Beste Fugen

  • Wikipedia schreibt zu dieser Fuge u.a.:


    "...It is partly inspired by the contrapuntal style of Johann Sebastian Bach. The Bach background of the piece can be heard with the underlying dark intensity along with a gradual style change from the classicism of Mozart’s time to a more Baroque style. Also, the fugue style of the piece reflects Bach's influence on Mozart. Mozart was introduced to the music of Bach and Handel in 1782 by his patron Gottfried van Swieten. Mozart had previously transcribed some of Bach's fugues for string quartet."


    Für mich hört sich Mozarts Fuge wie eine Übung an, so, als wolle er diesen Stil einmal darstellen, ohne ihm aber nun besondere Aufmerksamkeit oder Bedeutung beizumessen. Fast wäre ich geneigt zu vermuten, Mozart hätte sich über den Fugen-Stil lustig machen wollen.

  • Diese Fuge von Mozart hört sich ein wenig sorgfältiger auskomponiert an (dies ist explizit eine Fuge nach Bach: WTK 1, es-moll, BWV 853) - aber im Vergleich zu vielen Fugen, die hier schon als Beispiel vorgestellt wurden, erscheint sie mir immer noch recht holzschnittartig, jedenfalls scheint sie mir durchaus nicht nahe am Original zu sein.


    Präludium und Fuge Nr. 1, KV 404a, eine von 6 Fugen, die Mozart nach Bach´schen Vorlagen gearbeitet hat;


    http://www.youtube.com/watch?v=JwEIxz04Ux8, ab 4:04

  • eine weitere für Bach-Liebhaber eher nicht ernstzunehmende Fuge ist KV 394


    Mozart selbst schreibt zu ihrer Entstehung:


    "weil sie (Constanze, d.V) mich nun öfters aus dem kopfe fugen spiellen gehört hat, so fragte sie mich, ob ich noch keine aufgeschrieben hätte? – und als ich ihr Nein sagte. – so zankte sie mich recht sehr daß ich eben das künstlichste und schönste in der Musick nicht schreiben wollte; und gab mit bitten nicht nach, bis ich ihr eine fuge aufsezte, und so ward sie"


    http://www.youtube.com/watch?v=JgAYWLsnAYY, ab 5:07


    man beachte: Das Stanzerl war Bach-Fan - Mozart war Stanzerl-Fan, aber wohl nicht in die Musik Bachs vernarrt.

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  • Ich habe gerade nur sehr eingeschränkte Hörmöglichkeiten, aber meines Wissens sind die Transkriptionen Mozarts für Streichtrio/quartett ziemlich exakte Transkriptionen der Bachschen Vorlagen, keine freien Bearbeitungen oder Stilimitationen.
    Es kann eigentlich nicht sein, dass sie einem wirklich "schlechter" als die Originale vorkommen, ebensowenig wie bei der Kunst der Fuge für Streichquartett, höchstens vielleicht ungewohnt. Bei den vorhergehenden Adagios weiß man bis heute nicht genau, ob sie Mozart komplett selbst komponiert hat (wahrscheinlich), oder ob es sich ebenfalls um Bearbeitungen von unbekannten Vorlagen handelt.

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    (Bob Dylan)

  • Das nächste Beispiel ist eine Fuge von Mozart, die zeigt, daß einer der allergrößten Komponisten überhaupt durchaus eine ziemlich uninspirierte Fuge schreiben konnte - es hört sich schon sehr bemüht an:


    Adagio und Fuge in c-Moll, KV 546, ab 3:11


    Ich glaube, Du wirst wenige finden, die Dir da folgen würden. Diese Fuge gilt gemeinhin als Meisterwerk, und ich stimme da zu.

  • Ich glaube, Du wirst wenige finden, die Dir da folgen würden. Diese Fuge gilt gemeinhin als Meisterwerk, und ich stimme da zu.


