Unbekannte Opern

  • Es gibt einen Podcast in der Reihe "Zwischenspiel" aus dem Opernhaus Zürich.




    https://www.opernhaus.ch/backs…pernhaus-zuerich/folge-7/



    In dieser fast einstündigen Folge vom 27. April 2020 stellt Fabio Dietsche Stefan Wirth vor, der für das Opernhaus Zürich die Oper «Girl with a Pearl Earring» geschrieben hat, die Ende Mai 2020 Premiere gehabt hätte aber der Coronakrise zum Opfer fiel. Wirth gibt Auskunft über seine Vermeer-Oper, seine Leidenschaft für Gershwin und die Droge Richard Wagner.


    Außer dem Gespräch ist diese Musik ist zu hören:

    Stefan Wirth: Tango-Fuge über ein Thema von Astor Piazzolla

    Stefan Wirth: Girl with a Pearl Earring Ausschnitte

    Stefan Wirth, Klavier (live) Richard Wagner/Franz Liszt: Isoldes Liebestod

    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • Orfeo noch einmal Dank! Ein wirklich nettes Interview, was schon neugierig auf die Oper macht.


    Isoldes Liebestod wird übrigens auf einem leicht verstimmten Flügel gespielt, was für mich auch ein Novum ist. Es ist aber nicht Produkt musikalischer Kreativität, sondern den damaligen Coronaumständen geschuldet :)

  • Egon Wellesz

    Die Bakchantinnen






    Handlung

    Die Vorgeschichte:

    Zeus eroberte in Menschengestalt das Herz von König Kadmos Tochter Semele . Ihre Schwester Agave, die zu gleichen Zeit mit Pentheus schwanger war, intrigierte gegen Semele als sie erfuhr, dass auch diese schwanger geworden war. Sie riet ihrer Schwester, Zeus zu bitten, sich in seiner göttlichen Gestalt zu zeigen. Die Folgen sind hinreichend bekannt aus Händels Oper „Semele“, die flammenden Blitze, die Zeus verbergen, töten Semele.

    Zeus jedoch rettet das ungeborene Kind, und bringt es mit dem Namen Dionysos zur Welt.


    Die Oper:

    König Kadmos hat die Macht in Theben an seinen Enkel Pentheus abgetreten, als der Halbgott Dionysos in die Stadt kommt, um seine Mutter zu rächen. Er bringt die Frauen Thebens und sogar Agave, die Mutter des Pentheus, dazu, in den umliegenden Wäldern ekstatische Rituale zu feiern. Als Pentheus dem wilden Treiben der Frauen Einhalt gebieten will, zeigt sich, dass Agave weder ihren Sohn erkennt noch weiß, wer sie selber ist. Die Bakchantinnen, Agave, ihre Schwestern Ino und Panthea und die Mänaden Asiens suchen im Rausch Dionysos und folgen einem von Dionysos gelenkten Licht, finden jedoch statt seiner Pentheus, gekleidet in einem langen weißen Mantel und einem Tigerfell. Sie halten ihn für ein Opfertier, das sie so lange verfolgen, bis Pentheus in einen Abgrund stürzt.

    König Kadmos und der Seher Teiresias bringen Agave und die anderen Bakchantinnen wieder zu Verstand. Sie tragen Pentheus Leiche fort und Dionysos beklagt das unheilige Handeln der Menschen mit den Worten:


    „Wehe den Menschen

    Unheiliges Walten!

    Maßlos rasen sie,

    Zuchtlos taumeln sie,

    Achten der Zeichen nicht,

    Hören den Warner nicht,

    Jäh schlägt sie der Tod“


    Auch wenn Wellesz dem Drama des Euripides mehrheitlich folgt, verändert er den Tod Pentheus dahingehend, dass Agave und die anderen ihm keine Gliedmaßen abreißen und Agave nicht mit seinem Kopf im Palast erscheint. In der Oper gibt es weniger “anstößige“ Elemente als in der Vorlage: keine bestialische Ermordung und keine Hinweise auf sexuelle Devianz der beiden Kontrahenten, die sich bei Euripides u.a. darin äußert, dass Pentheus und Dionysos sich gegenseitig mit femininen Attributen charakterisieren.


    Schon die ersten Takte begleiten mit exstatischen Klängen von Bläsern und Schlaginstrumenten das Erscheinen des Dionysos, Pentheus dagegen wird begleitet von Streichinstrumenten und somit werden die Gegensätze der Protagonisten klar hervorgehoben.



    Bisher gibt es zwei Einspielungen:







    Zum Komponisten


    Egon Wellesz wurde 1885 in Wien geboren, war Schüler Arnold Schönbergs und wurde später zum Experten für Barockoper, wandte sich aber auch der Erforschung der orientalischen, insbesondere der byzantinischen Musik zu und schrieb seit 1905 musikwissenschaftliche Aufsätze, Artikel und Bücher. 1908 promovierte Wellesz mit einer Arbeit über Leben und Werk des Gluck-Zeitgenossen Giuseppe Bonno. Er komponierte Werke für die Bühne (Opern und Ballette), Chorwerke, Orchesterwerke und Kammermusik. Wellesz war auch in Deutschland einer der meistgespielten zeitgenössischen Komponisten gewesen bis der Freiheit der Kunst unter den Nazis endgültig ein Ende bereitet wurde.


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    Hatte Wellesz bis 1938 vor allem Stoffe aus der griechischen Antike für Bühnenwerke bearbeitet so verstummte der Theaterkomponist Egon Wellesz in der Emigration (abgesehen von der Oper "Incognita" von 1951). Er schuf nun hauptsächlich Symphonien sowie Kammermusik, aber auch Lieder und geistliche Musik. Dieser Wandel war zugleich eine Rückkehr zum Idiom der österreichischen Tradition, zu welcher sich der Komponist Exil immer bekannt hatte.


    Links
    Egon Wellesz: Artikel der Mahlerfoundation

    Egon Wellesz in „Gesellschaft der Musikfreunde“

    Egon Wellesz Tamino-Thread

    Die Bakchen: Wikipedia


    Akt I

    Akt II



    Weitere Kompositionen anderer Musiker zum Thema Bakchen (deutsch zumeist Bacchantinnen)


    Musikstücke
    Karol Szymanowski: Agawe. Kantate für Gesang, Chor und Orchester, op. 38, bislang unaufgeführt

    Opern
    Giorgio Federico Ghedini: Le Baccanti, Oper in einem Prolog und 3 Akten (5 Bildern). UA 21. Februar 1948 Mailand (Teatro alla Scala)

    Harry Partch: Revelation in the Courthouse Park, Oper in einem Akt. UA Urbana, University of Illinois, 11. April 1961
    Hans Werner Henze: The Bassarids (Die Bassariden). Opera seria in einem Akt mit Intermezzo. UA 6. August Salzburg.
    -Neufassungen:
    - -The Judgement of Calliope (Das Urteil der Kalliope; 1991). Ein Satyrspiel (= aus den Bassariden herausgelöstes Intermezzo). UA 29. Oktober 1997 Gießen

    - -Die Bassariden (1992). Musikdrama in einem Akt (ohne Intermezzo)

    Daniel Börtz: Bacchanterna. Oper in 2 Akten. UA 2. November 1991 Stockholm
    -Verfilmung fürs Fernsehen (1993); Regie: Ingmar Bergman)
    John Buller: Bakxai (The Bacchae). UA 1992 English National Opera

    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • Čertova stěna

    (Die Teufelswand)

    Komisch-romantische Oper in drei Akten von      Bedřich Smetana

    UA 29. Oktober 1882 im "Nové české divadlo" (Prager Nationaltheater)


    Alleine in diesem Thread wurde von drei Mitgliedern bedauert, dass man die Oper Čertova stěna in Deutschland nie auf der Bühne erleben kann. Das kann ich zwar auch nicht ändern, aber hoffentlich kann ich sie den daran Interessierten näher bringen.


    Zum Titel der Oper

    "Čertova stěna" bedeutet wörtlich übersetzt Teufelsmauer, allerdings hat sich die Übersetzung Teufelswand durchgesetzt. Die Felsen der "Čertova stěna" erheben sich über den einst berühmten Teufelsbächen der Moldau zwischen Loučovice und Vyšší Brod. Die am meisten verbreitete Geschichte zu ihrer Entstehung ist die vom Teufel, der das neu erbaute Kloster in der Nähe von Vyšší Brod zerstören wollte: Er errichtete einen steinernen Damm am Ende des Tals und überschwemmte das Kloster. Der Steindamm stürzte jedoch ein und die Felsbrocken fielen ins Flussbett und bedeckten die umliegenden Hänge. Die zwischen 1879 und 1882 entstandene Oper wurde nach einem Libretto der Schriftstellerin und Übersetzerin Eliska Krásnohorská komponiert, die auch die Textbücher zu den beiden vorangegangenen Opern Smetanas lieferte: „Hubika“ (Der Kuß) und „Tajemstvi“ (Das Geheimnis). Die dritte und letzte Zusammenarbeit zwischen Smetana und Krašnohorska war allerdings eine äußerst schwere Geburt. Ursprünglich von der Librettistin als symbolisches Werk konzipiert, das den Konflikt zwischen Kirche und Satan thematisieren sollte, ließen die Forderungen des Komponisten nach einem komischen Werk das Szenario immer komplexer werden. Hinzu kam, dass Smetana beschloss, die Charaktere von Vuk Vitkovic und seinem Mündel und späteren zweiten Frau Hedvike (beide sind historische Persönlichkeiten und waren im wahren Leben verheiratet) zu ändern und 500 Verse des Librettos ohne die Zustimmung von Krašnohorska, zu der er anderthalb Jahre lang den Kontakt abgebrochen hatte, zu streichen.

    Die Handlung der Oper spielt in Südböhmen in der Mitte des 13. Jahrhunderts; der Operntitel bezieht sich auf die Felsenformation, die angeblich die Überreste einer vom Teufel gebauten Mauer darstellt.


    Anmerkungen zur Oper

    Die Opern Smetanas sind wegen ihrer vielfältigen Grundstimmungen und Themen nach wie vor von Interesse, im Ausland jedoch weniger als Tschechien. Bei seinem 1882 vollendeten Spätwerk "Čertova stěna" stellt der böhmische Handlungsort aus dem 13. Jahrhundert den Rahmen für die Geschichte einer ungewöhnlichen Liebe dar, die als Parabel über die Fähigkeit des Menschen verstanden werden soll, den Versuchungen des Lebens zu widerstehen. Obwohl Aufführungen dieser Oper außerhalb von Osteuropa sehr selten sind, ist Certova Stena durchaus wert, näher betrachtet zu werden.

    Von der musikalischen Anlage her unterscheidet sich "Čertova stěna" von den berühmteren früheren Opern Smetanas deutlich. Anders als beispielsweise "Die Verkaufte Braut" mit ihren vielen Versatzstücken oder "Dalibor" mit seinen eng geflochtenen thematisch-motivischen Verknüpfungen wirkt "Certova Stena" eher wie ein Konversationsstück. Die surrealistischen Elemente in "Čertova stěna" weisen eher auf die phantasievollen Handlungsstrukturen von Janácek-Opern wie "Die Reisen des Herrn Broucek", "Das schlaue Füchslein" oder "Die Sache Makropulos" hin. Einige Szenen unterstreichen die besondere Stärke Smetanas, eine Grundstimmung mit musikalischen Mitteln hervorzurufen, wie beispielsweise ein Chorsatz in der Mitte des ersten Aktes. Die Instrumentalfarben spiegeln die Dramaturgie geschickt wider und tragen zugleich zum Verständnis der Handlung bei. Smetana ließ sich bei seiner Vertonung vom Klang der Sprache leiten, was zu einigen sehr interessanten Szenen führt. Auch wenn keine einzelne Szene als charakteristisch für das ganze Werk gelten kann (wie etwa Dvoráks «Lied an den Mond» aus "Rusalka"), so zeichnen sich die Szenen mit Einsatz der Solostimme durch ihre Stilistik besonders aus. Anders verhält es sich bei der vorletzten Szene des dritten Aktes, in der die Teufelswand zusammenbricht und die Szene hauptsächlich durch das Orchester mit wirkungsvollen Instrumentaleinlagen zur Illustration des Bühnengeschehens geprägt wird. Hier setzt Smetana sein großes Können als Symphoniker ein, um dramatische Bühnenmusik zu gestalten. Smetana gelang es, einen formalen Aufbau zu schaffen, in dem sich Musik und Text die Waage halten. Die Partitur ist reich an Ideen, die den Einfallsreichtum des Komponisten und zugleich seine persönliche Begeisterung für das Werk zum Ausdruck bringen. So eingängig die Musik auch ist, überdeckt sie jedoch nie den Text.


    Die Teufelsmauer wurde am 29. Oktober 1882 im "Nové české divadlo" (Prager Nationaltheater) uraufgeführt. Die Premiere war jedoch nicht erfolgreich, eher eine Katastrophe, weil nur wenige Besucher das, was auf der Bühne geschah, logisch nachvollziehen konnten. Vielleicht mangelte es der Aufführung auch an den nötigen Proben, um die Details der Partitur zur Geltung zu bringen, wie Smetana selber vermerkte. Das Theater bewältigte die anspruchsvollen Bühnenanforderungen des Werkes nicht und die Aufführung rief im Publikum teilweise lautes Gelächter hervor. Die Handlung ist kompliziert und überladen, sie erfordert viele und schnelle Szenenwechsel, manchmal gleitet sie ab ins Übersinnliche, das Libretto erklärt oft nicht, warum Wendungen eintreten. Eine Auflösung der Verstrickungen zwischen den Personen ist alles andere als einfach, und der dritte und letzte Akt ist entsprechend komplex.


