkenne ich auch ausgezeichnete Leistungen, wie z. B Deine Dokumentationen über Marcel Cordes und Otto von Rohr an, weil uns diese fachlichen Betrachtungen einfach weiterbringen.
Natürlich kenne ich eine ganze Reihe der Bücher aus der Wagner-Literatur und auch das Buch von Gottfried Wagner. Zitieren sollte man dann aber fairer Weise ebenfalls Wolfgang Wagners Buch "Die Lebensakte." In diesem Werk wird manche Legende richtig gestellt und widersprechende Aussagen dokumentarisch belegt. Aber ich will in dieser Thematik keinen neuen Diskussionsstoff liefern. Ich freue mich, wenn ich auch in Zukunft - durchaus auch kontrovers - fachlich mit Dir und anderen Taminos diskutieren kann.
Halt - da war ja noch der Punkt mit den Genen! Du bist ja gewohnt, differenzierend zu lesen, dann hast du sicherlich bemerkt , dass ich ganz bewußt ".... ich behaupte gewagt ..." formulierte. Auch auf die Gefahr hin, nicht in allem ganz ernstgenommen zu werden - ich tue dies nämlich selbst nicht - riskiere ich nochmals die Aussage: Auseinandersetzungen sind in den Familien Wagner offensichtlich programmiert.
Und nun "O Freunde , nicht diese Töne!
sondern laßt uns angenehmere anstimmen und freudenvollere.
Herzlichst
Operus
Gut, gern. Bin ja - rufwidrig - ein Versöhnler.
Sein wir also lieb zueinander. Bloß mit dem grauenvollen Geschwätzbuch des WoWa, voller Gerüchte, längst widerlegter Verdrehungen, Gedächtnislücken, leider auch Lügen, darfst Du mir nun gerade nicht kommen. Dialektisch beweist es nur zu gründlich, was es bestreiten oder nivellieren möchte. Es stammt eben nicht von einem Geistesriesen. Und genau das - neben den von mir so gesehenen charakterlichen Defiziten - versuche ich ja darzulegen.
Freilich: Irgendwann ist auch dieses Thema historisiert, und von WoWas Taten wird man nichts mehr wissen, wenn man sich Wielands als Maßstab erinnern und bedienen wird. Bald also wird es - leider nicht weniger unerfreulich - um das Wirken der Nachfolge-Schwestern und ihrer Umfelder gehen. Ich freue mich nicht darauf. Doch wat mut dat mut.
Amicitia! Gruß, KUS
Heute jährt sich der Todestag von Wolfgang Wagner bereits zum zweiten Male. In Bayreuth ist seither nichts besser, eher noch viel schlimmer geworden. Die Kritiker, die man in seinen letzten Amtsjahren oftmals hörte, sind mittlerweile wohl ruhiger geworden angesichts der Tatsache, daß es seither nur noch weiter bergab geht mit den Festspielen. Im Gegensatz zu seinen Nachfolgerinnen konnte Wolfgang Wagner noch inszenieren im Geiste Richard Wagners, so daß man die jeweiligen Werke problemlos und ohne grobe Verzerrungen und Entstellungen sofort identifizieren konnte. Gerade seine frühen Inszenierungen aus den 50er und 60er Jahren bewiesen, daß er durchaus Talent besaß, und noch seine letzte Inszenierung von 1996 wurde bei der Premiere unter Jubel und Bravo-Rufen aufgenommen. Wann hat man dergleichen zuletzt in Bayreuth erlebt? Gewiß, er traf im Alter manchmal fragwürdige Entscheidungen, überwarf sich mit verdienten Sängern und Dirigenten. Vielleicht hätte er fünf bis zehn Jahre früher gehen sollen. Seine Frau Gudrun als etwaige Nachfolgerin hätte vermutlich derlei Auswüchse, wie sie seit seinem Rücktritt zunehmen, verhindert; ihr früher Tod zerschlug diese Option. Selbst seine Gegner müssen heute zugeben: Wolfgang Wagner hat eine Leerstelle hinterlassen, er fehlt.
Lieber Joseph II.,
für diesen Beitrag, die Richtigstellungen und die Würdigung von Wolfgagn Wagner bin ich dankbar. Nur er hätte diese Ehrenrettung gar nicht gebraucht, denn er war neben seinem genialen Bruder Wieland ein bedeutender Regisseur, der eine ganze Reihe herausragender , ja unvergessener Inszenierungen geschaffen hat..
Wie sehr er neben seinen künstlerische Leistungen als Organisator, Steuermann, Opernmanager und Garant des Fortbestehens der Bayreuther Festspiele fehlt, wird jeden Tag deutlicher und schmerzlicher bewußt.
Herzlichst
Operus
Lieber Operus,
du als Zeitzeuge konntest noch etliche Inszenierungen von ihm hautnah erleben (ich habe lediglich seinen "Fliegenden Holländer", der bis vor einigen Jahren noch in der Semperoper lief, gesehen). Bereits an anderer Stelle hast du — nicht selten gegen erheblichen Widerstand — versucht, den jüngeren Bruder positiv zu würdigen. Ich habe ihn niemals selbst erlebt, geschweige denn kennengelernt. Es bleiben einzig die auf Video festgehaltenen Inszenierungen, immerhin ein paar. Bedauerlicherweise wurden gerade seine künstlerisch wohl bedeutendsten Schöpfungen, der "Tristan" Ende der 50er, der "Ring" Anfang der 60er sowie der "Lohengrin" Ende der 60er, der Nachwelt nicht erhalten. Man kennt Wolfgang Wagner heute am ehesten durch seine beiden "Meistersinger" aus den 80ern und 90ern sowie durch den "Parsifal", der zwischen 1989 und 2001 lief. Verglichen mit Wielands Inszenierungen, vermutlich auch mit seinen eigenen früheren, sind diese ziemlich konventionell und ohne große Experimente. Kritiker würden es bieder nennen.