    Ich habe mir das " Meisterwerk" gerade nochmal angehört, und es dämmert die Erkenntnis, die wohl immer in solchen Fällen dämmert: die Geschmäcker, sie sind unterschiedlich.

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  • Von Telemann, den ja schon weiter vorn mit Orgelfugen dargestellt wurde, ist es nur noch ein kleiner Schritt zu Buxtehude, wohl dem Komponisten, der mit Fugen und insbesondere mit Orgelfugen am nächsten an Bach angesiedelt ist - Bach hat wohl sehr viel von ihm gelernt, ging er doch hunderte von Kilometern weit zu Fuß, um sich von Buxtehude unterrichten zu lassen.


    Also sozusagen als Abschluß der Nicht-Bach-Komponisten (zumindest mit meinen Beiträgen) ein paar Fugen von Buxtehude:


    http://www.youtube.com/watch?v=pt41sO0Npzg, Fuge C-Dur, Bux WV 174

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  • schon während meiner Ausbildung hatte ich eine erkennbare Vorliebe für Fugen bzw. für polyphone Kompositionen, ich glaube, dass ich hier etwas beitragen kann.ich möchte meine persönliche Sicht erklären, werde das aber nicht wissenschaftlich korrekt tun, sondern spontan formuliert.


    Bachs Fugen werden oft als besonders streng angesehen, ich finde, sie sind es nicht... im Gegenteil sehe ich immer mehr Bach als den Vorreiter jener "harmonischen" Fugen, bei denen ein Modulationsverlauf gegenüber der rein kontrapunktischen Arbeit in den Vordergrund tritt.


    zur Zeit arbeite ich wieder am ersten Band des WTK, daher habe ich die 24 recht gut bei der Hand (im Kopf)


    eigentlich strenge Fugen wären für mich solche, die
    - auf nichtthematische Zwischenspiele verzichten


    und
    - nicht viele Modulationen beinhalten. Darunter fällt bei mir auch der "Effekt", ein Moll Thema in Dur zu bringen. (z.B: f-Moll WTK 1, obwohl diese sonst ziemlich streng ist)


    ich finde, Fugen sind keine Charakterstücke (falls Schumann das so aufgefasst hat, irrte er sich!) und sollten auch keinen dramatischen Verlauf bekommen.


    eins der Probleme der Interpretation war natürlich die "Umstellung" auf Hammerklavier bzw. modernes Klavier mit den neuen dynamischen Möglichkeiten.
    Mozart hat vermutlich seine Bearbeitungen aus demselben Grund vorgenommen, um mehr Klarheit der Einzelstimmen zu bekommen, aber sofort ergibt sich aus der Möglichkeit, dynamische Verläufe zu gestalten auch das bekannte Phänomen der Vorausahnungen und Vorwegnahmen.


    Hat Bach Fugen innerlich so gehört, wie sie später von Mendelssohn und noch viel später von Max Reger ausgestaltet wurden?


    gegen meine "Nicht-Charakterstück"Theorie spricht der Typus der virtuosen bzw. spielerischen Fuge, einer Bachschen Form, die wohl das meiste Aufsehen erregt.
    z.B: WTK Cis Dur, G-Dur oder die herrliche Orgelfuge a-Moll (543) oder die Fuge der g-Moll Fantasie (542)
    das sind ausdrucksvolle Musikstücke - aber haben sie wirklich einen bestimmbaren Charakter?


    ich finde bei einer Fuge die Darstellung der kontrapunktischen Arbeit viel wichtiger als die Überlegungen, was das Stück aussagen könnte. (Überlegungen, die seit der Klassik, ich würde sagen, seit Beethoven vorherrschend sind.)
    Daher verzichte ich immer mehr auf grossangelegte Steigerungen, wie zB: Max Reger die cis-Moll Fuge (WTK 1) empfunden hat, zugunsten von Spannungsmomenten entsprechend der Struktur des Stückes, nicht des harmonischen Verlaufes.


