Katalanische Komponisten des 20. Jahrhunderts

  • Teil 1: Federico Mompou und Manuel Blancafort



    Hallo,
    ich möchte hier einen Sammelthread zu katalanischen Komponisten des 20. Jahrhunderts eröffnen. Es wurden bereits zwei Komponisten, nämlich Federico Mompou und sein Lehrer, Ricard de La Monte Grignon, vorgestellt. F. Mompou ist einer der bekanntesten Repräsentanten dieser Region. Geben wir ihm selbst das Wort (ich übersetze aus dem Englischen):
    “Mein einziges Anliegen ist, gute Musik zu schreiben, an der nichts fehlt und nichts überflüssig ist. Ich denke, dass man sich auf das Wesentliche konzentrieren muss und sich nicht in sekundären Ideen verlieren. So bin ich unfähig, meine Spontaneität auf Theorien zu lenken, mit denen ich mich nicht identifiziere, und ich empfinde es als eine grosse Ungerechtigkeit, wenn Konservatorien Preise an steife pedantische Werke vergeben, die fern einer wirklichen Vollendung sind, und anderseits einem Blatt einfach guter Musik keinerlei Beachtung schenken.”
    Hier haben wir “einfach gute Musik”, Mompous Gesamtwerk für Klavier, von ihm selbst gespielt:


    Ich habe die Erfahrung gemacht, dass noch viel mehr “einfach gute” Musik in Katalonien geschrieben wurde und geschrieben wird, die ganz im Geiste Mompous nicht Moden hinterherhascht, aber erfreuliche Entdeckungen beschehrt.
    Darum möchte ich mit Manuel Blancafort beginnen.
    Manuel Blancafort (1897-1987, aus La Garriga, einer Kleinstadt nördlich Barcelonas) und Mompou (1893-1987) lernten sich 1914 kennen und blieben ihr Leben lang Freunde. Mompou, dessen musikalisches Talent bereits gefestigt war, ermutigte Blancafort zur Musik. Sie hatten ein gemeinsames “Heiligtum”, die “Ermita” (Einsiedelei), ein kleines Häuschen zwischen zwei sturmgebeugten Zypressen, wo sie sich regelmässig trafen und musizierten. Es ist bis heute als Zeichnung auf den Partituren beider abgebildet.

    Ich habe neulich das Klavierwerk von Manuel Blancafort entdeckt. Für mein Empfinden ist es dem Mompous bis zum Verwechseln ähnlich. Beide evozieren die Stimmung eines milden, sonnigen Tages, eines Gartens und klarer würziger Luft, sie strahlen Gelassenheit und Heiterkeit aus, in vielen Nuancen. Darum mag ich sie.
    “Wir gehören zu denen in Katalonien, die sich Paris verbundener fühlen als Berlin. Natürlich geht es nicht darum, unsere Musik zu französisieren, -doch wenn die Musik sich von Berlin nach Paris begibt, ist sie – so glaube ich – bereits auf dem richtigen Weg nach Katalonien, wo sie verweilen sollte...”. Diese Aussage Blancaforts, aus dem Beiheft wiedergegeben, erlaubt sowohl eine gewisse Verortung, was klanglich zu erwarten ist (die 2. Wiener Schule mochten beide überhaupt nicht), und der sonderbare Zusatz über den Weg der Musik soll jetzt auch weitere theoretische und geschichtliche Betrachtungen abschliessen. Damit nicht der Eindruck entsteht, dass Manuel Blancafort zu wirrer Rede neigt, zuletzt sein Wort: “Musik ist etwas, das stabil ist.”
    Ich hatte ein 3-CD-Set habe ich der Bibliothek ausgeliehen. Wenn ich von Blancafort mir selber etwas zulegen wöllte, wäre ich auch mit einer Auswahl auf einer CD zufrieden, z.B.

    Viele Grüsse
    Julius

    Julius

  • @ Julius


    Zu nennen wären auch zwei katalanische Opernkomponisten der Gegenwart: Xavier Montsalvagne und Leonardo Balada.




    Ferran Sor, Vincenc Cuyas und Emilio Arrieta sind schon etwas älteren Datums, haben die Welt aber auch mit hörenswerten Opern beglückt.





    Ich denke, Du kommst selbst darauf zu sprechen. Eine Beschreibung der letztgenannten Oper findest Du im TAMINO-Opernführer.


    Baskische Opern gibt es auch.


    Mit freundlichen Grüßen
    :angel:
    Engelbert


  • "In dieser Welt eines derart aggressiv beschleunigten Zeiitempfindens ist es unheimlich schwierig, die Musik Mompous zu hören. Darum mußte ich diese CD einfach machen, und ich hoffe, dazu beitragen zu können, dass viele Musiker diese geniale Musik entdecken und spielen werden, die Partituren kaufen, gerade hier in Deutschland, wo Mompou nicht sonderlich bekannt ist. Das ist mein Plan."


    Man kann sich nur wünschen, daß dieser "Plan" von Arcadi Volodos aufgeht! Diese CD ist schlicht eine Großtat, wirklich preiswürdig! Mompou, der Miniaturist, der in der katalanischen Tradition steht, einen beseelten und verinnerlichten Impressionismus komponiert, Musik "ohne Sauce", mit klarer Zeichnung und einer Musiksprache, mit leiser Melancholie aber ohne Sentimentalität, die Zeit in Zeitlosigkeit aufhebt, ein klangliches Moment-Bild, das zum Spiegel komplexer seelischer Zustände wird, die sich als Spiegelungen des Momentan-Einfachen verdichten.


