Beethoven Klaviersonaten Vol.3 - Die Qual der Wahl: Moderner oder Historischer Flügel ?

  • Kaum bei einer Werkgruppe eines Komponisten ist die Frage nach dem optimalen Instrument so umstritten wie gerade Bei Beethovens Klaviersonaten.
    Eienrseits bietet ein historischer Flüge zumindest die Illusion von Authentizität - andrerseits kann man davon ausgehen, daß Beethoven mit den Klavieren seiner Zeit nicht zufrieden war und einen fülligeren Klang so wie ein mehrere Oktaven umfassendes vorgezogen hätte.
    Dann gibt es noch die persönlichen Vorlieben und Abneugungen : Ein Bösendorfer, Fazioli oder ein Steinway haben nun mal ein anderes Klangbild als ein Hammerflügel von Graf oder Broadwood. Beethoven war mit den namhaften Klavierbauern seiner Zeit in schriftlichem Kontakt - und erstellte immer neue Forderungen für die Entwickluing zukünftiger Klaviere....
    Deshalb hatte es die Bewegung, welche historische Klaviere zu Wiedergabe von Beethoven-Klaviersonaten präferiert, anfangs nicht leicht sich durchzusetzen. Der Steinway- oder Bösendorfer - Verwöhnte empfand den Klang der Veteranen als dünn und scheppernd...
    Und wie ist das HEUTE ???


    mit freundlichen Greüßen aus Wien
    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Ich denke, dass in dieser Frage das geneigte Tamino-Forum sich auch wieder in mindestens zwei Lager aufteilen wird, das eine, das historische Instzrumente vorzieht (schon allein wegen der "Orignialität"), und das andere, das moderne Flügel vorzieht, weil auf ihnen die Klaviermusik Beethovens m. E. adäquater vorgetragen werden kann, weil m.E. die Sonaten großenteils zu "groß" waren für das Hammerklavier, wie z.B. die Sonate Nr. 29 B-dur op. 106 "Große Sonate für das Hammerklavier". Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie sie auf Instrumenten um 1800 geklungen haben mag. Bezeichnend mag ja auch gerade bei dieser Sonate gewesen sein, dass Beethoven sie dem damals großrahmigsten Flügel zuwies, der zu haben war. Hätte es ihn damals schon gegeben, hätte die Bezeichnung wahrscheinlich gelautet: "Große Sonate für den Steinwayflügel".
    Ich habe in meinem Leben ja schon einige Abende mit Klavierwerken Beethovens erlebt, und bei den Soloabenden haben nach meiner Erinnerung die Pianisten ausschließlich auf Steinway-Flügeln gespielt. Nur bei einem zusammenhängenden Konzertereignis an vier verschiedenen Abenden war es anders: vor einigen Jahren spielte Michael Korstick alle Klavierkonzerte Beethovens auf einem schon älteren "Blüthner"-Flügel. Das klang allerdings im Zusammenspiel mit dem Neuen Orchester unter Christoph Spering ganz ausgezeichnet.
    Demgegenüber dämmern in meiner Sammlung zwei CD's mit den Klavierkonzerten Nr. 1, 2 und 5 mit Robert Levin und dem Orchestre Révolutionnaire ét Romantique unter John Eliot Gardiner still vor sich hin. Das fortepiano klingt in der Tat viel zu dünn. Ich will nicht OT geraten, aber was für Beethovens Konzerte gilt, gilt doch auch erst recht für seine Sonaten, zumal er sich mit ihnen ja wesentlich länger beschäftigte als mit den Konzerten und sie demzufolge auch länger weiterentwickelte, und zwar nicht nur in die räumliche, sondern auch in die klangliche Tiefe.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • "Große Sonate für den Steinwayflügel"

    Wahrscheinlich wäre es die "Große Sonate für den Fazioli 308 mit vier Pedalen". :yes::hahahaha:


    Ich bezweifele, dass die Qual so groß ist. Denn es besteht nicht wirklich der Bedarf, eine abschließende Entscheidung zu definieren. Die Wahl des Instruments ist doch nur ein Parameter der Interpretation, die erst in ihrer Gesamtheit stimmig, "gut", des Hörers Vorstellungen entsprechend etc. wird. Welche Interpretation durch welchen Musiker auf welchem Instrument ich auswähle, ist bei mir zu einem guten Teil auch tagesformabhängig. Wenn ich klanglich oft Bösendorfer Imperial oder den Klang eines Hammerklaviers bevorzuge, hat das ja nichts Dogmatisches an sich, sondern liegt eher im Sympathiebereich.