    Andererseits gab es zu Bachs Zeit jenen anderen Grossmeister, der die Fuge äusserst streng behandelte - - und auch wieder nicht.
    Händels Kontrapunktik ist bestechend, charakteristische Themen, denen reizvolle Kontrapunkte zur Seite gestellt werden; und viele Formen der Kombination werden virtuos gehandhabt.
    was ihnen fehlt, bzw. was Bach auszeichnet, oder eher ausmacht, ist die Vervollständigung des Satzes durch improvisierte nicht-thematische Gegenstimmen.


    Einfach gesagt, bei Bach ist eine 4 stimmige Fuge meistens wirklich 4 stimmig - d.h. alle 4 Stimmen spielen zur gleichen Zeit.


    Händel macht es sich einfacher und erhält eine lockere Struktur mit überraschenden Stimmwechseln.



    Im Studium hat einmal ein Kompositionsprofessor die provokante Frage gestellt: warum denn alle Interpreten immer nur die Fugeneinsätze betonen? - er fände die nichtthematischen Teile einer Fuge viel interessanter, da sie doch die einzige Abwechslung darstellten... das Thema kennt man doch nach dem 3. Einsatz..
    mir ist die passende Antwort leider zu spät eingefallen: es gibt ja Fugen mit obligaten Kontrapunkten - - z B: c-Moll WTK 1 - wie sollte man denn da verfahren, wo es gar keine nichtthematischen Stimmen gibt?


    mein Interpretationsansatz ist der eines lebhaften Gesprächs mehrerer Personen beim Essen, die gleichzeitig reden, und auch mehrere Gesprächsthemen gleichzeitig haben.
    Es gibt ein Haupt(Gesprächs)Thema (z.B: Snowden in Moskau und die Verurteilung von B.Manning) , zu dem die anderen manchmal Stellung beziehen, aber manchmal fangen einige an, über das Essen, das Wetter, oder die Gesundheit zu reden. Spannend wird es, wenn unterschiedliche Positionen zum Gesprächsthema auftauchen. (zustimmend- ablehnend), sobald die Rede wieder auf Wikileaks kommt, wird also sofort das Sicherheitsbedürfnis der USA thematisiert.
    wenn eine Person beginnt, von der Rolle der USA in Isreal zu sprechen, haben wir 3 Themen, die ziemlich gleich grosses Gewicht besitzen, man kann keines davon wirklich abtun.
    Daher werden die Themen im Gespräch von mehreren Seiten beleuchtet von oben und unten ( Bass, Sopran...) und die Gegensätze mehr oder weniger hervorgehoben.
    Auch der Interpret kann seine Meinung dazutun, indem er sich einer vorherrschenden Meinung anschliesst, oder justament die Gegenmeinung vertritt.


    Letzlich endet das Gespräch ohne Lösung, der Schlussakkord bedeutet vielleicht nur, dass das Hauptgericht endlich serviert wird, oder das Dessert.
    Das bedeutet für mich, dass das Gespräch zwar Relevanz besitzt, aber letztlich nur das Praktizieren einer Diskussion ist, das auch zwischenmenschliche Bedeutung (Wertschätzung, Akzeptanz, Kennenlernen des anderen..) hat, aber keineswegs die Beschlusskraft der Vereinten Nationen oder besser eines G7 Gipfels hat.


    Die Kontrapunktik, die ja in der Pädagogik des 20.Jh eine verhängnisvolle Überbewertung erleiden musste, stellt eine Spielform dar - vergleichbar vielleicht dem berühmten Multitasking, bei dem es ja meistens darauf ankommt, dass die ausgeübten Tätigkeiten in keinem Zusammenhang stehen, nur um höher als geistige Leistung eingeschätzt zu werden.
    (Für mich ist Multitasking etwas sinnloses, die Qualität der Ergebnisse sollte eigentlich wichtiger sein als die gleichzeitige Ausführung mehrerer Aufgaben.)