Überhaupt geht es in der Diskussion doch fast ausschließlich um die ganz späten Jahre. Dabei wird oft der Gesamtüberblick verloren. Immerhin hat Wolfgang Wagner Bayreuth nach 1966 durch alle Stürme und Untiefen geführt. Über vier Jahrzehnte lang! Akustisch kann man durchaus nachvollziehen, daß zumindest die ersten anderhalb Jahrzehnte keine Vergleiche zu scheuen brauchen. Daß das allgemeine Niveau im Wagnergesang nach 1980 abnahm, ist nicht seine Schuld. Überhaupt sind Wolfgang Wagner auch danach noch durchaus gelungene Besetzungscoups geglückt, man denke an das Engagement von Domingo zwischen 1992 und 2000, an Seiffert zwischen 1996 und 2005, an Renée Fleming 1996, auch an solch solide und bewährten Sänger wie Sotin und Weikl, die bis Ende der 90er das Niveau hochhielten. Mit James Levine gelang es ihm 1982, einen der Spitzenvertreter der neueren Wagner-Dirigenten-Generation für Bayreuth zu gewinnen [bis 1998]; selbiges gilt für Barenboim, der zwischen 1981 und 1999 in Bayreuth vertreten war. Selbst das Kunststück, Sir Georg Solti nach Bayreuth zu locken, gelang ihm 1983, wie auch Boulez' spektakuläre Rückkehr 2004.
Wolfgang Wagner hat revolutionäre Inszenierungen wie Friedrichs "Tannhäuser" 1972, Chereaus "Ring" 1976, Kupfers "Ring" von 1988 oder gar Schlingensiefs "Parsifal" von 2004 trotz eigener anderer, eher konservativer Grundüberzeugung unterstützt und ermöglicht. Ferner stand er angefeindeten Sängern wie Peter Hofmann oder Siegfried Jerusalem bei.
Er muß eine sehr volkstümliche, urfränkische Erscheinung gewesen sein, die sich in der Bevölkerung hoher Beliebtheit erfreute. Mit ihm starb die letzte Verbindung zum Bayreuth der Goldenen Ära. Die nachfolgende, nunmehrige Festspielleitung hat gar keine persönlichen Bezugspunkte mehr zu den Größen des Wagnergesangs und des Wagnerdirigats der Glanzzeiten. Leute wie Knappertsbusch, Keilberth und Böhm, wie Windgassen, Greindl und Varnay sind bloße Namen ohne irgendeine persönliche Erfahrung mit denselben. Da ist eine ganze Tradition zu Ende gegangen.
Nein, ich denke, man muß Wolfgang Wagner wirklich gesamtheitlich betrachten und muß wirklich auch seine Verdienste berücksichtigen.
Sorry lieber Operus, lieber Joseph,
Aber da muss ich ganz energisch widersprechen.
Ich masse mir nich an Wolfgang Wagners Inszenierungen zu beurteilen, da ich sie im Gegensatz zu denjenigen Wielands nicht live erlebt habe, aber seine Meistersinger, sein Parsifal und erst recht sein Tannhäuser auf DVD sind für mich im Vergleich mit den Inszenierungen seines Bruders schlichtweg langweilig und von den Sängern her zum grossen Teil (Versalle, Hofmann, Jerusalem) indiskutabel.
Viel zentraler aber scheint mir die Frage, wem wir die momentane Bayreuther-Katastrophe denn eigentilch zu verdanken haben. Wolfgang war es doch, der die Regietheater-Fanatikerin Katharina aus persönlichen Ressentiments gegenüber den Leistungen seines Bruders um jeden Preis intronisieren wollte, Wolfgang war es, der sich Katharina nicht widersetzen konnte, als sie Schlingensief nach Bayreuth holte usw., usw.
Pardon, aber wir ernten in Bayreuth heute, was Wolfgang aus Familienstolz gesät hat, und leiden darunter. Also bitte keine Verklärung!
MfG
Lieber m. joho,
Nein, keine Verklärung. Aber gerechte Anerkennung und Würdigung eines langen, erfolgreichen Künstlerschaffens im Dienste Richard Wagners und der Bayreuther Festspiele.
Es wird sich noch herausstellen, ob das Durchsetzen der Erbfolge im von WOWA gewünschten Sinn eine glückliche Entscheidung war. Bis jetzt sieht es nicht danach aus. Nach einem solchen Patriarchen die Führung zu übernehmen ist auch eine kaum lösbare Herkulesaufgabe. Was der alte, oft verkannte Stratege mit der Besetzung der Festspielleitung mit seinen Töchtern aber schaffte ist eine taktische Meisterleistung. Und wer will ihm wirklich verdenken, dass er so gehandelt hat und dadurch den Einfluss seiner Sippe auch über den Tod hinaus gesichert hat?
Bei der Beurteilung des Regisseurs WOWA liegen wir auseinander. Das ist legitim, gut und sogar befruchtend. Zumindest der Ring 1960 - 64 und die ewig laufenden Meistersinger waren gerade durch ihre bewußt traditionelle Gestaltung Glanzleistungen. Ich weiß, wovon ich spreche, weil ich damals über beide Produktionen berichtet habe und mich im Vorfeld gründlich und auch kritisch vergleichend mit dem Wagner-Angebot der damaligen Zeit auseinandersetzte.
Herzlichst
Operus