Münster - Katja Kabanowa

  • Dieser Beitrag kommt zu spät - gerade komme ich zurück aus Münster und habe die letzte Vorstellung von "Katja Kabanowa" gesehen. Daher soll dieser Beitrag wie so oft bei mir dazu dienen, das Lob des Deutschen Stadttheaters zu singen, das zu Unrecht als Provinz verteufelt wird. Jedem, der ein paar Beiträge von mir gelesen hat, wird meine Liebe zu Janacek bekannt sein. Und so ist die Katja natürlich eine meiner Lieblingsopern. Ich habe natürlich die wichtigsten CDs, aber ich habe das Stück lange nicht gesehen. Von der Aufführung in Münster hatte ich nicht viel erwartet, weil die letzte Katja in Münster vor vielen Jahren so schlecht war. Ich habe das Stück noch in München gesehen, dann die Herlischka-Inszenierung in Düsseldorf (70er) und die Stein-Winge-Inszenierung in Düsseldorf (90er). Diese Inszenierung war von John Dew, eine ältere Inszenierung, in Kooperation mit Göteborg und Darmstadt. Und wer beschreibt mein ungläubiges Erstaunen: diese Inszenierung in Münster war die schönste Katja, die ich je gesehen habe (auch Bühne, Kostüme und Licht: ganz einfach und wirkungsvoll). Sie war eher konventionell, kein Regietheater, sondern völlig auf Text und Musik bezogen; eine einfache Inszenierung, die sich nicht in den Vordergrund drängte, sondern dem Stück diente, also das Einfache, das so schwer zu machen ist. Das Orchester natürlich nicht die Wiener Philharmoniker unter Charles Mackerras, aber erstaunlich gut unter Fabrizio Ventura.


    Dazu eine sehr solide Sängerriege, in der der von mir als Paul in der Gelsenkirchener "Toten Stadt" so geschmähte Norbert Schmittberg einen sehr guten Boris sang. Überragend drei ganz junge Sänger: Fritz Steinbacher als Kudriasch, Judith Gennrich als Warwara, und, absolut überragend, sängerisch wie darstellerisch, die junge Hyuna Ko als Katja.


    Es wurde deutsch gesungen, in einer neuen Übersetzung, zusammen mit den deutschen Übertiteln wurde hier eine Textverständlichkeit erreicht, die eher selten ist. Dazu habe ich zum ersten Mal gesehen, wie im letzten Bild Katja wirklich richtig in den Fluss springt ohne die lächerlichen Verrenkungen, die ich bisher da ertragen musste.


    Ein Kritiker hatte geschrieben: eine gute Aufführung, aber kein großer Wurf. Dieser Mann hatte absolut unrecht! Noch keine Katja ist mir so unter die Haut gegangen wie diese. Schade, dass es die letzte Vorstellung war.

    Manchmal ist wenig immer viel! (Thorsten Legat)

  • Ich mag es auch sehr, wenn kleine Theater sich an große Stücke wagen. Es muss nicht immer die kalte Perfektion dabei herauskommenn, sondern es genügt, wenn ein wenig bekanntes Werk einem Publikum näher gebracht wird. Mit ganz wenig optischem Aufwand kann durchaus Überragendes vermittelt werden. Es ist völlig in Ordnung, wenn eine slawische Oper in deutscher Sprache realisiert wird, falls die Übersetzung akzeptabel ist. Ich habe es mir längst abgewöhnt, die großen Ansprüche zu stellen und bin schon beglückt, wenn ich sagen kann, dass es ein netter Abend war.


    Vor Jahrzehnten habe ich die Katja Kabanova am Theater in St. Gallen gesehen, als ich noch in der Region wohnte. In meiner Sammlung befindet sich die viel gelobte Einspielung von Mackeras.



    Es gibt eine Reihe von Alternativen auf Tonträgern - Janacek ist überhaupt gut vertreten. Die Titel sind: Sárka (1887), Jenufa (1904), Fatum (1904), Die Ausflüge des Herrn Broucek (1920), Katja Kabanova (1921), Das schlaue Füchslein (1924), Die Sache Makropoulus (1926), Aus einem Totenhaus (1930).


    Die Jenufa scheint bei den Tschechen nicht sehr beliebt zu sein. Schuld ist das Thema - man befürchtet, dass die Gesellschaft verallgemeinern und falsche Schlüsse ziehen könnte - bezüglich der nationalen Mentalität in ländlicher Umgebung.


    :angel:
    Engelbert

  • Schön, dass es dir in Münster gefallen hat. Ich habe es leider nicht in die Aufführung geschafft. Danke für den Beitrag.

  • Vielen Dank für Deinen Bericht. Auch ich höre Janacek sehr gerne und freue mich, dass Dir die Aufführung in Münster gefallen hat.

    Viele Grüße,


    Marnie

  • Lieber Dr. Pingel,


    danke für den Erlebnisbericht aus Münster. Besonders interessant und wichtig war für mich das gute Urteil über Hyuana Ko, die übrigens die Ehefrau des berühmten Bassisten Hans Sotin ist. Wir werden die junge Sängerin zusammen mit dem Tenor Biber im nächsten Jahr als Solistin beim Festkonzert im Rahmen des Künstlertreffens 2012 der Gottlob-Frick-Gesellschaft erleben dürfen.
    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!