    Aber auch diese Sinnlosigkeit oder besser Sinnfreiheit ist für mich typisches Merkmal einer Fuge. Es ist interessant zu hören, wie die Einsätze verlaufen, und für einen Komponisten ist es ein geistiges (Glasperlen-)spiel.
    Aber ich finde keinerlei Notwendigkeit darin.


    Ein anderer schöner Ansatz ist der Vergleich mit Architektur, die musikalisch aber eher der Form zuzuordnen wäre.
    Eine Fuge ist nicht durch ihre formalen Proportionen bedeutsam, sondern durch die kontrapunktische Problemstellung. z.B: dis-Moll Fuge, mit mehreren Gustostückerln wie doppelte und dreifache Engführungen bzw. der Vergrösserung des Themas.
    Hier wurde wirklich viel Kopfarbeit geleistet, bevor das Stück so entstehen konnte.




    um zum Ende zu kommen...


    die besten Fugen im Sinne von ästhetisch ansprechend finde ich in der Romantik: Bruckners Fugen in der f-Moll Messe und im Te Drum, Brahms Fugen im Deutschen Requiem, natürlich auch Mendelssohn Oratorien, Haydn Messen:
    Mozart Fugen finde ich meistens spröde und gewollt (besonders jene in c-Moll, wegen der aufgesetzten Chromatik und den daraus resultierenden betonten Dissonanzen), aber eine wunderschöne Fuge ist (neben der Kyrie Fuge im Requiem) das Benedictus in der Missa Solemnis 337, aber moderne Aufführungen machen mit gut gemeinter Artikulation immer ein hässliches bee nee diiiii CTUSSS, qui venit...kurze Noten erhalten leider automatisch einen Akzent, der dem Text heftigst widerspricht... daher liefere ich kein Youtubebeispiel.
    und wenn man die Messe gefunden hat, unbedingt auch das himmlische Agnes Die anhören!

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

  • Lieber Tastenwolf,


    ich finde Deine Bemerkungen erhellend, andererseits bin ich teilweise aber auch verwirrt.


    Vollständig zustimmen möchte ich Dir bei der Auffassung, daß Fugen (im Allgemeinen, vielleicht gibt es ja Gegenbeispiele) keine Bedeutung tragen und nichts "aussagen" wollen, also sicherlich keine Stücke sind, denen eine dramatische Deklamation gut tut (ich hoffe, ich habe damit verstanden, was Du unter "Charakterstücke" meinst).


    Verwirrt bin ich insofern, als Du einen anderen Begriff von "Strenge" verwendest als weiter vorn diskutiert, insbesondere, daß Du Händels Fugen zumindest teilweise als streng bezeichnest, während sie von JR resp. Felix als fugierte Sätze bezeichnet wurden, also als eher lockere denn als strenge Gebilde.


    Die Phänomene der Vorausahnung und Vorwegnahme sind mir neu, auch Wikipedia ist hier nicht sonderlich erhellend:


    "Antizipation bezeichnet in der Musik die verfrühte und möglicherweise dissonante Vorwegnahme der auf die nächste schwere Taktzeit folgenden (konsonanten) Melodienote. Ein typischer Fall ist die Antizipation der Finalis in der Schlusskadenz." Zitat Ende


    nix verstanden ! Gibt es da in Bezug auf Fugen vielleicht noch etwas zu erläutern?


    Die von Dir als beste Fugen angesprochenen Stücke aus der Romantik werde ich mir gleich mal reinpfeifen (falls im Netz verfügbar), ansonsten würde ich Dir bei Deiner Auswahl (BWV 542, 542, Teile des WTK, Mozarts Kyrie etc.) ohne Probleme folgen können.