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    Personen im Stück: Vok Vitkovic, Statthalter von Böhmen – Bariton / Zavis, sein Neffe – Alt / Jarek, ein Ritter in Voks Diensten – Tenor / Hedvika, Komtesse von Schauenburg – Sopran / Michalek, Voks Schlossverwalter – Tenor / Katuska, seine Tochter – Sopran / Benesch, ein Eremit – Bass / Rarach, der Teufel – Bass


    Nach den ersten fünf Aufführungen 1882 wurde die Teufelsmauer erst 1890, lange nach Smetanas Tod, wieder aufgeführt.

    Es gab 17 Inszenierungen in Tschechien/Tschechoslowakei zwischen 1882 bis 2016 von "Čertova stěna" am Nationaltheater Prag von 1890 - 2006. Das ganze "Who is who" der tschechischen Sänger hat in diesem Haus im Laufe der Zeit Rollen dieser Oper übernommen: Beno Blachut, Ivo Žídek und Aleš Briscein, Libuše Domanínská, Gabriela Beňačková und Eva Urbanová. Alle Inszenierungen mit Besetzungslisten des Prager Nationaltheaters sind im Online-Archiv abrufbar. (Unter"Vyhledat" Certova stena einfügen und "enter" drücken. Einen der Vorschläge zr Spielzeit anklicken usw.)


    Handlung

    Die Handlungsstränge sind so ineinander verflochten, dass mindestens drei separate Geschichten gleichzeitig erzählt werden.

    Nachdem der böhmische Statthalter Vok Vítkovic mehrmals Pech in Liebesbeziehungen hatte, verbarrikadiert er sich auf seiner Burg Rožemberk mit der festen Absicht, seine restlichen Lebensjahre dort alleine zu verbringen. Der Burgvogt Michálek und Ritter Jarek machen sich darüber Sorgen und Jarek schwört, dass er selber nicht heiraten wird, bis sein Herr verheiratet ist. Das Duett Michalek / Jarek bildet die Grundprämisse der Oper: die Suche nach einer Braut für ihren Herrn. Katuška, die in Jarek verliebte Tochter des Burgvogts ist jedoch wenig begeistert von dessen Schwur, möchte sie ihn doch lieber sofort heiraten.

    Der als Mönch Rarach verkleidete Teufel, der nur vom Einsiedler Benes als Teufel erkannt wird (beide sehen fast gleich aus), belauscht die Unterhaltung. Der Teufel und der Mönch streiten eine Weile miteinander, schließen aber nach diversen Versprechungen des Teufels Frieden. Wieso Benes den Teufel kennt wird erst im weiteren Verlauf der Oper klar. So erfahren wir, daß vor vielen Jahren - noch vor dem Anfang der eigentlichen Handlung – Benes der Gräfin von Schaunberg, die Vok heiraten wollte, nach Einflüsterungen und Versprechungen des Teufels von einer Heirat abriet.


    Vok hat im Tal ein Kloster gegründet und wird nach seiner Rückkehr auf Burg Rožemberk von Michálek mit der Bitte empfangen, er möge doch endlich heiraten. Der in Gestalt des Mönches Rarach auftretende Teufel rät dem unschlüssigen Vok, beim Burgvogt um Katuška anzuhalten. Das Mädchen will jedoch lieber Jarek als den Schlossherrn. Vok ist froh, dass er noch einmal davongekommen und rüstet für Jarek und Katuška die Hochzeit. Jetzt erst erfährt er, dass der Ritter Jarek geschworen hat, selbst nicht den Bund der Ehe einzugehen, bis der Schlossherr zuerst geheiratet habe. Ein Bote überbringt Vok einen Brief der Gräfin von Schaunberg, mit der Vok früher befreundet war. Sie bittet ihn nach ihrem Tod um Schutz für ihre Tochter Hedvika. Vok ist gerührt und schickt auf Anraten von Rarach seinen Neffen Záviš, um Hedvika abzuholen.

    Michálek beklagt sein Schicksal, denn hätte Katuška Vok geheiratet, wäre er nun Schwiegervater von Vok. Als Záviš und Hedvika eintreffen verliebt sich Vok sofort in sie, hat aber Angst, seine Gefühle offen auszudrücken. Dem Teufel passt die Entwicklung gar nicht, denn er spekulierte auf eine Liebschaft zwischen Záviš und Hedvika und schmiedet Pläne, wie er sich bereichern könnte - nicht nur durch verdammte Seelen, sondern auch durch materielle Pfründe, die er sich als Abt des neuen Klosters sichern will.

    Aus Furcht, in Katuškas Nähe der Versuchung zu erliegen, das Gelöbnis zu verletzen, hat Janek die Burg Rožemberk verlassen. Als Hirte verkleidet gelingt es Rarach, sich an den Ritter heranzumachen und in tiefen Schlaf zu versetzen und auf die Burg zurückzubringen.

    Vok zweifelt, dass Hedvika ihn als Ehemann akzeptieren würde, und erklärt deshalb, ins Kloster einzutreten, macht aber eine Einschränkung: wenn es eine Frau gäbe, die nur seinetwegen ins Kloster käme und ihn überzeugt, dass sie ihn liebt, würde er sich mit ihr verloben. So hat es von nun an Hedvika in der Hand, über sein Schicksal zu entscheiden. Außer Benes und Rarach (der nur will, dass alle unglücklich sind), ist niemand begeistert von Voks Entscheidung.


    Jarek und Katuška liegt verständlicherweise besonders daran, dass Vok und Hedvika heiraten. Sie führen Hedvika zu Vok, als dieser das Kloster betreten will, und sie gesteht ihm ihre Liebe. Der Teufel und seine Gesellen geraten außer Rand und Band und errichten eine Mauer durch den Fluß. Das Wasser soll über die Ufer treten, damit das Kloster überschwemmt wird, die Bewohner untergehen und Voks neues Kloster und er selber vernichtet wird. Im Augenblick der Not eilt Hedvika herbei. Sie erkennt die furchtbare Gefahr und will dem Geliebten das Leben retten. Hedwigs reine Liebe triumphiert über die Ränke des Satans. Der Eremit Benes zerstört die Mauer mit dem Zeichen des Kreuzes und wird Abt. Er verjagt den Teufel und seine Gesellen. Nichts steht mehr dem Glück Voks und Hedvikas im Wege und auch Jarek und Katuška können heiraten. Durch ihre unschuldige Liebe vereitelt Hedvika die Pläne des Teufels und gewinnt gleichzeitig die Liebe Voks.

    Zum Schluß trifft ein Bote des Königs ein. Vok wird zum Landeshauptmann von Österreich nebst Steiermark und Kärnten ernannt. Hedvika wird an seiner Seite sein. Alle werden glücklich.


    Die Handlung ist kompliziert und überladen, sie erfordert viele und schnelle Szenenwechsel, manchmal gleitet sie ab ins Übersinnliche, das Libretto erklärt oft nicht, warum Wendungen eintreten. Eine Auflösung der Verstrickungen zwischen den Personen ist alles andere als einfach, und der dritte und letzte Akt ist entsprechend komplex. Erst in den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts hörte man auf, die Oper als eine realistische Oper zu betrachten, und sie wurde als phantastisches Theater wahrgenommen.

    Aufnahmen

    1945 (Rundfunkaufzeichnung, rekonstruiert 1994

    Sänger: (Vok Vítkovic) Stanislav Muž, (Záviš) Marta Krásová, (Jarek) Beno Blachut, (Hedvika) Ludmila Červinková, (Michálek) Karel Hruška, Katuška) Marie Budíková, (Beneš) Karel Kalaš, (Rarach) Vladimír Jedenáctík. Der Tschechische Chor und das Prager Radio-Sinfonieorchester werden von Otakar Jeremiáš geleitet.




    1952 Rundfunkaufzeichnung, rekonstruiert 1997. Der Tschechoslowakische Rundfunkchor in Prag und das Prager Rundfunkorchester werden von František Dyk geleitet.



    1963 (Supraphon. LP (1963) 1116 8068-70, CD erschienen 2003, SU 3627-2 612)

    Sänger: (Vok Vítkovic) Václav Bednář, (Záviš) Ivana Mixová, (Jarek) Ivo Žídek, (Hedvika) Milada Šubrtová, (Michálek) Antonín Votava, (Katuška) Libuše Domanínská, (Beneš) Karel Berman, (Rarach) Ladislav Mráz. Der Chor und das Orchester des Nationaltheaters in Prag werden von Zdeněk Chalabala geleitet.





    Fotos der Besetzungliste der Inszenierung von 1963, die Supraphon aufgenommen hat und die zwischen 1963 - 1970 insgesamt 64 mal aufgeführt wurde.


    1978 (Radiomitschnitt, rekonstruiert 1998 aber nicht veröffentlicht) Sänger: (Vok Vítkovic) Václav Zítek, (Záviš) Libuše Márová, (Jarek) Miroslav Švejda, (Hedvika) Naďa Šormová, (Michálek) Vojtěch Kocián, Danielá - Brouková, (Beneš) Karel Hanuš, (Rarach) Dalibor Jedlička. Der Tschechoslowakische Rundfunkchor und Symphonieorchester in Prag wird von František Vajnar geleitet.


    10.3.2003 (illegaler?) Mitschnitt als mp3 : Smetana THE DEVILS WALL Prag , National Theater

    Vok Vitkovic - Ivan Kusjner, Zavis - Pavla Vykopala, Jarek - Valentin Prolat,Hedvika - Dana Buresova, Michalek - Miroslav Veijda, Katuska - Vera Kavanova-Polachovam, Benes - Jiri Sulzenko, Rarach - Miroslav Podskalsky, Prag National Theater Chorus and Orchestra Conductor - Jiri Belohlavek


    Libretto PDF (Originalsprache)

    Libretto veröffentlicht 1882 von Verlag Fr. A. Urbánek, Prag in: Library of Congress

    Youtube Audio GA (Die Aufnahme ist die 1963er Supraphon-Veröffentlichung, Besetzung siehe oben


    Youtube 2 kurze Trailer




    Spotify (die oben vorgestellte Aufnahme von 1952 unter František Dyk)

    Teil 1

    Teil 2

    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • Opern zum Thema

    Alfred der Große

    komponiert von



    Thomas Arne
    Johann Philipp Samuel Schmidt
    Gaetano Donizetti
    Friedrich von Flotow
    Wilhelm Reuling
    Joachim Raff
    Antonin Dvořák

    König Alfred Der Große Lizenzfreie Fotos, Bilder Und Stock Fotografie.  Image 36366666.


    König Alfred (847? - 899) aus dem Hause Wessex, König der Angelsachsen ab 886, wurde erst nach dem Tod seiner vier älteren Brüder im Jahr 871 zum König gekrönt. Obwohl Alfred der bekannteste der westsächsischen Könige ist, beruht das, was man über ihn weiß, hauptsächlich auf Mythen. Sicher ist, dass er die Dänen aufhielt und England in eine Zeit des Wohlstands führte. 865 wird in einem Dokument erwähnt, dass er mit seinem Bruder Aethelred in die Schlacht gegen die Dänen zog, die seit Jahrzehnten England verwüsteten. 868 kämpften Alfred und Aethelred gegen das "Große Heidnische Heer" unter der Führung von Ivar "dem Knochenlosen". Ende 870 waren die Dänen bis Wessex vorgestoßen und es gab neun Schlachten im folgenden Jahr, die nicht immer zugunsten von Wessex ausgingen. In den folgenden Jahren eroberten die Wikinger weitere Teile von England und 876 kam eine neue Generation dänischer Anführer nach England, deren bekanntester Guthrum I. ist. Die Dänen griffen Wareham in Dorset an und Alfred versuchte sie einzuschließen, konnte Wareham aber nicht zurückerobern. Er handelte einen Frieden aus mit dem Austausch von Geiseln und verschiedenen Eiden von beiden Seiten, doch die Dänen brachen ihr Wort, töteten die Geiseln und zogen nach Exeter in Devon ab. Ab 878 waren alle angelsächsischen Reiche unter die Kontrolle der Wikinger geraten und nur noch Wessex leistete Widerstand. Endlich kam es jedoch zu einem entscheidenden Sieg Alfreds in der Schlacht von Edington. Danach verfolgte er die Dänen bis zu ihrer befestigten Anlage in Chippenham, die er belagerte, bis sie sich ergaben. Es kam zum Vertrag von Wedmore und Guthrum I. mußte sich christlich taufen lassen (mit Alfred als Paten). 879 verließ die Wikingerarmee Chippenham und segelte über den Kanal und begann, den Kontinent zu verwüsten, kehrten jedoch 892 zurück. Die folgenden Jahre waren geprägt von Angriffen, Rückzügen und Verteidigung. Nach seinem Tod 899, verursacht durch verschiedene schmerzhafte Krankheiten, begrub man Alfred zunächst im Old Minster in Winchester. Bei der Auflösung der Klöster 1539 unter Heinrich VIII ging sein Grab verloren.

    Alfred war verheiratet mit Ealhswith von Gaini und hatte mit ihr zwei Töchter und drei Söhne.


    Das überlieferte Leben Alfreds ist nicht unbedingt ein Stoff, aus dem Opern gemacht werden, bietet aber reichlich Möglichkeiten, den Mythos vom Besieger der Wikinger samt privater Geschehnisse weiterzuflechten. Daher gibt es eine ganze Reihe von Komponisten, die mehr oder weniger abenteuerliche und mit erfundenen Liebschaften verbundene Episoden aus seinem Leben vertont haben.


    Sieben Opern (chronologisch geordnet)


    The Masque of Alfred (T. Arne) UA 1. August 1740 in Cliveden House (revidiert 1753 als “Alfred“)

    Libretto: David Mallet / James Thomson

    Der Schlussgesang der Oper „Alfred“ ist das patriotische Lied „Rule, Britannia!Das Lied gilt heute als „inoffizielle Nationalhymne“ von Großbritannien.

    Synopsis: Schauplatz ist die Isle of Athelney im Jahr 878. Alfred hat sich nach einer Niederlage gegen die Wikinger unerkannt in die Hütte des Hirten Corin und seiner Frau Emma geflüchtet. Alfreds Frau Eltruda und sein Sohn Edward kommen dazu und freuen sich, ihn gesund vorzufinden. Corin und Emma wissen immer noch nicht, wer ihre Gäste wirklich sind. Später bringt Edward die Nachricht, dass zwölfhundert loyale Briten in der Nähe lagern und auf einen Befehl Alfreds warten. Emma und Corrin erkennen die wahre Identität ihrer Gäste als Alfred zum Kampf aufbricht. Als die Nachricht von seinem Sieg sie erreicht, freuen sich alle. Edward lobt die Rückkehr britischer Werte. Alfred ermahnt sein Volk zu Wachsamkeit und Ehrfurcht. Als Antwort singen alle "Rule Britania zu Ehren Großbritanniens.





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    Alfredo il grande (G. Donizetti) 2.7.1823, Teatro San Carlo, Neapel

    Libretto: Andrea L. Tottola Handlung im Opernführer


    Neu ab 21. Juni 2024:




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    Alfred der Große, König von England Oper in 2 Akten (Johann Philipp Samuel Schmidt)

    28. November 1830, Königstädtisches Theater Berlin

    Libretto: Carl Theodor Körner. Anfang des 19. Jahrh. wurde zunehmend die Frage der deutschen Oper diskutiert, ein Thema, das maßgeblich von Christian Gottfried Körner vorangetrieben wurde. Erfüllung fand sein Plan in der Oper „ Alfred der Große“, deren Text sein Sohn Theodor Körner verfasste und auf den auch Flotow und Dvořák zurückgriffen.

    Carl Theodor Körner selber ist Sujet der Oper „Leyer und Schwert“ („Theodor Körner, grosse vaterländische Oper in 5 Akten und einem Vorspiel“ 1872) von Wendelin Weißheimer.


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    Alfred der Große (F. von Flotow) Oper in zwei Akten ca. 1830, nie aufgeführt

    Libretto: Carl Theodor Körner

    Alfred der Große (W. Reuling) 1840 Wien, Theater am Kärntnertor.

    Libretto: Otto Edler von Müller


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    König Alfred (J.Raff) 16. Februar 1851 Weimar, Grossherzogliches Hoftheater

    Libretto: Gotthold Logan

    Synopsis: König Alfred erlaubt dem Grafen Osrik seine Schwester Editha zu heiraten obwohl diese Alfreds Freund Edmund liebt. Dieser entdeckt später, dass Osriks mit den Feinden kooperiert. Edmund berichtet Alfred von Osriks Verrat, aber der König sperrt ihn ein, da Osrik alles abstreitet. Editha bittet Alfred, der Sache auf den Grund zu gehen. Alfred besucht als Harfenist verkleidet die Burg der Dänen und spielt vor deren König und Osrik und wird von Gunilde, der Königstochter, vor der Entdeckung bewahrt. Angeführt von Alfred und dem befreiten Edmund besiegen die Engländer die Dänen. Edmund und Editha sind wieder vereint, Gunilde willigt ein, Alfred zu heiraten und Osrik wird verbannt.




    Alfred - Heroische Oper in drei Aufzügen (A. Dvořák) 1870 komponiert, UA in einer tschechischen Übersetzung (szenisch) 10. Dezember 1938 in Olmütz. Diese Aufführungsserie fand durch den Einmarsch der Nazis ein schnelles Ende, es kam nur zu 6 Vorstellungen.

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    UA in der deutschsprachigen Originalfassung (konzertant) 17.September 2014 in Prag

    Originallibretto (deutsch): Carl Theodor Körner.

    „Alfred“ ist die erste Oper Dvořáks. Kurt Honolka, der Dvořák-Biograph, sagte über die Oper: „Alfred ist ein Beispiel perfekter Naivität, ohne jede Chance, je aufgeführt zu werden.“

    Handlung im Opernführer

    Synopsis: Die Oper beginnt im dänischen Lager, während die einen Sieg über die Engländer zu feiern. Einer ihrer Anführer, Gothron, hat in der Nacht zuvor geträumt hat, dass König Alfred eine Siegeskrone trägt. Der dänische Prinz Harald eskortiert britische Gefangene, darunter Alfreds Verlobte Alvina ins Lager. Harald versucht, Alvina zu umwerben, aber sie lehnt seine Annäherungsversuche ab und zieht es vor, mit den anderen Gefangenen gefangen gehalten zu werden.

    König Alfred erfährt von Sieward, dass seine Armee geschlagen und Alvina von den Dänen gefangen genommen wurde. Alfred will sich als Harfenspieler verkleidet in das dänische Lager einschleichen und hört dabei Alvina vom Turm, in dem sie eingesperrt ist, singen und verspricht ihr, sie bald zu retten. Gothrons Männer überraschen Alfred und bringen den vermeintlichen Harfenisten ins Lager. Alfred kann Alvina befreien und die beiden fliehen zusammen, werden aber doch wieder getrennt.

    Alfred stürmt mit seinen Leuten und dem Adligen Dorset das Lager. Alfreds Armee ist siegreich und Harald begeht nach der Niederlage Selbstmord. Alfred und Alvina sind glücklich wieder vereint, und die Oper endet mit der Freude der Menschen über ihren König und ihr


    Audio Aufnahme Live Prag 2014 - Czech Philharmonic Choir Brno, Prague Radio Symphony Orchestra, Heiko Mathias Forster, Conductor

    Alvina - Petra Froese, Harald - Ferdinand von Bothmer, Alfred - Felix Rumpf, Sievard - Peter Mikulas

    Textbuch (dreisprachig: deutsch, tschechisch, englisch)

    Aufnahme anhören:

    Akt I Audio

    Akt II Audio

    Akt III Audio

    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • Frédégonde Oper von Ernest Guiraud & Camille Saint-Saëns & PaulDukas









    Dass ein Komponist stirbt, bevor er seine letzte Oper fertiggestellt hat, kommt vor.

    Aber dass drei Komponisten Schöpfer einer Oper sind ist sehr ungewöhnlich.


    Bei Ernest Guirauds Tod 1892 lagen nur die ersten drei Akte der Oper Frédégonde vor, den Rest komponierte Guirauds Weggefährte und Freund Camille Saint-Saëns. Von ihm stammen der vierte und fünfte Akt, so dass beide Komponisten jeweils eine Hälfte beigetragen haben. Hinzu kommt die Orchestrierung durch Paul Dukas. Das Libretto ist von Louis Gallet.

    UA Opéra de Paris am 16. Dezember 1895.


    Es geht um eine Familienfehde – die sich ausweitet zu einem Bürgerkrieg.


    Die Handlung spielt gegen Ende des 6. Jahrhunderts, als auf dem Gebiet der früheren Römischen Provinz Gallien die fränkischen Merowinger Königreiche errichteten, deren Herrscher alle miteinander verwandt waren.

    So herrschte in Neustrien König Hilpéric mit seiner Frau Frédégonde, die durch Verführung, Intrigen und Anstiftung zum Mord an seiner ersten Frau und deren Kinder zur Königin aufgestiegen war. Diese beiden besiegten dann die verwitwete Königin Brunhilda von Austrasien.

    Hilpéric beauftragte seinen Sohn Mérowig, die besiegte Brunhilda in ein Kloster zu verschleppen. Mérowig verliebte sich auf dem Weg in sie, heiratete Brunhilda und rief sich zum König beider Reiche auf. Hildéric besiegte ihn aber wiederum, verbannte Mérowig wegen Verrat an seinem Vater zusammen mit Brunhilda in ein Kloster. Dies reichte Frédégonde nicht, sie überredete den verliebten König, den Sohn wegen dieses Verrats anzuklagen und aus dem Land jagen zu lassen. Dem kam Mérowig durch Selbstmord zuvor.


    Die Oper Dortmund hat in Kooperation mit takt 1 am 20. Novemer 2021 die Deutsche Erstaufführung der Oper "Frédégonde" von Ernest Guiraud und Camille Saint-Saëns aufgezeichnet.


    Video Aufzeichnung bei Opera on Video

    Eine Produktion der Oper Dortmund in Kooperation mit Palazzetto "Bru Zane – centre de musique romantique française".

    Frédégonde: Hyona Kim, Brunhilda: Anna Sohn, Mérowig: Sergey Romanovsky, Hilpéric: Mandla Mndebele, Fortunatus: Sungho Kim, Prétextat: Denis Velev, Landéric: Demian Matushevskyi, Un serviteur: Ian Sidden

    Musikalische Leitung: Motonori Kobayashi, Regie: Marie-Eve Signeyrole

    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

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      Le Timbre d'argent

    Opéra fantastique in 4 Akten von Camille Saint-Saëns


    "Le Timbre d'Argent" (Das Silberne Glöckchen) wurde für das Théâtre Lyrique in Paris geschrieben und ist die erste Oper, die Saint-Saëns komponiert hat. Es handelt sich um eine "Opéra fantastique" in vier Akten nach einem Libretto von Jules Barbier und Michel Carré.


    Als Saint-Saëns im Sommer 1864 das Libretto von Daniel-François Auber, dem Direktor des Konservatoriums, als Trost für den zum zweiten Mal entgangenen Rom-Preis erhält (1852 war er der Jury zu jung, 1864 schon zu alt), war es bereits von den Komponisten Xavier Boisselot, Henry Littolf und Jacques Fromental Halévy abgelehnt worden. Aber Saint-Saëns machte sich trotzdem voller Eifer ans Werk. Obwohl die Oper schon 1865 fertiggestellt war, wurde sie erst am 23. Februar 1877 am Théâtre de la Gaîté in Paris uraufgeführt. Die Uraufführung des Werks hatte sich über Jahre verzögert, zunächst durch finanzielle Schwierigkeiten des Opernhauses und später durch den Krieg. Bis zum Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges 1870 wurde die Oper zwar von allen grossen Häusern in Paris, der Opéra, der Opéra Comique und dem Théâtre Lyrique angenommen, aber leider konnte sie wegen der Umstände nie gespielt werden. In den 12 Jahren zwischen der Fertigstellung und der Uraufführung komponierte Saint-Saëns einige Passagen neu und strich Dialoge für eine Version ‘Grand Opera‘, aber der Auftraggeber Albert Vizentini beschloß trotzdem, die Originalfassung von 1865 für die Uraufführung der Oper 1877 zu verwenden.


    Nachdem 'Le Timbre d’argent' eine einigermaßen erfolgreiche Uraufführung mit immerhin 18 Aufführungen erlebt hatte, welcher noch Produktionen in Brüssel, Wuppertal, Köln, Berlin, und Monte-Carlo folgten, versank die Oper in absolute Vergessenheit, bis sie nach mehr als hundert Jahren an der Pariser Opéra-Comique im Verbund mit dem coproduzierenden Palazzetto Bru Zane[*] in einer Version von 1914 wiederaufgeführt wurde.


    Der von den Librettisten von Gounods „Faust“ und Offenbachs „Les Contes d’Hoffmann“ erdachte Opernstoff - alle drei Libretti entstanden in einem frühen Stadium der Karriere von Barbier und Carré als Stücke für das Sprechtheater und wurden später in Musik gesetzt - erlaubte es Saint-Saëns, eine eigene Version des faustischen Paktes zu schreiben. ‘Le Timbre d’argent‘ zeigt den Albtraum eines Mannes, dessen Halluzinationen die fantastischen Auftritte von Offenbachs Contes d’Hoffmann um zwanzig Jahre vorwegnehmen. Ein manipulativer Teufel schenkt dem Protagonisten Conrad eine silberne Zaubergllocke. Indem er sie zum Klingen bringt, bekommt er Gold, durch Gold bekommt er Liebe. Im Gegenzug muss ein scheinbar zufällig ausgewähltes Opfer sterben.


