Vincenzo Bellini
Il Pirata
(Der Pirat)
Oper in zwei Akten
Libretto: Felice Romani
Originalsprache: Italienisch
Uraufführung: Mailand 1827
PERSONEN DER HANDLUNG
Gualtiero, früher Herzog von Montalto und Geliebter Imogenes, jetzt Anführer der Piraten, Tenor
Imogene, seine Geliebte, jetzt Gattin Ernestos, Sopran
Ernesto, Herzog von Caldora, Bariton
Ernestos und Imogenes kleiner Sohn, stumme Rolle
Itulbo, Gefährte Guatieros, Tenor
Goffredo, früher Lehrer von Gualtiero, jetzt Einsiedler, Bass
Adele, Hofdame und Freundin von Imogene, Sopran
Fischer, Piraten, Höflinge, Soldaten
Ort und Zeit der Handlung: Sizilien, 13. Jahrhundert
VORGESCHICHTE
Gualtiero, Herzog von Montalto, musste als Anhänger des Königs Manfred von Sizilien fliehen, als dieser den Anjous unterlag. Seine Geliebte Imogene hat Ernesto, den Herzog von Caldora geheiratet, um das Leben ihres Vaters, ebenfalls Anhänger König Manfreds und von Ernesto gefangen gehalten, zu retten. Gualtiero wurde Pirat und bedrängte jahrelang Sizilien, um seinen Erzfeind Ernesto zu bekämpfen, wurde aber schließlich von ihm in einer Seeschlacht besiegt.
ERSTER AKT
1. Szene: Küste bei Caldora. Sturm
Die Bewohner des Fischerdorfes beobachten sorgenvoll, wie ein Schiff gegen die Felsen getrieben wird. Ein Einsiedler fordert sie auf zu beten.
Das Rettungsboot erreicht das Ufer und man schickt zur Herrin von Caldora um Hilfe für die Schiffsbrüchigen.
Der Anführer der Seeleute, Gualtiero tritt auf und der Einsiedler erkennt ihn an der Stimme. Er gibt sich ihm als Goffredo, seinen ehemaligen Lehrer, zu erkennen. Auch er hat seinen Besitz verloren. Gualtiero erkundigt sich als erstes nach Imogene, die er immer noch liebt.
Die Fischer kommen zurück und kündigen die Ankunft der Herrin an. Goffredo rät Gualtiero, sich zu verstecken, da sie ihn erkennen werde, verrät aber ihren Namen nicht. Auch Itulbo, ein Gefolgsmann Gualtieros, rät zur Flucht. Gualtiero erklärt, dass ihn nur die Hoffnung, Imogene wiederzusehen, am Leben erhalten habe. Goffredo versteckt ihn in seiner Eremitage.
Imogene tritt auf und befragt Itulbo über den Verlauf der Seefahrt, ob sie Piraten begegnet seien und ob deren Anführer noch lebe. Ihren Hofdamen erzählt sie von einem Traum. Darin habe sie Gualtiero an einem öden Strand erschöpft und verwundet gefunden. Dann sei ihr Mann gekommen und habe sie weggezerrt.
Gualtiero tritt aus der Eremitage, erkennt Imogene und schreit auf. Aber bevor sie ihm näher tritt, versteckt Goffredo ihn wieder. Imogene fühlt sich jedoch zu dem Fremden auf seltsame Weise hingezogen. Auch sie hat ihren ehemaligen Geliebten nicht vergessen. Adele und das Gefolge raten ihr, zur Burg zurückzukehren.
2. Szene: Terrasse der Burg von Caldora. Nacht
Die Piraten feiern ihre Errettung. Als die Herzogin naht, mahnt Itulbo, vorsichtig zu sein, damit sie nicht erkannt werden. Sie zerstreuen sich.
Adele informiert Imogene, dass der Fremde – wie von ihr erwünscht – auf dem Weg sei, sie zu treffen.