  • eine Schnellantwort ist etwas praktisches:


    Vorwegnahme und Vorausahnung - damit meine ich jene musikalischen Stellen, bei denen man sich an einen (oft um vieles) späteren Komponisten erinnert fühlt und deswegen z.B: meint, dass Bach Romantisches vorweggenommen hat...
    Schuld daran sind aber nur Interpretationsgewohnheiten.


    zB: was Crescendi betrifft, kann man den Beginn der Matthäuspassion oder die Orgelpassacaglia als grossangelegte Steuerung verstehen.
    Der Ausgangspunkt ist aber eine romantische Klangvorstellung, die uns die Assoziation gibt.


    Bei Bachs Frühwerken - welche ja gewiss nicht einfach zu finden sind - gibt es erstaunliche Dinge zu entdecken - manchmal meine ich, er hat sich später allzusehr diszipliniert und sich Dinge verboten, die er eigentlich gern komponiert hätte.
    Besonders meine ich die Orgelpartita: Christ, der du bist der helle Tag. - - mich fasziniert, dass die Choralharmonisation ständig zwischen 4 und 6stimmigen Akkorden schwankt. Man kennt ja Bachs 4stimmige (=strenge) Choralfassungen. Ich finde die Wirkung der vielstimmigen Akkorde sehr stark - beim Spielen erschliesst sich das vielleicht leichter - und diesen Gegensatz zur späteren konsequenten Arbeit.


    Händel komponiert einen lupenreinen mehrfachen Kontrapunkt, oder etwa nicht? das ist einmal die Grundlage der kompositorischen Arbeit, danach macht er es sich - wie oben erwähnt, etwas einfacher.
    Mit Kontrapunkt meine ich hier die zueinanderpassenden Themen.


    Für die Strenge einer Fuge gibt es keine verbindliche Definition, eher mehrere Ansätze:


    richtig strengen Kontrapunkt finde ich bei Sweelinck oder Frescobaldi, und auch bei Buxtehude in vielen Fällen ist mir Bach bereits zu frei, weil hauptsächlich harmonisch motiviert.


    was ist wohl der Grund, dass er nach dem Komponieren in 24 Tonarten die letzten grossen Werke durchgehend in einer Tonart komponierte?
    (Musikalisches Opfer, Kunst der Fuge, Goldbergvariationen)
    hat er gemeint, dass das freie Herummodulieren nicht der strengen Kunst entspricht?


    danke übrigens für das Verständnis, dass ich meine persönliche Ausdrucksweise nicht an Wikipedia angepasst habe. ;)


    die sechsstimmige Fuge des musikalischen Opfers (obwohl man diesen Namen langsam vernachlässigen sollte) ist auch ein wunderbares Stück. es weist grosse Ähnlichkeiten zur As Dur Fuge des WTK II auf...

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

  • Was "streng" im Detail des Satzes bedeutet, weiß ich auch nicht genau, da kennst Du Dich sicher besser aus, Tastenwolf. Das "unstrenge" an den Clavierfugen Händels ist meines Wissens nur, dass die Stimmenzahl oft nicht konsequent durchgehalten wird.
    Die verlinkten Konzertsätze sind allerdings oft "nur" fugato-Abschnitte, die mitunter nicht einmal eine komplette "Durchführung" des Themas in allen Stimmen (und bei Weiterführung der anderen Stimmen mit selbständigen "Kontrapunkten") enthalten.


    Was Modulationen innerhalb einer Fuge betrifft, ist das ja nochmal ein anderer Aspekt. Ich verstehe davon viel zu wenig. Aber sicher ist diese Entwicklung hochinteressant, da der fugierte Stil ja erst einmal nicht von übergreifenden harmonischen Entwicklungen, sondern von der Eigenständigkeit der einzelnen Stimmen geprägt war/sein sollte.