    Es lohnt sich, Volodos´ Interpretation mit der von Mompou selbst und denen von Alicia de Larrocha zu vergleichen. Mompou selbst wählt durchweg zügigere Tempi, während Volodos der Musik Zeit zum Ausklingen läßt - der Ton, der sich immer wieder in die Stille verflüchtigt. Beispielhaft zeigt dies Musica Calada ("Musik der Stille") XXV. Während Mompou und Larrocha in rhetorischen Phrasen und Bögen gestalten, arbeitet Volodos mit Spiegelungen im Raum: Musik, die sich immer wieder im Echo ihrer selbst bricht, in die Stille ihres eigenen Hintergrundes einrückt. Einfach grandios! Hier spürt man die Nähe zu Anton Webern - Musik als Wechselspiel von Ton und Stille. In "Le lac" (Der See) aus dem "Landschaften" löst sich bei Volodos die Musik auf in das Elementare ds Naturlauts - die reine Tonschwingung: der Triller läßt eine Vibration entstehen, das reine Tonerlebnis wird zum Ereignis - wie man es sonst in Stockhausens Klaviertstücken erleben kann. Mompous Interpretation geht so weit nicht - er läßt den Tönen hier keine Zeit zum Ausschwingen.


    Alicia de Larrocha wies auf die äußerst sparsame Notierung Mompous hin und darauf, daß sie dem Interpreten viel Freiraum lassen, er sich also durchaus nicht an Mompous eigenen Aufnahmen orientieren muß.


    Schön nachvollziehen kann man dies hier (youtube-Video der Impresiones intimas, wo man das Notenbild mit verfolgen kann):


    http://www.youtube.com/watch?v=ZAgdW8TxKhA


    Die Aufnahmetechnik ist exzellent - die Tontechnik in den Teldec-Studios in Berlin ist derzeit wohl das "Maß aller Dinge".


    Die Platte ist jedenfalls ein "Muß" für jeden Liebhaber von Klaviermusik!


    Schöne Grüße
    Holger


  • Ricard Lamonte de Grignon


    Hallo,


    das Konzert für Klavier und Orchester ist betitelt „Triptico de la piel de toro“. (Unterstreichung von mir*)


    Ohne das beweisen zu können, lediglich aus der Tatsache, dass der Komponist Katalane war (und aus der Charakteristik der Musik), nehme ich an, dass diese Musik in ideellem Zusammenhang steht mit folgendem Gedicht:


    „Die Stierhaut*
    XLVI
    Manchmal ist es nötig und unvermeidlich,
    daß einer stirbt für ein Volk,
    doch niemals darf ein ganzes Volk sterben
    für einen einzelnen
    – merke dir das für immer, Sepharad.
    Sorge, daß fest gebaut sind die Brücken des Gesprächs,
    und trachte zu begreifen und zu lieben
    die verschiedenen Denkweisen und Sprachen deiner Kinder.
    Damit der Regen langsam, linde auf die Saat falle
    und die Luft gleich einer ausgestreckten Hand
    sanft und voll Güte über die weiten Felder streiche.
    Damit Sepharad ewig lebe
    in der Ordnung, im Frieden, in der Arbeit,
    in der schwierigen und verdienten
    Freiheit.“
    (Salvador Espriu, Katalanischer Dichter)


    Viele Grüße
    zweiterbass


    Nachsatz: Wer hier über bessere, detailreichere Kenntnisse verfügt, den bitte ich höflich, dies zu posten.

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Zu Espriu findet sich eine kurze Überlegung im neuen Blancafort-thread.




    Interessant, dass sich der Klavierguru der Moderne dieser angeblich konservativen Musik angenommen hat. Schleiermachers Interpretation steht dem Pianisten Mompou näher als Volodos, tatsächlich macht er die Stille in und zwischen der Musik noch hörbarer.



    In den Herkunftsländern seiner Vorfahren scheint Robert Gerhard nie den angemessenen Bekanntheitsgrad erreicht zu haben, anders als in seiner Exilheimat Großbritannien. Sein Studium bei Granados in Barcelona und bei Schönberg in Berlin verweist bereits auf die Bandbreite der späteren Werke. Ein "international" ausgerichteter katalanischer Komponist im 20. Jahrhundert, hier mit relativ einfach zugänglichen Werken. Das "Konzert für Orchester" könnte augenzwinkernd unter dem Motto "Bartok goes Varese" stehen.



    Ich kann nicht umhin, in diesen bislang offenbar einzigen "Katalanen-thread" Werke des 17. Jahrhunderts einzuschmuggeln, immerhin von einem der bemerkenswertesten Komponisten in der Geschichte des damals zumindest offiziell noch bestehenden Königreichs Aragon. Joan Cereoles zwölfstimmiger Missa de batalla folgt hier ganz adäquat eine seiner beiden Missae pro defunctis.
    Eine treffliche Jubiläumseinspielung der Capella Reial de Catalunya.

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  • Hallo,


    hier noch 3 YouTube-Links zu Werken von Joan Cererols'


    https://www.youtube.com/watch?…9izp2vLPytq9mJBqr&index=2
    Als Freund für Lauten (auch Barock-), Theorben usw. ist diese Musik für mich zusätzlich besonders hörenswert.


    https://www.youtube.com/watch?…9izp2vLPytq9mJBqr&index=3
    Hier ist der Text zum Video sehr lesenswert.


    https://www.youtube.com/watch?…izp2vLPytq9mJBqr&index=27
    Kloster Montserrat - nahe von Barcelona - eine einmalige Lage (mit der Seilbahn aufzufahren) - ein Kontrast das Bild der Chorknaben - deren Soprane!


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler