Ich habe genug - Betrachtungen eines Sammlers

  • Ich möchte noch ein wenig nachlegen. Wer je in einem französischen Supermarkt die 200m lange "Theke" mit Milch- und Käseprodukten gesehen hat, weiß, was in der Soziologie "Optionsstress" bedeutet. Umberto Eco schrieb einmal, dass er etwas über Julius Cäsar lesen wollte. Er fand statt dreier Werke 10.000. Da gab er es auf.

    Frei nach Luhmann ist eigentlich für gebildete Leute (also wir:pfeif:) das Gebot der Stunde, das er "Reduktion von Komplexität" nennt. Ich habe jetzt im Auto ein noch maßvolles Kino, aber die Lautstärke drehe ich noch immer am Knopf. Das Gegenteil von Reduktion ist ja der Computer, noch besser, der überall mitführbare Computer, das Handy. Jede Zeit hat so ihre Maschine. Die Zeit des gemeinsamen (gekochten) Mittagessen wurde z.B. durch die Mikrowelle beendet.

    Noch ein Beispiel zur Musik. Eines meiner Lieblingswerke sind die "Lamentationes Ieremiae prophetae" von Tallis. Da habe ich nur zwei grandiose Aufnahmen: "Pro cantione antiqua" (nur Männer) und "Tenebrae". Dazu habe ich die Noten oder ich wähle eine YouTube-Aufnahme, bei der die Noten mitlaufen, sodass ich mitsingen kann. Ich kenne noch einige andere Aufnahmen, aber besitzen muss ich sie nicht.

    Canada is the US running by the Swiss (Richard Ford)

  • und das ist jetzt fast 10 Jahre her. Ich vermute, dass sich die Anteile "zugunsten" des Internets verschoben haben. Man sollte bei alledem natürlich noch die Anteile des Audiostreamings und Videostreamings am Internetverkehr erfassen, die ich jetzt so schnell nicht finden konnte.

    Unterdiesem Link findet man zusätzliche Informationen:


    https://de.statista.com/statis…net-traffic-nach-segment/


    Leider scheint der nur bei einem statista-Account zu funktionieren. Was man aber sehen kann ist, dass sowohl 2014 wie auch 2017 für die folgenden Jahre der Anteil von Video (ich vermute, dass Audio da einfach mit reingepackt wird) am Internetverkehr von 64% über 72 auf 82% anwachsen wird. Insgesamt reden wir laut dieser Statistik von einer Verzehnfachung des Datenvolumens der privaten Nutzung von 2014 bis 2022 .... Da wird schon was Strom zusammenkommen ...


    Hier noch einmal ein für alle lesbarer Artikel, leider scheint der auch keine neueren Zahlen zu haben ..


    https://www.polarstern-energie…romverbrauch-im-internet/

  • Ich möchte noch ein wenig nachlegen. Wer je in einem französischen Supermarkt die 200m lange "Theke" mit Milch- und Käseprodukten gesehen hat, weiß, was in der Soziologie "Optionsstress" bedeutet. Umberto Eco schrieb einmal, dass er etwas über Julius Cäsar lesen wollte. Er fand statt dreier Werke 10.000. Da gab er es auf.

    Das kenne ich - wenn ich aber vor meiner Sammlung mich nicht entscheiden kann, heißt das, dass ich eigentlich gar keine Lust habe, Musik zu hören, und dann höre ich auch nichts. Wenn ich wirklich Musik hören will, fällt die Entscheidung schnell.

  • Die Überlegung, von den vielen CDs hin zum Online-Abonnement zu gehen, kommt mir immer wieder in den Sinn.


    Auch das Kopieren der CDs auf Festplatte(n) ist für viele eine gute Idee. Wieviel Platz würde ich sparen? Allein 14 CD-Regale im Arbeitszimmer machten Platz für anderes. Oder auch einfach nur Platz, für nix. Auch angenehm.


    Das Blöde am Rippen oder Übertragen auf Festplatte:

    Viel, sehr viel Arbeit, um das zu erledigen. Ein unfassbarer Aufwand, wenn man die Verschlagwortung und ggf. auch die Bebilderung (Cover) nicht so (mies) lassen will, wie sie aus den im Netz verfügbaren Quellen gezogen werden.

    Wieviel TB Festplatte(n) brauche ich? Und wenn ich das Gespeicherte langfristig verfügbar haben will, muss ich es sichern, zu neudeutsch: ein Back-up machen. Und wenn man etwas sichert, ist es vielleicht sogar ratsam, doppelt zu sichern (alte Fotografenregel: "everything that's worth backing up, is worth backing up twice", oder so ähnlich).

    Der viele Platz der CDs wird also durch einen räumlich wesentlich kleineren, aber eben durchaus physikalisch habhaften, eventuell kostspieligen und vor allem mit langfristigem Erhaltungs- und Aktualisierungsaufwand verbundenen anderen Platz ersetzt.


    Beigeschmack: dem Sammelwahn ist so nicht beizukommen, nur dem Stauraum.


    Apple Music und andere? Verlockend, ja. Über den Receiver jederzeit nutzbar. Unterwegs über das iPhone überall alles verfügbar. "Alles" halt in der Definition des Anbieters...

    Ersatz meiner Sammlung?? Nein, auf gar keinen Fall! Zumindest Boxen und einige, gar nicht wenige Schätze würde ich auf jeden Fall aufheben, denn: was Angebot und Verfügbarkeit betrifft, bin ich, wie geschrieben, vom Dienstleister abhängig. Schubert 9 mit Blomstedt und dem SFS? Hat er das heute überhaupt im Angebot? Und wenn ja, wie lange noch?

    Klar habe ich diese CD unterwegs heute nur dabei, wenn ich sie vorher rippe und dem iPhone zufüttere. Aber entsorgen und auf Zugriff übers Netz verlassen? Auf gar keinen Fall.


    Ach ja, die Bücher! Mehr Renommee mit Lektüre statt Musik? Pah, das ficht mich nicht an. Wenn ich posen will, brauche ich ein lautes, teures Auto. Das mögliche Angeben mit Hifi, CDs oder auch Büchern ist zu subtil, schon weil es nur in den eigenen vier Wänden funktioniert, um gegenüber irgendwem für Reputationsgewinn zu sorgen. Abschätzige Blicke auf die CD-Regale? Mir wurscht. Ich habe noch nie "für andere" gesammelt.



    Weil's mir gerade dazu einfiel: übers Teilen und Besitzen:


    FAZ: Der Mythos vom Teilen

    „In sanfter Extase“ - Richard Strauss (Alpensinfonie, Ziffer 135)