    Handlung



    Der ständig unter Geldmangel leidende Maler Conrad liegt am Weihnachtsabend elend und krank im Bett. Er wird von seinem Freund Bénédict, seiner Geliebten Hélène, ihrer Schwester Rosa und dem Arzt Spiridion umsorgt. Als er diesen beschuldigt, ihm nicht helfen zu wollen, bekommt er ein Mittel, das ihn beruhigt und endlich schlafen lässt.


    Conrad hat sich haltlos verliebt in die Circé aus einem seiner Gemälde, die er in der Tänzerin Fiammetta wiedererkennt. Im Theater erhält Fiammetta von Conrad und Spiridion, der jetzt als Marquis auftritt, Geschenke. Der Marquis verwandelt die Bühne in einen Palast und sie fordern sich gegenseitig am Spieltisch heraus bis Conrad sein gesamtes Geld verloren hat. Circé/Fiammetta schmeichelt Conrad in vielerlei Gestalten und er erliegt ihr immer wieder. Von Spiridion bekommt er ein silbernes Glöckchen geschenkt mit dem Hinweis, dass, wann immer er die Glocke läutet, er reich mit Geld und Wohlstand beschenkt wird, jedoch zugleich ein Mensch sterben muss. Conrad läutet sofort die Glocke: es regnet Gold und bald darauf kommt Bénédict um zu berichten, dass ein Bekannter gestorben ist.

    Hélènes Schwester Rosa heiratet Bénédict. Die Tänzerin Fiammetta und Spiridion laden sich selbst zur Hochzeit ein und bringen das Glöckchen mit. Sie verführen Conrad dazu, erneut die Glocke zu läuten. Als Bénédict tot umfällt, wirft er die Glocke in einen See.

    Spiridion zaubert ein Ballett herbei, in dem Circé einen atemberaubenden Auftritt bietet. Der tote Bénédict erscheint als Geist und reicht Conrad die Glocke. In Gegenwart von Hélène, die er mit den Worte „Chère Hélène, c’est toi, toi seule que j’adore“ herbeigerufen hat, hat er die Kraft die Glocke zu zerstören. Ein Chor singt „Dieu clément jette un regard paternel! Alléluia!“.

    Conrad wacht aus dem Traum auf und verspricht nun Hélène, sie zu heiraten. Er will in Zukunft ein anständiges, genügsames Leben führen.



    https://operalounge.de/history…m-das-gloeckchen-schlaegt

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    Saint-Saëns‘ „Le Timbre d’argent“ an der Pariser Opéra-Comique/ Szene/ Foto Pierre Grosbois


    Die Oper ist Konglomerat aus La damnation de Faust, Les contes d’ Hoffmann, Faust, Pygmalion. In diesem Gewebe aus Romantik, Teufelspiel, Theaterglanz, Phantasmagorien und Künstlertragödie ringt der Teufel mit dem Künstler, es geht um Gold und Verführung, Tod und Leid, Sinnenlust und kleines Glück.

    Studioaufnahme der Produktion der Opéra Comique im Studio der „Philharmonie de Paris“ am 26. und 27. Juni 2017. 2 CD anläßlich des Festival Palazzetto Bru Zane in Paris.

    Besetzungsliste Le Timbre d’Argent: Jodie Devos (Rosa), Tassis Christoyannis (Spiridion), Hélène Guilmette (Hélène), Edgaras Montvidas (Conrad), Yu Shao (Benedict), Raphaëlle Delaunay (Circée), Es ist die weltweit einzige Aufnahme der Oper.

    Booklet mit vielen zweisprachigen (franz./engl.) Aufsätzen und Libretto.

    Klavierauszug




    Trailer des Palazzetto Bru Zane über die Oper (franz. mit engl. Untertiteln


    [*]Die Italien- und Opernliebhaberin Nicole Bru, millionenschwere Erbin eines Pharma-Konzerns, erwarb 2006 das Gartenhaus des venezianischen Patriziers Marino Zane aus dem siebzehnten Jahrhundert, steckte allein vier Millionen Euro in seine Restaurierung und eröffnete es 2009 unter dem Namen Palazzetto Bru Zane als Forschungsinstitut für französische Musik der Romantik. Aufgabe dieser wissenschaftlichen Einrichtung unter der Leitung von Alexandre Dratwicki ist die Erschließung und Drucklegung vergessener Partituren, um die Werke in bibliophil ausgestatteten CD-Editionen, Konzerten und Festivals wieder ans Tageslicht zu holen.


    * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *

    Mit dieser nach ‘Les Barbares‘ und ‘Frédégonde‘ dritten in diesem Thread vorgestellten Oper von Camille Saint-Saëns lege ich vorerst eine Pause ein. Im letzten halben Jahr habe ich zu den weit über tausend gefundenen Raritäten und vollkommen unbekannten Opernkompositionen Material gefunden, das noch darauf wartet eingeordnet, untersucht bzw. aussortiert zu werden. Da bleibt kaum Zeit für andere Dinge. Im nächsten Jahr melde ich mich wieder. Aber jeder kann bis dahin natürlich eigene Funde hier unterbringen.
    _______________________________________________________________

    Der französische Bariton Léon Melchissédec (1843 -1925) sang 1877 bei der Uraufführung von Le Timbre d' argent am 23. Februar 1877 am Théâtre de la Gaîté in Paris die Rolle des Dr Spiridon.

    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • Ein riesen Dank für deine unerbittliche Arbeit, lieber Orfeo! :):thumbup:


    Dieser Thread ist für jeden Opernliebhaber ein Muss.


    Bitte weiter so...


    Grüße

    Apollon

  • Vielleicht findet sich ja jemand, der bei der Suche erfolgreicher ist als ich und das Ergebnis in den nächste Wochen hier noch einfügen kann.


    Leider ordnete Saint-Saëns testamentarisch an, dass nach seinem Tod nichts publiziert werden dürfe, was zu seinen Lebzeiten nicht gedruckt worden sei. Eine Ausnahme hiervon machte Saint-Saëns explizit für den "Carnaval des animaux" der 1922 posthum erschien.


    Insofern ist Saint-Saëns keineswegs unschuldig daran, dass ein Grossteil seines Œuvres nach seinem Tod ein Jahrhundert lang der Vergessenheit anheim fiel und ich zu einem kleinen Gelegenheitswerk, das im Salon von Jules Barbier aufgeführt wurde, keinerlei weitere Informationen finde, außer den Hinweisen und Beweisen, dass es existierte. Siehe Fotos unten.


    1885 nahm Saint-Saëns in der Opernpersiflage "Gabriella di Vergy" MICHELE CARAFA, GAËTANO DONIZETTI, SAVERIO MERCADANTE und GIUSEPPE VERDI allesamt auf die Schippe. Daneben komponierte Saint-Saëns um 1870 fragmentarisch noch eine weitere Parodie: "Les

    odeurs de Paris" deren Titel schon Bände spricht.


    aus diesem erwähnten Album stammen die beiden Fotos unten




    Identifizieren konnte ich bisher nur Jules Griset, der solche Privataufführungen oft organisierte.

    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

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  • Es ging doch schneller als gedacht mit der Suche nach Gabriella di Vergy. Ich kann also beruhigt die Winterpause einlegen




    Irgendwann 1883 veranstaltete Jules Barbier eine Vorstellung des 'drama lirico' "Gabriella di Vergy" für das Saint-Saëns Musik und Text geschrieben hat. Das Stück gehört zu den vor seinem Tod nicht veröffentlichten, das Libretto ging zwar in Druck und ist daher im Archiv gallica.bnf.fr einzusehen, nicht aber die Musik.

    Das Libretto gibt als Verfasser keinen Namen an, sondern "Un ancien organiste". Das läßt auf die Karnevalzeit schließen. Saint-Saëns Version ist für drei Sänger, Harfe und Piano; es wird gesungen in einem Mix aus italienisch und französisch wie "ma femme m'a trompato". Jean Bonnerot sagte dazu später "... ein unprätentiöses Werk, das amüsiert und heute zum Lachen bringt und morgen vergessen ist."


    Das Stück dürfte aber vor 1883 geschrieben worden sein, denn es war schon Jahre vorher eine Vorstellung in Pauline Viardots Salon geplant, ob sie jedoch stattfand ist ungewiß. Die erste öffentliche Vorstellung fand 1885 in den Räumen der Société nationale d'horticulture de France veranstaltet von der Musikgesellschaft LA TROMPETTE in Paris statt.


    Für Frohe Weihnachten! und Guten Rutsch! ist es noch etwas früh, aber ich ich bin dann mal weg :hello:

    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • Aus aktuellem Anlaß ein Nachtrag zu ORPHEUS - Opern (#86) im 21. Jahrhundert:

    2001 Jonathan Dove – L'altra Euridice nach Italo Calvino

    2009 Harrison Birtwistle – The Corridor

    2015 John Robertson – Orpheus

    2020 Matthew Aucoin – Eurydice.

    Synopsis - Sprachen wählbar

    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • 2020 Matthew Aucoin – Eurydice.

    Synopsis - Sprachen wählbar

    Ganz neu im WWW gibt es ein 90minütiges Video mit Ausschnitten aus der Oper von der Übertragung der Metropolitan Opera in diesem Monat


    https://www.bilibili.com/video…9&spm_id_from=333.337.0.0


    MET OPERA: EURYDICE (Matthew Aucoin), Cineplex CAPITOL Kassel, 4 December  2021

    Matthew Aucoin Eurydice
    Metropolitan Opera, New York
    Yannick Nézet-Séguin
    Eurydice - Erin Morley
    Orpheus - Joshua Hopkins, Jakub Józef Orliński
    Eurydice's Father - Nathan Berg
    Hades - Barry Banks



    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • Ergänzung zu #86[29]


    Die Opéra Royal de Wallonie in Liège präsentierte 2019 Glucks Oper Orphée et Eurydice als eine Koproduktion mit sieben weiteren Theatern, die auf eine Version zurückgreift, die Hector Berlioz auf Wunsch von Pauline Viardot 1859 für das Théâtre-Lyrique in Paris erstellt hatte. Anders als die italienischsprachige Erstaufführung (1762 Wien) und die von Gluck selbst konzipierte französische Tenor-Fassung (1774 Paris), die jeweils aus 3 Akten und abschließendem Ballett bestehen, weist diese Version vier Akte auf. In Zusammenarbeit mit Viardot, die Orphée sang, traf Berlioz eine Auswahl aus den beiden früheren Kompositionen, verzichtete auf Balletteinlagen, kürzte manche Szenen, darunter das ausführlichere Finale und nahm Änderungen in der Instrumentation vor. Die männliche Titelrolle besetzte er nun „offiziell“ mit einem Mezzosopran und reglementierte so eine Tradition, die bereits in den frühen 1820er Jahren begründet wurde, als in Berlin der Orfeo von einer Altistin gesungen wurd

    Die Arie "J'ai perdu mon Eurydice" gehörte schon lange vor der Uraufführung der Berlioz/Viardot'schen Fassung von Glucks "Orphée" zu Pauline Viardots festem Repertoire. Kurz nach der Uraufführung der Neufassung am 18. November 1859 berichtete sie Julius Rietz von dem Erfolg und schrieb u. a. über ihre Interpretation der berühmten Arie: "[...] mais qui a été le point culminant, c'est l'air "J'ai perdu mon Euridice." Je crois avoir trouvé trois bonnes manières de dire le motif. La 1re fois, douleur etonnée, presque immobile. 2me repris - étouffée par les larmes (on a applaudi pendant 2 minutes et on voulait bis!!!) La 3me fois éclats de désespoir." (Pauline Viardot an Julius Rietz, Brief vom 21.11.)

    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • KlickErgänzung zu #86[29]


    Die Opéra Royal de Wallonie in Liège präsentierte 2019 Glucks Oper Orphée et Eurydice als eine Koproduktion mit sieben weiteren Theatern, die auf eine Version zurückgreift, die Hector Berlioz auf Wunsch von Pauline Viardot 1859 für das Théâtre-Lyrique in Paris erstellt hatte. Anders als die italienischsprachige Erstaufführung (1762 Wien) und die von Gluck selbst konzipierte französische Tenor-Fassung (1774 Paris), die jeweils aus 3 Akten und abschließendem Ballett bestehen, weist diese Version vier Akte auf. In Zusammenarbeit mit Viardot, die Orphée sang, traf Berlioz eine Auswahl aus den beiden früheren Kompositionen, verzichtete auf Balletteinlagen, kürzte manche Szenen, darunter das ausführlichere Finale und nahm Änderungen in der Instrumentation vor. Die männliche Titelrolle besetzte er nun „offiziell“ mit einem Mezzosopran und reglementierte so eine Tradition, die bereits in den frühen 1820er Jahren begründet wurde, als in Berlin der Orfeo von einer Altistin gesungen wurd

    Die Arie "J'ai perdu mon Eurydice" gehörte schon lange vor der Uraufführung der Berlioz/Viardot'schen Fassung von Glucks "Orphée" zu Pauline Viardots festem Repertoire. Kurz nach der Uraufführung der Neufassung am 18. November 1859 berichtete sie Julius Rietz von dem Erfolg und schrieb u. a. über ihre Interpretation der berühmten Arie: "[...] mais qui a été le point culminant, c'est l'air "J'ai perdu mon Euridice." Je crois avoir trouvé trois bonnes manières de dire le motif. La 1re fois, douleur etonnée, presque immobile. 2me repris - étouffée par les larmes (on a applaudi pendant 2 minutes et on voulait bis!!!) La 3me fois éclats de désespoir." (Pauline Viardot an Julius Rietz, Brief vom 21.11.)

