Es ist eine lieb gewonnene Tradition geworden, den Sylvesterabend in der Staatsoper zu verbringen. Und heuer war es besonders spannend – die Besetzung versprach, dass man eine sehr „wienerische“ Aufführung erwarten durfte, mit vielen (geborenen, hier berühmt gewordenen oder auch eingebürgerten) österreichischen Künstlern, in der klassischen Inszenierung von / nach Otto Schenk und in der wunderbaren Dekoration von Günther Schneider-Siemssen, die das Publikum gleich nach Aufgehen des Vorhangs zu einem Szenenapplaus hinriss. Was für ein Unterschied zur reichlich verunglückten Produktion am Theater an der Wien..
Daniela Fally ist ein Idealbild der Adele, sie bringt sowohl den Spruch der Wiener Vorstadt mit – was zur glaubwürdigen Verkörperung der Rolle essentiell ist – und sie besticht auch durch perlende Koloraturen. Auch ihr Äußeres kann dem Zuschauer Glauben machen lassen, dass sie ein Objekt der Begierde ihres Hausherren ist – und dass Prinz Orlofsky sie ganz uneigennützig zur Künstlerin ausbilden möchte. Seitdem ich sie in ebendieser Rolle in der Volksoper gesehen habe, hat sich sowohl Stimmvolumen als auch Bühnenausstrahlung sehr positiv weiterentwickelt.
Sehr unauffällig als Schwester Ida präsentierte sich Lydia Rathkolb.
Stimmschön präsentierte sich Camilla Nylund (Rollendebüt) als Rosalinde. Trotzdem hatte ich das
ganze Zeit das Gefühl, da auf der Bühne eher die Contessa aus der „Nozze“ stehen zu sehen als eine Wiener Ex-Sängerin. Positiv fiel mir auf, dass sie auch bei den Sprechstellen hin und wieder ein Dialektwort einfügte, doch alles in allem vermisste man eine gewisse Leichtigkeit der Darstellung, einen „Wiener Schmäh“. Nylund sang einen wunderschönen Csardas – ich denke, dass sie in Zukunft ihre Rolle noch ein bisschen „verwienern“ könnte.
Es war klar, dass nach der fulminanten Elisabeth Kulman es schwer werden wird, die Rolle des Prinzen Orlofsky mit soviel Leben und Präsenz zu erfüllen, wie es die Burgenländerin getan hatte, und das, obwohl die Direktion mit Angelika Kirchschlager einen absoluten Star engagiert hat. Kirchschlager sang ihren Part fast zu brav, die Rollengestaltung blieb sehr an der Oberfläche – da war man in den letzten Jahren mehr gewohnt. Ihr Iwan war Oleg Zalytskiy, der nicht sonderlich auffiel.
Bei der Herrenriege fiel besonders positiv Michael Schade als Alfred auf, dem der Schalk im Nacken saß und es ihm sichtlich Spaß machte, den Alfred zu geben.
Einen kongenialen Komödianten fand er in Alfred Sramek, den altbewährten Frank der Staatsoper. Es macht jedes Mal Spaß, Sramek auf der Bühne zu sehen. Souverän hielt Adrian Eröd als Dr.Falke die Fäden in der Hand – und auch beim ihm merkte man mit großer Freude an, wie sehr sich dieser Sänger in den letzten Jahren weiterentwickelt hat. Peter Jelosits ergänzte als bewährter Dr.Blind.
Da hatte es Rollendebütant Markus Werba schon sehr schwer, neben solch routinierten Darstellern zu bestehen – und der Frack des Eisenstein war dieses Mal noch zu groß für ihn. In den Ensembleszenen ging Werba fast unter – und für die Gesamtaufführung ist es nicht gut, wenn man oft gar nicht merkt, dass der Eisenstein überhaupt auf der Bühne steht. Da war ein großes darstellerisches Ungleichgewicht zu bemerken. Nichtsdestotrotz hat Werba natürlich viel Potential, eine schön geführte Stimme, die darauf wartet, sich noch weiter entwickeln zu können.
Die gar nicht so überraschenden Überraschungsgäste (die Direktion der Staatsoper hatte das Geheimnis schon ein paar Tage vor der Aufführung mittels einer Presseaussendung gelüftet) waren dieses Mal Anna Netrebko mit ihrem Lebensgefährten Erwin Schrott. Es ist wahrscheinlich schon sehr lange her, dass man an der Staatsoper Melodien von George Gershwin gehört hat. „Bess you is my woman now“ wurde von den beiden hinreißend interpretiert, besonders der Prachtsopran von Anna Netrebko kam wunderbar zur Geltung. Da merkt man, was für eine wunderbare Künstlerin diese Frau ist – eine wirklich Weltklasse-Sängerin. Das zweite Duett war Franz Lehars „Lippen Schweigen“ – und es ist schon etwas ganz Besonderes, wenn dies ein Paar singt, das auch im wirklich Leben zusammen ist. Teilweise berührend und absolut glaubwürdig rüber gebracht. Und sind wir ehrlich – in wie vielen Opernhäusern kann man diese Künstler um EUR 3,- sonst noch live miterleben ??
Schon vor vielen, vielen Jahren war Helmuth Lohner als Frosch zu bewundern. Und noch immer merkt man,
wie sehr ihm diese Rolle Spaß macht. Bewundernswert, wie sehr er mit seinen schon fast 78 (!!!) Jahren noch immer auf den Kasten klettert und herumturnt, mit wie viel Genuss er jeden einzelnen Gag zelebriert. Dieses Jahr kommentierte er auf seine unnachahmliche Art die verunglückte Mexiko-Reise von Minister Berlakovich, die rot-grüne Koalition in Wien (Retsina statt Rotwein, auch ein alter Roter kann noch grün hinter den Ohren werden), den BUWOG-Skandal („was war eigentlich meine Leistung?“) und noch ein paar aktuelle Gegebenheiten. Doch für jeden galt die Unschuldsvermutung!!!
Trotz vieler Highlights vermisste man allerdings den letzten Schwung – und das war auf das meiner Meinung nach zu brave Dirigat von Patrick Lange zurückzuführen. Es fehlte da doch der Esprit, den in den letzten Jahren Bertrand de Billy mitbrachte.
Alles in allem hielt der Abend nicht ganz das, was man erwartete – allerdings sind das schon Einwände auf sehr hohem Niveau.