    Dass die Kombination zwischen einem Hammerklavier und einem HIP-reduzierten Orchester auf alten Instrumenten zu einem veränderten Klanggleichgewicht führt, liegt auf der Hand und ist dem Bautyp geschuldet. Das wird auch wieder bei der neuen Aufnahme von Brahms' KK1 mit Rittner/Ehrhardt deutlich, wo das Hammerklavier an einigen Stellen sehr viel stärker in den Orchesterklang eingebettet erscheint, als dies bei der gewohnten Ausführung am Konzertflügel der Fall ist. Es spricht aus meiner Sicht nichts dagegen, sich dieses andere Gleichgewicht immer wieder mal vorführen zu lassen. Von "viel zu dünn" würde ich da niemals wertend sprechen - es klingt eben anders, weil die Voraussetzungen andere sind.


    Dass ich den Klang von Hammerklavieren der Beethovenzeit und deren Nachbauten sowieso nie als "dünn und scheppernd" empfunden habe, lässt mir die notwendige Freiheit, dieses Thema locker zu sehen. Und etwa Brautigams Interpretation der Hammerklavier-Sonate empfinde ich als durchaus angemessen - auch klanglich in jeder Hinsicht.

  • Ich habe nur in die Schnipsel reingehört, aber das Instrument von 1854 ist natürlich viel näher am modernen (kein Holzrahmen) als die aus den 1820ern. Überdies habe ich den Eindruck, dass man besonders auf Aufnahmen alles Mögliche hinkriegen kann. Abgesehen von technischen Sachen kommt es ja zB auf den Raum an. Altes Klavier und halb so großes Orchester mag in der Philharmonie verloren klingen, aber in einem kleineren Saal ähnlich laut und kraftvoll wie die übliche Besetzung.


    Wie auch immer, es geht hier ja um Solo-Aufnahmen.
    Nachdem in den 1980ern ja schon mehrfach Beethovens Konzerte und einzelne Sonaten auf alten Instrumenten eingespielt wurden, ebenso Kammermusik, ging es bei Gesamtaufnahmen der Sonaten zunächst ziemlich zögerlich voran. Ich vermute allerdings, eher die hohe Zahl von guten oder legendären Einspielungen berühmter Pianisten Labels oder Fortepianisten haben zögern lassen, obwohl das für die Konzerte ebenso gelten müsste... Bei einer älteren Einspielung der späten Sonaten mit Peter Serkin aus den 1980ern sind Klang und Stabilität? der Instrumente leider auch extrem problematisch. Ich bin wirklich kein Klangfanatiker, mich interessiert überhaupt nicht ob Steinway, Fazioli, was auch immer bei modernen Instrumenten. Insofern interessieren mich qua Klang auch die alten Instrumente eher weniger. Klar, manchmal sind das andere, auf modernen Instrumenten nicht zu realisierende Klangfarben. Aber ob das wesentlich für die Musik wage ich eher zu bezweifeln. Ob es mir gefällt oder eher abstößt, ist empfindlich vom Instrument, vermutlich auch von Aufnahmetechnik und meiner Tagesform abhängig. Und warum auch immer, mache ich anscheinend eine Zäsur vor Beethoven. Mozarts und Haydns Sonaten finde ich "HIP" meist besser als traditionell (was auch an der viel geringeren Anzahl an Alternativen liegen mag), bei Beethoven und Schubert befremdet mich der Klang je nachdem immer mal wieder, obwohl ich seit Jahren einzelne Aufnahmen auf alten Klavieren kenne.