    Lieber Orfeo, na so unbekannt ist die franz. Fassung doch nicht !


    Hättest deinen Beitrag besser hier platzieren können !


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Die drei Fassungen von Glucks Orpheus-Oper, die gerne verwechselt werden.


    ORFEO ED EURIDICE 1762

    Azione drammatica in tre atti

    Libretto: Ranieri de' Calzabigi


    Orphée et Euridice 1774

    Oper in drei Akten


    ORPHÉE ET EURYDICE 1859

    HECTOR BERLIOZ/PAULINE VIARDOT VERSION

    OPERA IN FOUR ACTS


    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo



  • Michael Tippett

    King Priam
    Oper in drei Akten - UA 29. Mai 1962 in Coventry

    Libretto von Michael Tippett nach Homers "Ilias"
    und den "Fabulae" von Gaius Julius Hyginus.


    Oper in drei Akten - Libretto von Michael Tippett nach der "Ilias" von Homer und den "Fabulae" von Gaius Julius Hyginus.


    Der Komponist Michael Tipett wurde bis zum Erscheinen seiner zweiten Oper "King Priam" nur als zweitrangig eingestuft. Aber diese Oper veränderte seinen Ruf vollkommen. Sie wurde 1962 bei einem Festival zur Feier der Eröffnung der neu aufgebauten Kathedrale von Coventry uraufgeführt, die während des Zweiten Weltkriegs bombardiert worden war. Am folgenden Abend fand übrigens auf demselben Festival die Uraufführung von Brittens "War Requiem" statt. "King Priam" ist nicht einfach eine aktuelle Nacherzählung von Homers Geschichte, sondern ein Werk, das zu jeder Zeit und an jedem Ort relevant ist. Hauptthema ist die rätselhafte Natur einer jeden menschlichen Wahl, wie hier in den Beziehungen zwischen König Priamos von Troja, seiner Frau Hekabe, ihren Söhnen, Hector und Paris und deren Frauen Andromache und Helen. Bei Homer steht der Krieg im Vordergrund, aber in Tippetts Oper ist er nur ein Hintergrund für die Haupthandlung.


    Sein Ausgangspunkt ist über drei Akte eine Reihe von Themen, die etwa acht Altersstufen entsprechen: Geburt, Knabenzeit, Junge Liebe, Krieger, Frauen, Urteil, Barmherzigkeit, Tod. In jeder betitelten Szene werden die Charaktere mit einer Reihe von Entscheidungen konfrontiert. Das "Gesetz des Lebens" (wonach die Entscheidung für das eine Gebot ein Schuldigwerden gegen das andere bedeutet) durchzieht Michael Tippetts "King Priam" vom beklemmenden Anfang bis zum blutigen Ende. Priamos, dem König von Troja, war geweisagt worden, dass sein neugeborener Sohn Paris ihm den Tod und Troja das Verderben bringen werde. Als liebender Vater will Priamos den Sohn zwar leben lassen, als verantwortungsvoller König muss er ihn aber töten lassen. Aber Paris wird vor von einem Hirten vor dem Tod gerettet. Schließlich wird er Jahre später wieder mit seiner Familie vereint, woraufhin Priamos seine Entscheidung rückgängig macht – und das Unheil nimmt seinen Lauf. Der junge Prinz Paris verliebt sich in Helena, die Frau des griechischen Königs Menelaos, bringt diese nach Troja – das blutüberströmte Ende aller Helden auf beiden Seiten und der Untergang Trojas ist bekannt.


    Libretto (engl.) King Priam

    Booklet mit Inhaltsangabe (mehrsprachig) der unten vorgestellten Aufnahme bei CHANDOS (u.a. mit dem im Forum mehrfach erwähnten Norman Bailey)






    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo



  • Louis Théodore Gouvy zwei Opern


    Der Komponist wurde am 3.Juli 1819 in Goffontaine in Lothringen geboren und starb am 21.April 1898 in Leipzig.

    Théodore Gouvy gehört zu den bedeutenden aber leider wenig bekannten Komponisten des 19. Jahrhunderts, der angesichts seiner Zugehörigkeit zu zwei musikalischen Kulturen in politisch schwierigen Zeiten in Deutschland und in Frankreich zu Lebzeiten zugleich gefeiert und verkannt wurde. Auf französischer Seite waren Missverständnisse und Widerstände gegen Gouvys Schaffen zum Teil größer als in Deutschland, da nicht das Musiktheater im Zentrum seines Schaffens stand, sondern Gattungen, die im deutschen Musikleben neben der Oper die wichtigste Rolle spielten. Zu den kulturellen Differenzen, die sich u.a. an der Wahl bestimmter Gattungen – Streichquartett, Klaviertrio, Symphonien, Lieder – und ihrer stilistischen Orientierung zeigen, kommt hinzu, dass Gouvy sich einen ganz eigenen Weg bewahrte und vom Mainstream des Wagnerismus distanzierte.


    Obwohl als Kind einer wohlhabenden Familie französischer Industrieller geboren, erhielt Gouvy die deutsche Staatsbürgerschaft, da seine Geburtsstadt Homburg–Haut bereits vier Jahre vor seiner Geburt aufgrund des zweiten Pariser Friedens an Preußen gefallen war. Die französische Staatsbürgerschaft wurde Gouvy erst im Alter von 32 Jahre zuerkannt. Seiner Herkunft und seinem Herzen nach Franzose, wurde sein musikalisches Schaffen gleichermaßen von französischen und deutschen Einflüssen geprägt: Seine musikalische Ausbildung erhielt Gouvy privat bei den Franzosen Antoine Elwart und Pierre Joseph Zimmermann, denn aufgrund der fehlenden französischen Staatsbürgerschaft verwehrte ihm Frankreich den Zugang zum Examen an französischen Universitäten und zum Conservatoire de Paris. Seine musikalischen Vorbilder fand er in Joseph Haydn, Ludwig van Beethoven und Robert Schumann.

    Gouvy war 1844 Mitglied eines Künstlerkreises um Cesar Franck und Nils Gade in Rom, lernte Frédéric Chopin und Hector Berlioz kennen, pflegte eine lebhafte Korrespondenz mit Camille Saint-Saëns, Théodore Dubois, Franz Liszt und Johannes Brahms. Seine erste Sinfonie op. 9 wurde 1847 in Paris uraufgeführt und von der Kritik positiv angenommen, im selben Jahr zählte die "Gazette Musicale" Gouvy bereits zu den wichtigsten zeitgenossischen Komponisten seiner Generation. Im "Journal des Débats" äußerte sich Berlioz am 1851 wohlwollend über Gouvy.

    1873 wurde er in den Ausschuss der "Société nationale de musique" gewählt, weitere Ehrungen folgten. Dennoch war Gouvy über den lange ausgebliebenen Erfolg seiner Musik enttäuscht und lehnte daher 1875 aus gekränktem Stolz den Prix Chartier für das beste Streichquartett ab. Nach dem Tod seiner Mutter 1868 zog Gouvy nach Hombourg-Haut in die Villa seines Bruders Alexandre und dessen Frau Henriette, die Gouvys Werk schätzte und seine Arbeit förderte. Alexander ermöglichte es den beiden,die Zeit des Deutsch-französischen Krieges gemeinsam in sicheren Schweizer Exil zu verbringen. Nach dem Frankfurter Frieden von 1871 fiel schließlich auch Hombourg-Haut an Deutschland.


    Nachdem er sich bereits 1862 den Erwartungen der Pariser Musikwelt gebeugt hatte, die zu jener Zeit von der italienischen Oper geprägt war, indem er die Arbeit an einer ersten Oper aufnahm, „Le Cid“, nach dem gleichnamigen Theaterstück von Pierre Corneille, schuf er erst 1896 seine zweite Oper "Fortunato" nach einm Motiv von Prosper Mérimée.

    Gouvy zog es eher zur Instrumentalmusik als zur Oper und führte das letzte Drittel seines Lebens fast ausschließlich in Deutschland, wo er sich mehr geschätzt fühlte. Insbesondere schrieb er vierundzwanzig Kompositionen für Orchester, darunter mehrere Symphonien sowie Ouvertüren und Variationen. Die Kammermusik macht einen großen Teil von Gouvys Werken aus und umfasst insbesondere vier Sonaten in Duettform, fünf Trios, elf Quartette, sieben Quintette, ein riesiges Klavierrepertoire, mehrere Partituren für Bläserensembles sowie viele Melodien und Lieder. Es gibt auch fünf dramatische Kantaten: Aslega, Œdipe à Colone, Iphigénie en Tauride, Électre, und Polyxène sowie einige große religiöse Werke, darunter ein Requiem, ein Stabat Mater, eine Messe und die Kantate Golgatha.Ab 1874 war die von ihm komponierte Chormusik überwiegend in großen deutschen Städten (Leipzig, Wiesbaden, Duisburg, Halle, Frankfurt am Main und Frankfurt/ Oder) aufgeführt worden. Nach Paris kehrte er erst 1889 zurück.


    Gouvy starb auf einer seiner Konzertreisen 1898 in Leipzig an den Folgen eines Herzinfarkts, begraben wurde er in Hombourg-Haut. Théodore Gouvy hat ein vielfältiges Werk aus Instrumental- und Vokalmusik geschaffen, dass „deutschen Ernst mit der französischen Eleganz“ verbindet. Er schuf dieses Werk in einer Zeit großer politischer Spannungen zwischen Deutschland und Frankreich, die im deutsch französischen Krieg (1870 – 1871) gipfelten. Gouvy wurde 1894 nach dem Tod von Anton Rubinstein in die Académie des Beaux-Arts in Paris und 1895 in die König-Preußische Akademie in Berlin gewählt.

    Nach seinem Tod wurde sein Werk ein Jahrhundert lang fast vollständig vergessen. Obwohl sein Werk mehr als zweihundert Kompositionen umfasst, darunter 90 zu seinen Lebzeiten veröffentlichte Werke, wird es heute weitgehend ignoriert.


    Die Opern

    Le Cid 1863, Oper in drei Akten von Louis Théodore Gouvy, Libretto von Moritz Hartmann nach Pierre Corneille. UA 3. Juni 2011 Saarbrücken. 1864 hatte sich das sächsische Hoftheater (die heutige Semperoper) für das Werk interessiert. Ein Jahr lang hatte Gouvy mit dem berühmten Tenor Ludwig Schnorr von Carolsfeld, der für die Hauptrolle eingeplant wurde, intensiv gearbeitet. Dieser verstarb aber überraschend. Die Oper wurde daraufhin zurückgezogen und 1885 triumphierte Jules Massenet mit seinem „Cid“ in Paris. Gouvys Oper und kam erst 2011 zur Aufführung.


    Die künstlerische Erhöhung des mittelalterlichen Helden Rodrigo Diaz, der im 11. Jahrhundert teils mit den christlichen Spaniern, teils auf Seite der moslemischen Mauren kämpfte und von diesen den seinen Beinamen erhielt, kann auf eine lange Theater-Geschichte zurückblicken. An deren Anfängen steht 1618 die Trilogie „Las mocedades del Cid“ des Dramatikers Guillén de Castro (1569–1631). Sie diente Pierre Corneille als Vorbild für dessen Tragikomödie, die 1636 im Pariser Théâtre du Marais uraufgeführt wurde, diese wiederum Moritz Hartmann für ein Libretto, das Gouvy in den 1860er-Jahren komponierte.


    Im Zentrum der Handlung steht der Konflikt zwischen Liebe einerseits, Ehre und Pflichtbewusstsein andererseits. Die junge Adlige Chimène klagt beim König ihren Verlobten Don Rodrigue an, weil der ihren Vater, der wiederum dessen schon alten Vater beleidigt hatte, zum Duell gefordert und tödlich verletzt hat. Der König will jedoch Rodrigue nicht bestrafen, weil der sich als Heerführer gerade große Verdienste bei der Verteidigung der Stadt Sevilla erworben hat und weil er zu wissen glaubt, dass Chimène ihn liebt. Diese streitet das ab und besteht auf Bestrafung, wobei sie sogar ihre Hand demjenigen verspricht, der die Strafe vollzieht. Tatsächlich erbietet sich ein junger Adliger, sich für sie mit Don Rodrigue zu duellieren. Als er, wie sie glaubt, als Sieger zu ihr zurückkehrt, lässt sie ihrer Trauer um den vermeintlich toten Rodrigue freien Lauf und gelobt, lieber ins Kloster zu gehen als zu heiraten. Der König klärt das Missverständnis auf und verlobt sie kraft Amtes mit dem in Wahrheit siegreichen Rodrigue.


    Nachdem seit einiger Zeit von französischer Seite der Komponist Gouvy mit erheblichen Anstrengungen durch eine Aufführung von Fortunato wieder in Erinnerung gebracht wurde, hat nach dem Opernhaus in Metz das Saarländische Staatstheater reagiert und erinnerte 2011 mit der Erstaufführung von Le Cid an den in der Nähe von Saarbrücken geborenen Gouvy.