Imogene fragt sich, was sie an dem Fremden so fasziniert. Als Gualtiero eintrifft, ohne sie anzusehen, befragt sie ihn, nach dem Grund seiner Traurigkeit. Er klagt, dass er allein sei und das Schicksal ihm Heimat und Familie genommen hätte. Sie entgegnet, dass sie noch unglücklicher sei und bittet ihn, für sie zu beten. Als Gualtiero näher kommt, erkennt sie ihn. Sie fallen sich in die Arme, aber Imogene löst sich schnell wieder und fleht ihn an, vom Hofe Ernestos zu fliehen. Sie erzählt, warum sie Ernesto hätte heiraten müssen. Gualtiero wirft ihr vor, grausam gegen ihn zu sein.
Als Hofdamen mit dem Sohn Imogenes erscheinen, reißt er diesen an sich und greift nach seinem Dolch. Imogene schreit auf und Gualtiero gibt ihn - gerührt – der Mutter wieder. Er solle ihn immer an seine verratene Liebe erinnern. In Gualtieros Tränen erkennt Imogene, dass er ihr vergeben hat.
Nachdem er gegangen ist, bittet Imogene die Hofdamen zu vergessen, was sie gesehen haben. Außerhalb der Szene hört man Musik und Adele verkündet die triumphale Rückkehr Ernestos.
3. Szene: Vor der festlich beleuchteten Burg Ernestos.
Die Soldaten preisen ihren Herrn, der Gualtiero siegreich vom Meer vertrieben hat. Ernesto gibt das Lob an seine Soldaten zurück.
Er fragt Imogene, warum sie so niedergeschlagen sei und nicht an seinem Triumph teilnehme. Sie erklärt, dass sie müde und krank sei. Dann lässt er den Einsiedler und die Seeleute vorführen, die sie beherbergt.
Goffredo stellt Itulbo als deren Anführer vor. Auf seine Fragen erfährt Ernesto, dass die Seeleute aus Ligurien seien, wo – wie er weiß – auch Gualtiero Zuflucht und Männer für seine Piraterie gefunden hat. Um sich von ihren guten Absichten zu überzeugen, will er sie zunächst als Gefangene festhalten, stimmt aber auf Bitten Imogenes zu, dass sie sich bei Tagesanbruch entfernen dürften.
Gualtiero versucht noch einmal, Imogene zu einem Treffen zu bewegen und droht mit verheerenden Folgen für sie, ihren Mann und den Sohn, falls sie sich verweigere. Imogene beschwört ihn, zu gehen. Ernesto schöpft Verdacht und Adele, Itulbo und der Einsiedler fürchten Schlimmes.
Gualtiero will sich auf Ernesto stürzen, aber durch den plötzlichen Zusammenbruch Imogenes gelingt es, dass Itulbo und Goffredo ihn zurückhalten können. Die Hofdamen erklären Ernesto, dass die Nachtluft der Herrin schade und er befiehlt, sie in ihre Gemächer zu bringen. Sie kommt zu sich und bittet Adele, sie fortzuführen, damit ihre Gefühle verborgen bleiben.
Itulbo und Goffredo halten inzwischen den wütenden Gualtiero zurück und ziehen ihn schließlich mit sich fort. Ernesto bleibt nachdenklich zurück.
ZWEITER AKT
1.Szene: Vorzimmer zu Imogenes Gemächern
Die Hofdamen erkundigen sich nach Imogenes Zustand. Adele sagt, dass sie zu schlafen scheint. Alle beten um Ruhe und Frieden für ihre Herrin.
Sie gehen, nur Adele bleibt zurück und Imogene tritt ein. Sie weiß, dass sie Gualtiero noch einmal gegenübertreten muss, um Schlimmeres zu verhindern.
Ernesto kommt hinzu und schickt Adele hinaus. Er will die Hintergründe für Imogenes Krankheit ergründen. Sie gibt zwar vor, sich um ihre unterdrückte Familie und den toten Vater zu grämen. Er aber mutmaßt, dass es ihre Liebe zu Gualtiero sei. Sie entgegnet, dass dies kein Geheimnis gewesen sei, als sie ihn heiratete. Als er weiter in sie dringt, gibt sie zu, Gualtiero noch zu lieben, aber so, wie man jemanden liebt, der tot und begraben sei.