    Ich kann das momentan gerade nicht überprüfen, aber angeblich war ja der erste Satz der Mondscheinsonate immer so ein Fall, bei dem die Klangvorschrift Beethovens (nur eine Saite usw., was immer genau das bedeutet, möge bitte jemand anders erklären) angeblich auf einem modernen Instrument nicht umzusetzen sei oder zu einem völlig anderen Klangbild führen würde. Da Brautigams Aufnahmen bei BIS nun jedenfalls klanglich (von Technik und Instrument her) außerordentlich gut zu sein schienen, besorgte ich mir dann auch dessen op.27/1. Ich war eher enttäuscht, konnte kein besonderes Klangerlebnis feststellen (und außerdem war Brautigam hier, anders als Schiff oder schon Schnabel in einem recht traditionellen Tempo unterwegs).
    Brautigams Reihe (aus der ich 3-4 CDs besitze) ist sicher ein absolut hörenswerter Zyklus. Aber eine Offenbarung aufgrund des alten Instruments ist er für mich jedenfalls nicht gewesen.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hallo Johannes,


    deine Erwähnung Brautigam`s hat mich gleich zum Hören von OP.13 angeregt. Spontan gefällt mir das technische Können des Pianisten. Kann es sein, das eine besondere Beziehung zu einem Instrument, die Liebe zum Klang eines Instrumentes, die Virituosität des Ausführenden befördert?


    Wenn dem so wäre, dann wäre dieses Op. 13 ein Beispiel dafür. Brautigam bringt hier schon einen besonderen Ausdruck fertig. Und solange ich so etwas "erhöre" ist es mir ganz egal, welches Instrument gespielt wird.


    Viele Grüße Thomas

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  • Ich kann das momentan gerade nicht überprüfen, aber angeblich war ja der erste Satz der Mondscheinsonate immer so ein Fall, bei dem die Klangvorschrift Beethovens (nur eine Saite usw., was immer genau das bedeutet, möge bitte jemand anders erklären) angeblich auf einem modernen Instrument nicht umzusetzen sei oder zu einem völlig anderen Klangbild führen würde.


    Hallo Johannes,


    danke für das Beispiel - nach einem solchem hatte ich in einem anderen Thread zum Thema "historischer oder neuer Flügel" vergeblich gesucht.


    Beethoven schreibt im ersten Satz der "Mondscheinsonate" cis-moll op. 27 Nr. 2 vor:


    "Si deve suonare tutto questo pezzo delicatissimamente e senza sordine" = "Dieses ganze Stück muss sehr zart und ohne Dämpfer gespielt werden"; d. h., der Pianist soll während des ganzen Stückes das rechte Pedal treten und nicht (etwa bei Harmoniewechseln) loslassen. (Im dritten Satz etwa zeigt Beethoven sehr genau an, wo das Pedal loszulassen ist.)


    Das bewirkt einen verschwimmenden, unklaren Klang, da alle Töne immer weiterklingen, auch wenn der Pianist die betreffende Taste längst verlassen hat.


    Auf modernen Instrumenten mit ihrem langen Ton führt dies zu unerträglichem Klangbrei, da zu viele Töne zu lange klingen. Da muss man Kompromisse machen und zwischendurch immer wieder das rechte Pedal loslassen und somit den gewünschten Klangeffekt zerstören.


    Auf dem alten Instrument scheint es gerade richtig zu sein - die Töne klingen nicht so lang, das "Verschwimmen" hält sich in Grenzen, der Klangeffekt ist gerade so, wie er sein soll.


    Das ist ein hervorragendes Beispiel dafür, dass Beethoven (wie jeder gute aufführende Komponist - und wer war das seinerzeit nicht?) genau für die Instrumente komponiert hat, die er auch zur Verfügung hatte. Dass er den Klavierbauern immer wieder Verbesserungsvorschläge machte, widerspricht dem ja nicht.


    (Von "una corda", also "eine Saite", ist im ersten Satz nicht die Rede.)