    Le Cid: Rodrigo: Hans-Georg Priese; Diego: Hiroshi Matsui; Ximene: Christa Ratzenböck; Elvira: Elizabeth Wiles;

    Gormas: Olafur Sigurdarson; König: Guido Baehr; Alonzo: Algirdas Drevinskas; Erster Maurenkönig: Tereza Andrasi; Zweiter Maurenkönig: Chang-Kyu Lim; Dritter Maurenkönig: Jiri Sulzenko

    Chor des Saarländischen Staatstheaters Orchester des Saarländischen Staatstheaters unter Arthur Fagen


    Einen mp3 Mitschnitt findet man noch bei operapassion.com. Die CD gibt es sonst nicht im Handel


    Fortunato

    Oper in einem Akt 1896, UA 27.Mai 2011 Metz, nach einer Erzählung "Mateo Falcone" von Prosper Mérimée, Libretto vom Komponisten




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    Handlung

    Die Erzählung spielt zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf Korsika, unweit der Stadt Porto Vecchio. Mateo Falcone ist ein respektierter und angesehener Mann, der mit seiner Frau und seinem Sohn Fortunato einen kleinen Gutshof besitzt. Der besondere Respekt beruht unter anderem darauf, dass Mateo als guter Schütze gilt und dafür bekannt ist, keinem Konflikt aus dem Wege zu gehen.

    Eines Tages bricht er mit seiner Frau auf, um nach seiner Herde zu sehen. Er lässt den 10 Jahre alten Fortunato für einige Stunden zurück mit dem Auftrag, Haus und Hof zu bewachen. In dieser Zeit hört der Junge eine Schießerei, kurz danach kommt ein von Polizisten angeschossener Bandit auf den Hof und sucht dort Zuflucht. Fortunato versteckt ihn in einem Heuhaufen, jedoch erst nachdem der Bandit ihm Geld gegeben hat. Wenige Minuten später kommt auch die Polizei und fragt Fortunato, ob er den Banditen gesehen habe. Der Junge verneint, doch einer der Polizisten glaubt ihm nicht und verspricht ihm eine Taschenuhr, wenn er das Versteck preisgibt. Fortunato kann der Versuchung nicht widerstehen und deutet auf den Heuhaufen.

    In diesem Moment kehren Mateo und seine Frau zurück und werden Zeugen der Verhaftung des Banditen. Als der Sergeant Mateo erklärt, dass der kleine Fortunato ihnen beim Fangen des Banditen geholfen hat, stellt Mateo fest, dass sein Sohn einen Verrat begangen hat. Sein ruhmreicher Name und sein Ruf sind beschädigtt. Die Worte des Gefangenen sind voller Verachtung: "Haus des Verräters!" Mateo wird klar, dass bald jeder von diesem Ereignis erfahren wird. Außerdem verspricht der Sergeant, Falcones Namen in dem Bericht zu erwähnen. Brennende Scham und Empörung packen Mateo, als er seinen Sohn ansieht. Für Mateo ist der Verrat seines Sohnes eine Verletzung der Familienehre. Um seine Ehre zu erhalten sieht sich gezwungen, ihn zu erschießen.


    Es gibt keinerlei Aufzeichnungen dieser Oper.

    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

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  • Pauline Viardot


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    Pauline Viardot (links im Alter von ca. 22 Jahren, rechts im Alter von ca. 83 Jahren)


    Le dernier Sorcier Cendrillon


    Vita der Komponistin

    Als jüngstes von drei Kindern wurde Pauline García am 18. Juli 1821 in eine aus Andalusien nach Paris zugewanderte Musikerfamilie geboren. Beide Eltern waren Sänger, der Vater zudem Komponist und Gesangslehrer. «In dieser Familie García war Musik die Luft, die man atmete», schrieb später Camille Saint-Saëns, der Pauline seine Oper «Samson et Dalila» widmete. Die Familie übersiedelte 1823 mit der Zweijährigen und ihren Geschwistern nach London. Dort begann die fulminante Karriere von Paulines Schwester Maria im «Barbiere di Siviglia» von Rossini, mit dem die Familie persönlich eng verbunden war.

    Von London zogen die Garcías weiter in die USA, wo Maria durch Heirat den Namen Malibran erhielt. Außer (der noch zu kleinen) Pauline wirkten alle Familienmitglieder 1826 in New York bei der amerikanischen Erstaufführung von Mozarts «Don Giovanni» in Anwesenheit des betagten Lorenzo Da Ponte mit.

    Paulines Ambition strebte zunächst eine Laufbahn als Pianistin und Komponistin an. Doch als 1836 ihre Schwester Maria Malibran starb, war für die Familie klar, dass Pauline deren Nachfolge antreten sollte. Nach dem frühen Tod von Vater und Schwester musste sie als Siebzehnjährige auf den Opernbühnen der Welt für sich und die Mutter sorgen.

    Die Begabung dafür hatte sie, aber sie musste sich damit abfinden, noch nach Jahren stets als die Schwester der Malibran präsentiert zu werden. Nach erfolgreichem Karrierebeginn heiratete sie 1840 den 21 Jahre älteren Kunstkritiker und Sammler Louis Viardot, der sein Amt als Direktor des Pariser Théâtre-Italien aufgab, um fortan als ihr Manager zu wirken und sie auf ihren Reisen zu begleiten. Das Timbre ihrer Stimme fand nie ungeteilten Beifall – Arno Lücker nannte sie deshalb „die Maria Callas des 19. Jahrhunderts“. Viardots Erfolg muss wesentlich auf ihrer Ausdrucksintensität beruht haben. Ihrem buchstäblich grenzenlosen Interesse an der Musik hatte sie schließlich Tribut zu entrichten: «Ich wollte alles singen und habe mir dabei die Stimme ruiniert.» Mit 42 Jahren nahm sie offiziell Abschied von der Opernbühne. Doch ihr Leben blieb auch weiterhin erfüllt: Viardot konzentrierte sich aufs Komponieren, Unterrichten und aufs Netzwerken. Sie förderte Gounod, Massenet und Fauré, der ihr einen Nachruf geschrieben hat, in dem er sie als ›presqu’une collaboratrice‹ bezeichnet. Mit Saint-Saëns war sie eng verbunden. Der Karneval der Tiere ist in ihrem Salon uraufgeführt worden. Sie komponierte neben ihren "Mélodies" auch Kammermusik und Bühnenwerke, darunter die opéra comique «Cendrillon» und die Salon-Operette «Le dernier sorcier». Clara Schumann bezeichnete ihre Freundin als die «genialste Frau, die mir je vorgekommen».


    Überliefert sind zu ihren Bühnenwerken eigentlich nur wenige Details zu Le Dernier Sorcier. Von Cendrillon, das sie ganz am Ende ihres Lebens für Gesang, Klavier und einen kleinen Chor geschrieben hat, gibt es außer den Noten nur einige Realisierungsvorlagen, die sie außerdem immer wieder variiert hat. Vor kurzem ist bekannt geworden, dass Richard Bonynge, der Mann der Sopranistin Joan Sutherland, Teile des Viardot-Nachlasses, den Sutherland besessen hat, nach Havard gegeben hat, aber auch einiges zurückgehalten hat. Die Frage ist, welche Schätze da noch liegen. Auch die Sängerin Marilyn Horne hat sich sehr früh für die Viardot engagiert, weil sie selbst auch eine vergleichbare Stimme mit einem solchen Wahnsinnsumfang hat, die alles konnte. Und auch sie hat viel im Privatbesitz, und wir wissen leider nicht, was darin enthalten ist.


    Le dernier sorcier - Operette de Salon nach einem Libretto von Ivan Turgenev

    UA 20. September 1867, Villa Turgenev in Baden-Baden (private Aufführung),

    am 8. April 1869 im Hoftheater Weimar in deutscher Übersetzung als Der letzte Zauberer


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    Im Manuskript einer frühen Fassung (“Texte d'Ivan Tourgueneff,musique de Pauline Viardot “) trägt die Kammeroper den Titel "Le dernier des Sorciers" und die Protagonisten Stella und Lelio heißen hier Marthe und Robert.


    Turgenevs Freund, Louis Pomey, war Krakamiche in den ersten Aufführungen. Marie Hasselmans spielte Stella. Viardots Tochter Louise übernahm die Rolle des Lelio, Tochter Claudie war die Königin, Tochter Marianne spielte Verveine und Paul den Perlimpinpin (die meisten dieser Rollen wurden gesprochen). Viardot begleitet am Klavier, dem einzigen Instrument in der Originalpartitur. Das Publikum bestand aus geladenen Gästen: Künstlern, einigen Politikern und der deutschen Prinzessin und späteren Kaiserin Augusta von Sachsen-Weimar-Eisenach, die voller Begeisterung ihren Ehemann Wilhelm Friedrich Ludwig von Preußen (den späteren Kaiser Wilhelm I.) zu einer weiteren Aufführung mitnahm und anlässlich des Geburtstages des Prinzen Friedrich Wilhelm am 17. Oktober eine weitere Vorstellung erbat.


    Handlung

    In einem Wald in einem weit entfernten Land lebt Krakamiche, der in seiner Jugend ein mächtiger und gefürchteter Zauberer war und einen prächtigen Zauberpalast mit einem Diener im Wald herbeizauberte. Aber die Zeit hat seine Macht so sehr vermindert, dass der Palast nur noch eine Hütte ist, der Diener alt ist und Krakamiche seinen Zauberstab nur mit Mühe gebrauchen kann, um sein tägliches Brot herbeizurufen. Er lebt dort zusammen mit seiner Tochter Stella.
    Im selben Wald leben Elfen, regiert von einer Königin, die Krakamiches Feindin ist. In seiner Jugend stahl Krakamiche deren Land im Wald; die Elfen konnten ihn aber aufgrund seiner Macht nicht bekämpfen. Auf seine alten Tage belästigen und ärgern sie ihn gerne.

    In der Nähe wohnt Prinz Lelio, der Sohn eines Königs, der oft im Wald jagt. Er hat sich in Stella verliebt und will sie heiraten.
    Zusammen mit ihrer Königin planen die Elfen, sich zu verkleiden und Krakamiche dazu zu bringen, Zaubergras zu nehmen, das ihm vorgaukelt, wieder jung zu sein. Die Königin macht Prinz Lelio einen Vorschlag: als Gegenleistung dafür, dass er ihren Anordnungen folgt, schenkt sie ihm eine magische Blume, die ihn verschwinden lässt (die Blume funktioniert allerdings nur nachts).
    Krakamiche jammert ständig über sein Schicksal und wirft seinen langjährigen Diener Perlimpinpin aus dem Haus. Die Königin erzählt Stella von ihrer bevorstehenden Begegnung mit Lelio; der kann es kaum erwarten, die Zauberblume zu benutzen, um sich Stella ungesehen zu nähern. Er zieht sich jedoch zurück, als er Stella zusammen mit Krakamiche sieht. Krakamiche trägt ein Buch mit Zaubersprüchen mit sich und sucht nach der Beschwörungsformel, um die Macht der Königin zu brechen. Er begehrt Reichtum und will Rache, Stella aber will keinen Reichtum, sondern nur ein glückliches Zuhause. Lelio tritt mit der magischen Blume auf. Er und Stella singen gemeinsam, doch Krakamiche kann Lelio nicht sehen sondern nur hören, weshalb er glaubt, die richtigen Zauberworte gefunden zu haben. Lelio kniet vor Stella, lässt dabei aber die Blume fallen. Das macht ihn sichtbar für Krakamiche, der sicher ist, es sei seine eigene Macht gewesen, die den Prinzen erscheinen liess. Er spricht einen Zauber aus, um ein Monster zu beschwören, das den Prinzen vernichten soll. Aber statt eines Ungeheuers bringt der Zauber eine Ziege hervor, und Krakamiche fällt vor Erschöpfung in Ohnmacht. Als Stella und Lelio ihm zu Hilfe eilen, erscheint die Königin um dem jungen Paar zu helfen. Krakamiche stimmt der Heirat seiner Tochter endlich zu und verspricht, den Wald zu verlassen und mit seiner Tochter und seinem Schwiegersohn in dessen Schloss zu leben. Die Königin lässt mit ihrem Zauberstab Krakamiches Hütte verschwinden, während die Elfen sich über die Rückkehr in ihren Wald freuen.


    Notenmaterial und Text (engl./franz) als PDF ab Seite 57 in

    PAULINE VIARDOT’S LE DERNIER SORCIER - AN INTRODUCTION TO AN OPERETTA (243 Seiten)


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    Es gibt eine Tonaufnahme von 2019 siehe auch #63


    und das Video einer Aufführung von 2018 aus dem Teatro Villamarta in Jerez


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    Cendrillon Aschenputtel - Aschenbrödel - Cenerentola - Cendrillon - Cenicienta


    Im Rahmen der Threadrestaurierung von MOD 001 Alfred hinzugefügt om 16.6.2024:




    Die erste, in Westeuropa erschiene Fassung des Märchens, La Gatta Cenerentola, schrieb Giambattista Basile (1575–1632). Die Version des italienischen Märchenerzahlers wurde zur Quelle für weitere Bearbeitungen des Stoffs.