Imogene hofft, dass der Tod sie erlösen werde, während Ernesto bewusst wird, dass er ihre Zuneigung verloren hat.
Ein Ritter kommt und bringt Ernesto die Nachricht, dass Gualtiero sich an seinem Hof befinde. Ernesto versucht, von Imogene dessen Aufenthaltsort zu erfahren. Sie weigert sich und warnt ihn zugleich, dass Gualtiero ihn und seinen Sohn töten werde. Doch Ernesto beharrt auf Rache.
2. Szene: Auf der Burgterrasse. Morgendämmerung.
Itulbo versucht, Gualtiero dazu zu bewegen, mit ihnen bei Tagesanbruch zu verschwinden, aber dieser weigert sich. Er will Rache üben, falls Imogene sich nicht – wie gefordert – mit ihm trifft.
Sie kommt und Itulbo geht. Gualtiero droht, Ernesto zu töten, falls sie nicht mit ihm flieht. Mit ihren Tränen erweicht sie jedoch sein Herz und er versucht nun, sie zu überreden, mit ihm zu gehen, indem er eine glückliche Zukunft für beide ausmalt. Sie aber erwidert, dass sie dann nur Reue für ihre Schuld kennen werde.
Während des Gesprächs ist Ernesto eingetreten, erkennt Gualtiero und beobachtet, immer zorniger werdend, die Szene aus dem Hintergrund. Als die beiden Abschied für immer nehmen wollen, tritt Ernesto dazwischen und fordert Gualtiero zum Zweikampf.
Nachdem die Männer hinausgegangen sind, versucht die mit den Hofdamen herbeigeeilte Adele, Imogene zu trösten. Man hört draußen Schwerter klirren und Imogene stürzt hinaus, um die Männer zu trennen.
3. Szene: Eingangshalle der Burg.
Soldaten bringen Ernestos Waffen. Der Hofstaat beklagt seinen Tod und schwört Rache.
Gualtiero tritt ein, erzählt, dass er seinen Männern zur Flucht verholfen habe, legt sein Schwert nieder und stellt sich der Rache. Bevor er vor den Rat der Ritter geführt wird, bittet er Adele, Imogene zu sagen, dass er ihr zwar Unrecht getan, sie aber auch gerächt habe, und er hoffe, dass sie, wenn sie ihm vergeben habe, an seinem Grabe weinen werde.
Ein Trompetensignal verkündet Gualtieros Prozess. Die Damen und Höflinge geben zu, dass sie seinen Mut bewundern. Bevor er mit den Rittern abgeht, drückt er die Hoffnung aus, dass man sein Andenken nicht immer hassen werde.
Adele zeigt Mitleid. Imogene erscheint weinend. Sie ist wahnsinnig geworden. Ihr Sohn wendet sich hilfesuchend an Adele.
Imogene weiß nicht, wo sie ist und erinnert sich verworren an Ereignisse mit Gualtiero, Ernesto und seinem Sohn. Als dieser ihr zugeführt wird, erkennt sie ihn und bittet ihn, bei seinem Vater um Vergebung für sie zu flehen.
Eine Trompete ertönt. Der Chor verkündet, dass Gualtiero verurteilt wurde. Imogene schreit auf. Während Adele und die Frauen ihr Trost zusprechen, stellt sie sich mit Grauen das Schafott vor, auf dem Gualtiero hingerichtet wird.
Anmerkungen: Il pirata ist die dritte von insgesamt 10 Opern Bellinis. Hier arbeitete er das erste Mal mit dem Librettisten Felice Romani zusammen, der für sechs weitere seiner Opern (u.a. Norma) die Libretti schrieb und auch Libretti für Rossini, Donizetti, Mercadante und andere Komponisten seiner Zeit verfasste. Il pirata erlebte bei der Uraufführung in Mailand begeisterte Zustimmung und wurde bereits 1832 in vielen ausländischen Opernhäusern gespielt. Heute gehört sie leider nur noch selten zum Repertoire der Opernhäuser.