    In Basiles Märchen gibt es einen Vater, der seine Tochter Lukrezia sehr liebt, doch die böse Stiefmutter macht dieser das Leben schwer. Lukrezia wendet sich an die Hofmeisterin, die ihr rät, die Stiefmutter umzubringen, was Lukrezia auch tut. Der Vater heiratet die Hofmeisterin, doch diese macht eine solche Wandlung zum Bösen durch, dass nun eine andere böse Stiefmutter mit ihren sechs Töchtern das Haus beherrscht. Lukrezia wird nur noch Aschenkatze genannt, da sie die schmutzigen Hausarbeiten verrichten muss. Nach einer Reise bringt der Vater seiner Aschenkatze einen Zweig und Gartenwerkzeug mit. Der eingepflanzte Zweig entwickelt sich zu einem Baum, aus dem später eine Fee zum Vorschein kommt. Als die Schwestern eines Tages zu einem Fest gehen, will Aschenkatze auch dabei sein; ihr Wunsch wird von der Fee erfüllt, in einem wundervollen Kleid bezaubert sie den König. Unerkannt entwischt sie, verliert jedoch ihren Schuh. Der König lädt daraufhin zur „Schuhanprobe ein. Auch Aschenkatze ist anwesend und der Schuh rutscht von selbst auf ihren Fuß. Happy-End: der Konig und Lukrezia heiraten.


    Eine weniger grausame Version des Stoffes gestaltete Charles Perrault 1697 mit Cendrillon ou La petite pantoufle de verre. Er verwendete die Geschichte Basiles als Vorlage, lässt aber mehr magische Elemente einfliesen. Cendrillon lebt mit ihren Stiefschwestern und der bösen Stiefmutter zusammen. Cendrillon wird von ihnen gedemütigt und muss die ganze Hausarbeit verrichten. Eines Tages veranstaltet der königliche Hof einen Ball. Die Stiefschwestern machen sich zurecht und Cendrillon würde sie gerne begleiten, muss jedoch zu Hause bleiben. In ihrer Not wendet sich Cendrillon an ihre Patin, die gute Fee. Die zaubert ihr aus einem Kurbis eine Kutsche, aus Mäusen prächtige Pferde und Cendrillon selbst bekommt ein wunderschönes Kleid und gläserne Schuhe. Die Fee warnt jedoch davor, dass der Zauber nur bis Mitternacht anhält. Am ersten Ballabend zieht Cendrillon alle Blicke auf sich, bleibt aber unerkannt; am zweiten Abend vergisst sie die Zeit und verliert auf dem Rückweg einen Schuh. Der Prinz sucht sie und findet schließlich seine Cendrillon. Perraults Fassung ist Grundlage für Pauline Viardots Oper Cendrillon (übrigens auch für Walt Disney's Zeichentrickfilm Cinderella).


    In der gedruckten Ausgabe der Partitur von Pauline Viardots Cendrillon, die im Jahr 1904 in Paris erschien, ist das Werk mit dem Untertitel "Operette de salon" versehen. Werke, die dieser Gattung angehören, werden kaum noch oder allenfalls (wie Viardots Cendrillon) nach langer Vergessenheit wieder aufgeführt und sind aus dem heutigen Musikleben fast verschwunden.

    Der Begriff der Operette oder Opera de salon bezeichnete ein Musiktheaterstück 'en miniature', das eigens für die Auffuhrung in kleinem und provisorischem Rahmen konzipiert war, wie ihn z. B. die Salons im 19. Jahrhundert darstellten.

    Die Gattung entstand um 1850 in Paris und existierte einige Jahrzehnte lang. Die meisten chancenlosen Jung-Komponisten nahmen den Ausweg der privaten Aufführung neuer Werke in einem der Salons der Hauptstadt, wobei die Orchesterbegleitung notgedrungen mit dem Klavier bestritten werden musste.

    Als Pauline Viardot in den 1860er Jahren ihre ersten Operettes de salon komponierte, war ihre Situation freilich eine ganz andere: aufgrund ihrer beruflichen Laufbahn als europaweit erfolgreicher Opernstar war sie nicht darauf angewiesen, als Komponistin Geld zu verdienen. Pauline Viardot schrieb ihre Operettes de salon vielmehr fur den Eigenbedarf, denn wo immer sie gerade ihren Wohnsitz unterhielt, führte sie einen eigenen Salon.


    Als Pauline Viardot 1904, im Alter von 82 Jahren, die "Operette de salon" Cendrillon für mehrere Auffuhrungen mit ihren Schülerinnen inszenierte, waren ihre Begeisterungsfahigkeit und ihr Engagement ungebrochen. Mit grosser Lebendigkeit schrieb sie am 15. Februar 1904 an Hugues Imbert: „Leider habe ich morgen keine Zeit – ich habe eine Probe fur mein Ungeheuer von einer Operette und meine Abwesenheit ware eine Katastrophe, denn ich vereine von 3 bis 10 Uhr abends alle Funktionen eines Theaters in mir, einschlieslich der Köchin.“ Außer der Musik stammt auch das Libretto von Pauline Viardot (übrigens das einzige von ihr selbst verfasste Libretto)

    Handlung

    Marie (Cendrillon) ist Mädchen für alles im Haus ihres Vaters, des ehemaligen Gemüsehändlers und Emporkömmlings Baron de Pictordu. Die Oper beginnt damit, dass Marie das Lied von einem Prinzen singt, der heiraten möchte (Il etait jadis un prince). Ein Bettler (der verkleidete Prince Charmant) bittet um Essen und Geld, und Marie bietet dem Bettler die wenigen Münzen an, die sie hat, bevor ihre Schwestern Armelinde und Maguelonne das Zimmer betreten, um den Bettler zu verscheuchen. Wieder klopft es an der Tür, wieder ist es der Prinz, diesmal verkleidet als Kammerdiener Barigoule, der alle zu einem Ball am Abend einlädt.


    Während Baron Pictordu im Bademantel auftaucht, denkt Marie an den charmanten Kammerdiener. Die Schwestern rufen Marie und Maguelonne erklärt dieser, dass sie nicht an dem Ball teilnehmen darf. Nachdem der Baron, Maguelonne und Armalinde gegangen sind, singt Marie ihr Lied erneut und die Gute Fee kommt, um Marie zu helfen, indem sie einen Kürbis in eine Kutsche, Mäuse in Pferde, Eidechsen in Lakaien und eine Ratte in einen Kutscher verwandelt. Marie soll aber bis Mitternacht zurück zu sein, sonst würde der Zauber nicht mehr wirken. Sie gibt Marie Schuhe und einen magischen Schleier, der ihre Lumpen in ein wunderschönes Kleid verwandelt. La Fee schickt ihre Patentochter auf den Weg und geht dann selbst auch zum Ball.


    Im Palast haben der Prinz und Barigoule für den Abend noch einmal die Rollen getauscht. Dann kommt Pictordu mit seinen Töchtern (ohne Marie) und kurz danach erscheint eine Unbekannte. Die Menge ist verblüfft von ihrer Schönheit, der Prinz erkennt, dass es die Frau ist, in die er sich als Bettler verliebt hat, und Marie erkennt den Prinzen als den charmanten Mann. Nachdem der Prinz und die Menge ihre Fassung wiedergefunden haben, schlägt Barigoule ein Lied vor. (Die Partitur gibt vor, dass dies ein beliebiges Lied nach Wahl des Sängers oder Regisseurs sein kann. In vielen Aufführungen der Oper werden Viardots vokale Adaptionen von Chopins Mazurkas verwendet). Nach dem Tanz geht die gesamte Menge zum Buffet, während Marie und der Prinz nur noch einen kurzen Moment allein haben, weil es bald Mitternacht ist. Marie verliert in der Eile ihren Schuh.

    Baron Pictordu wacht nach durchzechter Nacht auf und bemerkt, dass der Prinz eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit jemandem hatte, den er einst kannte. Barigoule (diesmal der echte) enthüllt, dass er eigentlich nicht der Prinz ist und dass er als Gemüsehändler früher mit Pictordu zusammengearbeitet hat. Barigoule erklärt, dass der Prinz die passende Dame zum linken verlorenen Schuh sucht. Der (echte) Prinz bedankt sich bei den Damen dafür, dass sie auf seinen Appell reagiert haben und weist Barigoule an, bei jeder den Schuh anzuprobieren. Der Schuh passt weder Armelinde noch Maguelonne, woraufhin der Prinz entscheidet, dass die mysteriöse Dame wohl nicht aus diesem Haus stammen kann. Barigoule erinnert sich aber daran, dass es drei Damen im Hause Pictordu gibt. Der Prinz befragt Amalinde und Maguelonne dazu und es stellt sich heraus, dass die dritte Schwester in der Küche ist. Marie wird ins Zimmer gebracht und der Schuh passt perfekt. Der Prinz bittet Marie sofort, ihn zu heiraten, ihre Familie bittet sie um Vergebung, die Gute Fee kehrt zurück, um dem neuen Paar ihre guten Wünsche zu überbringen und die Menge besingt, wie fröhlich und glücklich das neue Paar sein wird.


    Das Libretto steht hier mit

    Link als PDF-Download bereit


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    "Il etait jadis un Prince" mit u.a. Sandrine Piau


    Auflistung wichtiger Stationen im Leben von Pauline Viardot, Rollenverzeichnis und Galerie

    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • Ein Nachtrag zu "Le dernier Sorcier"


    Ich habe das von Richard Pohl (1826-1896) ins Deutsche übersetzte Libretto gefunden und verlinke es hier.

    Gedruckt bei Wilhelm Ferdinand Häcker in Riga, 1870




    Außerdem gibt es einen Holzschnitt von Ludwig Pietsch, der eine Vorstellung in der Orgelhalle der Villa Viardot in Baden-Baden darstellt. Das Bild mit Namen der Abgebildeten hatte ich schon im Thread über Pauline Viardot #59 gepostet, allerdings fehlt eine schmaler Streifen am rechten Bildrand.

    Hier sind Fauré und Bismarck besser zu erkennen.

    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo


  • Noch ein Nachtrag zur deutschsprachigen Version „Der letzte Zauberer“ in Weimar

    Zusätzlich zum obigen Libretto hier das Notenmaterial zu "Der letzte Zauberer"

    Titelblatt und 1. Seite des vollständigen Manuskripts







    Informativ ist auch das, was Nicholas G. Žekulin zu der öffentlichen Weimarer Vorführung in deutscher Sprache 1869 schreibt. Hier ein Auszug erschienen in Zeitschrift für Slawistik 32/87

    "The only one of the little known Viardot—Turgenev operettas to have been performed on a public stage is ,,Le Dernier Sorcier" or, as it became in the translation prepared for the production at Weimar in 1869, „Der letzte Zauberer". Unlike the subsequent Karlsruhe performances, the Weimar production was a qualified success, a fact that has become largely obscured, not the least by the somewhat notorious „review" that Turgenev himself published in the ,,CaHKT-IIeTep6yprcKne BeflOMOCTH". At the time this feuilleton provoked both animosity and ridicule among his compatriots and it is still often considered as something of an embarrassment. In fact however, much of what Turgenev said there can be corroborated from other sources. Nonetheless, it was not until almost one hundred years later that Gregor Schwirtz finally established even the basic facts about this as well as the other performances of ,,Le Dernier Sorcier".1 While preparing a larger-scale study of this operetta, I have been able to obtain addi-tional material which now makes it possible to attempt answers to some of the que-stions concerning the Weimar production that remained unanswered, or not fully answered, in Schwirtz's studies. It is specifically on these questions that I wish to focus in this present study.

    THE INVITATION

    In his feuilleton, Turgenev suggests that the idea for presenting ,,Le Dernier Sorcier" in Weimar came from the Grand Duke, Karl Alexander, whose sister, Augusta Queen of Prussia, was a long-time friend of Pauline Viardot and one of the most enthusiastic of the operettas' supporters in Baden-Baden. Turgenev further notes that ,,0C06eHH0 ropHio npnHHJic« 3a 3το flejio HaxoflHBinHftCH Torna Β BeöMape JIHCT."2 The occasion was to be the celebration of the birthday of the Grand Duchess Sophie on 8 April — an occasion when new works were frequently introduced to the Weimar public — with a second performance three days later, on 11 April. Although Liszt had never heard the Viardot — Turgenev operettas, he would certainly have read about them in the European musical press, where they had received extensive coverage, and his many correspondents undoubtedly kept him well-informed.3 There is, however, no mention of the operetta in Liszt's published correspondence with Karl Alexander prior to his return to Weimar on 14 January 1869 for his first extended visit ........."


    Den 12-seitigen Artikel gibt es hier (als PDF, download möglich)


    Die komplette Abhandlung (170 Seiten) findet sich in "The story of an operetta: Le Dernier sorcier by Pauline Viardot and Ivan Turgenev

    (Vorträge und Abhandlungen zur Slavistik, Band 15) by Nicholas G. Žekulin"




    Rezension zu der Weimarer Aufführung vom 8. April 1869

    NZfM 65 (28.5.1869) "Das Geburtsfest unserer kunstsinnigen Großherzogin SOPHIE (8. April) brachte uns zwei anziehende Novitäten, nämlich: DER GEFANGENE, Oper in 1 Act von Ed. LASSEN, und DER LETZTE ZAUBERER, Operette in 2 Aufzügen von Frau PAULINE VIARDOT=GARCIA. Der Erfolg beider Werke war bei der zweiten Aufführung (bei der ersten unterblieb aus herkömmlicher Rücksicht gegen den Hof jeder laute Beifall) ein sehr freundlicher. Beide Autoren wurden sammt den Hauptdarstellern mehrfach gerufen und mit vielem Beifall ausgezeichnet. Beide Operetten haben, neben ausgezeichneter Instrumentation (auch den LETZTEN ZAUBERER hat Lassen in dieser Beziehung ganz meisterhaft ausgestattet), nobler Melodik, interessanter Rhythmik und Harmonik, leider auch ziemlich ungenügende Textunterlagen gemein."


    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • In Meiningen wird bald eine einst sehr erfolgreiche Oper nach etwa 150-jährigem Dornröschenschlaf wieder wachgeküsst:

    https://www.staatstheater-mein…ID_Vorstellung=8445&m=553


    Santa Chiara

    Oper in drei Aufzügen von Ernst II. Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha, Libretto: Charlotte Birch-Pfeiffer. UA 2. April 1854 in Gotha unter der Leitung von Franz Liszt


    Handlung

    Libretto als PDF und Download

    Libretto in der Library of Congress

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    Partitur der Ouverture


    Auszug: Macht und Musik: Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha und das Musiktheater im 19. Jahrhundert von Angelika Tasler

    Herzog Ernst II. und seine Leidenschaft für das Theater


    Herzog Ernst II. war einer der letzten Vertreter der langen Tradition komponierender Fürsten. Für fünf Opern entwarf er die Melodien und ließ sie dann von seinen Hofkapellmeistern ausarbeiten und instrumentieren


    Zayre, große Oper, Uraufführung 1846 in Gotha

    Tony, romantische Oper, Uraufführung 1849 in Weimar (bereits 1848 unter dem Namen "Die Vergeltung" in Coburg uraufgeführt, wurde dann umgeschrieben)

    Casilda, große romantische Oper mit Ballett, Uraufführung 1851 in Gotha

    Santa Chiara, romantische Oper, Uraufführung 1854 in Gotha

    Diana von Solange, große Oper, Uraufführung 1858 in Coburg

    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • Santa Chiara

    Oper in drei Aufzügen von Ernst II. Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha, Libretto: Charlotte Birch-Pfeiffer. UA 2. April 1854 in Gotha unter der Leitung von Franz Liszt

    Besten Dank für deinen fundierten Beitrag!


    Es gibt ja von dieser Oper aktuell keine Aufnahme, wohl aber eine Aufnahme der Ouvertüre:


    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Der Unbekannte


    Musik: Jean Joseph Bott - Libretto: Eduard Biberhofer nach L. Angely: Die beiden Galeerensklaven.

    Große romantische Oper in 3 Akten

    UA 20. Aug. 1854 Kassel

    Online fand ich nicht sehr viel dazu, aber immerhin gab es allerhand Hinweise.


    Bott, Jean Joseph * 9. März 1826 in Kassel † 28. Apr. 1895 in New York war Violinist und Komponist. Er erhielt ersten Musikunterricht von seinem Vater und unternahm im Alter von neun Jahren zusammen mit diesem eine Konzerttournée durch die Niederlande. 1841 erhielt er ein Stipendium und erhielt Kompositionsunterricht bei Moritz Hauptmann und Violinunterricht bei Ludwig Spohr. Mit 17 Jahren wird er im Kasseler Hoforchester Solist. Ab 1846 unternimmt er Konzertreisen in Deutschland und tritt zusammen mit Liszt und Meyerbeer auf, 1857 wird er Kapellmeister in Meiningen, 1865 in Hannover. Weitere Stationen sind Magdeburg, Braunschweig, Hamburg bevor er 1885 nach New York ging, wo er 1895 starb - angeblich aus Kummer über den Diebstahl seiner Stradivari-Geige im Jahr 1894.

    Außer "Der Unbekannte" schrieb er noch die Oper "Aktäa, das Mädchen aud Korinth" und mindestens 58 mit Opus-Nummern versehen Werke.


    Das Libretto von Eduard Biberhofer


    Eine fotokopierte Rezension von 1854 aus "Rheinische Musik-Zeitung für Kunstfreunde und Künstler, Band 5", die schon deshalb interessant ist, weil heute kaum noch jemand so ausführliche Berichte über Vosrstellungen schreibt.


    https://archive.org/details/bu…nbekannte%22&view=theater




    Das einzige YT Hörbeispiel, das ich fand: Jean Joseph Bott: Adagio Religioso Op. 6


    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • Psiche_1671_front.jpg  Psyché Jean-Baptiste Lully

    Psyché von Jean-Baptiste LULLY - Libretto: Molière, Philippe Quinault, Pierre Corneille

    Tragikomödie und Ballett in einem Prolog und fünf Akten (LWV 45) in freien Verse, UA im Théâtre des Tuileries / Salle des Machines, 17. Januar 1671.


    Molière schrieb den Prolog, Akt I und die erste Szene der Akte II und III. Unter Zeitdruck bat er Pierre Corneille, nach seinem Plan den Rest zu schreiben, was er in zwei Wochen tat. Philippe Quinault wurde beauftragt, die gesungenen Teile zu schreiben, einschließlich des Schlussballetts. Der König hatte beschlossen, für den Karneval von 1671 den Tuilerien-Maschinenraum wieder zu eröffnen, der 1662 für Cavallis Ercole amante gebaut und seitdem nicht mehr verwendet worden war. Insbesondere hatte er darum gebeten, dass das außergewöhnliche Dekor für die Hölle, das von Carlo Vigarani entworfen wurde, wiederverwendet wird, ein szenisches Gerät, das ein Meer zeigt, das in Flammen steht, dessen Wellen in ständiger Bewegung sind, begrenzt von brennenden Ruinen und in dessen Mitte der höllische Palast von Pluto steht.

    Die letzte Aufführung fand in Anwesenheit des Königs am 9. Februar 1671 statt.


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    (Am 19. April 1678 wurde die Ballettoper in einer revidierten Version wieder aufgeführt von der Académie Royale de Musique im Théâtre du Palais-Royal in Paris, diesmal war Thomas Cornelle Librettist.)


    Handlung

    Im ersten Akt erfahren Psychés Schwestern, dass Psyché einem Drachen geopfert werden soll, der das Königreich verwüstet hat. Der Vater berichtet über den Spruch des Orakels. Psyché besteigt ohne zu zögern den Felsen, um sich zu opfern und wird von Zephyrs weggetragen.

    Der zweite Akt beginnt mit Vulcano und einer Gruppe von Zyklopen, die auf Amors Geheiß einen Palast für Psyché bauen. Kurz bevor Vulcano den Palast fertigstellen kann, wird er von seiner Frau Venus überrascht, die entdeckt hatte, dass ihr Sohn sie betrogen hat. Sie streitet sich mit ihrem Mann und schwört Rache an ihrem Sohn.

    Psyché erwacht und wird von Amor, der seine Identität verbirgt.

    Im dritten Akt verkleidet sich Venus als Nymphe und gibt Psyché eine Laterne, mit der sie die Identität ihres Geliebten herausfinden kann. Psyche ist überglücklich zu entdecken, dass ihr Geliebter Amor selbst ist, aber das Licht der Lateene weckt den Gott auf, der flieht. Gleichzeitig verschwindet der Palast und Psyché bleibt in einer trostlosen Wildnis zurück. Venus deckt ihren Verrat gegenüber Psyché auf und beschuldigt sie, versucht zu haben, sich in die Unsterblichkeit zu heiraten. Sie zwingt sie, in die Hölle hinabzusteigen und die Truhe zu bergen, in der Proserpine ihre Schönheit bewahrt. Psyché versucht verzweifelt, sich zu ertränken, wird aber vom Flussgott gerettet, der sie in die Unterwelt begleitet.

    Im vierten Akt widersteht Psyché der Folter der drei Furien, um die Nymphen des Acheron zu treffen. Die Nymphen vertreiben die Furien, geben Psyché die Truhe und führen sie in den Garten der Venus, wo der fünfte Akt spielt.

    Im fünften Akt öffnet Psyché die Truhe in der Hoffnung, die Schönheit, die sie während der bisherigen Schwierigkeiten verloren haben könnte, wiederherzustellen. Aber statt Schönheit verströmt die Kiste einen giftigen Dampf, der Psyché tötet. Venus freut sich, erweckt Psyché aber wieder zum Leben um sie erneut zu quälen. Merkur steigt herab und bittet sie aufzuhören, Venus hört nicht auf ihn und Jupiter steigt selbst herab, um die Göttin zu beruhigen und Psyché für unsterblich zu erklären. Die Liebenden sind vereint und die Oper endet mit einem großartigen Ballett.


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    Über den Erfolg der Aufführung von 1678 in der Pariser Oper gehen die historischen Zeugnisse gravierend auseinander. Die Zeitschrift "Le Mercure galant" beschreibt die Oper als ein weiteres perfektes Werk von Lully. Diese Aussage sollte man vielleicht kritisch betrachten, denn Thomas Corneille, der jüngere Bruder von Pierre Corneille, war einer der Herausgeber des Mercure.

    Die Brüder Parfaict wiederum, bedeutende Theaterhistoriker des 18. Jahrhunderts, sprachen voll Verachtung von Psyché. Als Bewunderer von Quinault dürfte ihr Urteil aber großteils in ihrer Ablehnung von Thomas Corneille begründet liegen.

    Lullys Psyché wurde aufgrund dieser Haltung lange Zeit übersehen, erst im 21. Jahrhundert wandten sich Dirigenten diesem außergewöhnlichen Werk Lullys zu, in dem neben der obligaten Huldigung an den Sonnenkönig auch der satirische Geist des späten Molières steckt.




    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • Diese Ergänzung zum vorigen Beitrag hat nichts mit der Oper "Psyché" zu tun, sondern mit der für deren Aufführung nötigen Technik.





    Der italienische Architekt und Bühnenbildner Gaspare Vigarani wurde 1659 beauftragt, ein neues Theater im Tuilerienpalast für die Feierlichkeiten zur Feier der Hochzeit Ludwigs XIV. im Jahr 1660 zu bauen. Dieses Theater mit der prächtigen "Salle des Machines", wurde jedoch nicht rechtzeitig fertiggestellt für die Hochzeitsfeier.

    Es wurde erst im Februar 1662 mit einer Aufführung von Cavallis Oper Ercole amante eröffnet. Seine Söhne Carlo und Ludovico hatten Vigarani bei der Erstellung der Kulissen und Maschinen für diese Produktion unterstützt.

    1673 verließ Carlo, der am Hof der Este in Ferrara angestellt war, Italien um sich Lully und der neu gegründeten "Académie royale de musique" in Paris anzuschließen, wo er bis 1680 Bühnenbilder entwarf.




    Wie das Meer von Vigarani dargestellt wurde

    Mehrere Maschinisten drehten auf einer Spindel einen geriffelten Zylinder aus Holz und azurblauem und schwarzem Segeltuch. Die Spitzen der Wellen waren mit silbernen Pailletten besprenkelt, um den Schaum darzustellen. Es wurden so viele Zylinder wie nötig ausgerichtet und mit dem Effekt der Perspektive wurden die Bewegungen des Meeres perfekt wiedergegeben.


    https://www.prospect.at/alte_a…t0305-pdf/10b12barock.pdf



    Wie man eine Hölle darstellte

    Männer hielten mit Pech gefüllte Töpfe, die mit einem mit Löchern übersäten Papier bedeckt waren. In der Mitte des Topfes war eine große Fackel. Als die Hölle auftauchte, schüttelten die Bühnenarbeiter, die sich unter dem Theater unter der Falltür befanden, die brennenden Fackeln über ihren Köpfen und achteten darauf, keine Schauspieler oder Tänzer zu verbrennen.





    Darstellung einer Fontäne

    Wasser wurde durch blaue Leinwand dargestellt. Um einen Wasserstrahl darzustellen, der von einer Fontäne in die Luft geschleudert wird, wurden Holzstäbe in die Leinwand eingenäht. Die Schwankungen des Wasserdrucks wurden somit reproduziert.



    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • Ein kapitaler Fehler ist mir ... unterlaufen:

    Wenn wir schon beim Eingeständnis von Fehlern sind: Mir ist auch einer unterlaufen.


    In Meiningen wird bald eine einst sehr erfolgreiche Oper nach etwa 150-jährigem Dornröschenschlaf wieder wachgeküsst:

    Die letzte bisherige szenische Aufführung dieser Oper soll 1927 stattgefunden haben. Demnach wäre es nur ein knapp 100-jähriger Dornröschenschlaf.


    2010 gab es zudem in Erfurt eine konzertante Darbietung mit Klavierbegleitung - je nun, das hat den Dornröschenschlaf nicht wirklich beendet.


    Ob das jetzt in Meiningen gelingen wird? Angeblich ist eine Radioübertragung im Gespräch, aber noch nicht sicher.


    Jedenfalls finde ich es bemerkenswert, wie eine einst so vielgespielte Oper (die immerhin einen Artikel in Pipers Enzyklopädie de Musiktheaters hat) so dermaßen in Vergessenheit geraten konnte - vor dem letzten Jahr habe ich noch nie von dieser Oper gehört. Die Ouvertüre gefällt mir doch recht gut und macht Lust auf mehr.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

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