    Auch was die romantische Bach/Fugen-Rezeption betrifft, müsste man vermutlich noch mal nachlesen. Ich glaube nicht, dass mit "Charakterstück" programmatisches gemeint ist. Schumannsche Klavierstücke haben zwar manchmal (lange nicht immer) poetische Titel, aber kaum je ein "Programm". Vielleicht geht es hauptsächlich darum, Fugen nicht als bloß technische Übungen zu sehen.
    Ich meine ja, dass zu Bachs Zeiten Fugen das auch nicht waren, aber in der Zwischenzeit ab Mitte des 18. Jhds. zunehmend so gesehen wurden.
    Von Beethoven ist ebenfalls schon überliefert, dass er auf Vorwürfe, seine Fugen u.ä. verstießen gegen Regeln, gesagt haben soll, dass es "heute" auch auf ein poetisches Element ankäme.


    Ich weiß nicht, ob das Stück oben schon genannt wurde, aber eine der berühmtesten "neobarocken" Fugen ist Mendelssohns in e-moll (bis zum Ende mit Donneroktaven und Choral; Fuge unten ab ca. 2:13). Etwas romantischer, aber gespickt mit "Künstlichkeiten" (Umkehrung, Vergrößerung etc.) ist die Schlussfuge in Brahms' Händel-Variationen.


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  • Leichtsinnigerweise habe ich von "ein paar" Fugen von Buxtehude gesprochen, die ich darstellen wollte, bevor dann schließlich Bach näher beleuchtet wird.


    Ich habe zwar inzwischen die oben angeführte Box der Gesamtaufnahme Buxtehudescher Orgelwerke (Simone Stella) erstanden, und die Box ist auch eingetroffen, ich bin aber noch auf der Suche nach weiteren guten Stücken - die sind bei Buxtehude leider nicht so dicht gesät wie bei Bach.


    Vielleicht will ja sonst jemand mal einen Favoriten vorstellen?


    @JR: der Mendelssohn gefällt mir ganz gut

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  • Hallo,


    an den 3 Orgeln (mit 12.156 Pfeifen!) der St. Lorenzkirche in Nürnberg habe ich am 05.09. u.a. Toccata, Adagio und Fuge BVWV 564 gehört mit Arvid Gast, dem Organisten von St. Jakobi, Lübeck.


    Ich habe mir nun nicht die Mühe gemacht zu prüfen ob über diese Fuge hier schon geschrieben wurde.


    Ich glaube es ist unbestritten, dass manche Bachfugen schon ein recht „trockenes Brot“ zum Anhören sein können. Nicht die Fuge aus BWV 564 – m. E. ist Bach da ein besonderes Meisterwerk gelungen – eine “wohl proportionierte“ Fuge mit einem freudigen, lebendigen, erheiternden Musikgenuss zu verbinden. Die Fuge sprüht nur so von Frische, vor Lebensfreude und Fröhlichkeit. M. E. liegt es an dem immer wieder unterbrochenen, immer wieder neu aufgenommenen – dabei in der Tonlage ansteigenden – Fugenmotiv.


    http://www.youtube.com/watch?v=bKj2LRMoSKk
    Hier gibt es nur die Fuge zu hören


    http://www.youtube.com/watch?v=WNZ1AEuJ3lM
    Hier kann das ganze Werk gehört werden, die Fuge beginnt bei 9.05 - außerdem laufen die Noten mit.


    Viele Grüße
    zweiterbass


    Nachsatz: Ich habe das Werk noch nicht auf CD, werde mir aber bald eine für mich passende Aufnahme bestellen (ob es Arvid Gast auf CD gibt? – seine Interpretation und Registrierung war sehr gut).

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Hallo Zweiterbass,


    da wir ja nun schließlich bei Bach angekommen sind (zu Buxtehude mag sich anscheinend niemand weiter auslassen), möchte ich auch einen meiner Favoriten präsentieren: die Fuge aus BWV 543, in der Version für Piano, transkribiert von Liszt;


    die beste Version, die ich kenne, ist von Alexis Weissenberg, bei Amazon anscheinend nur noch als mp3-download erhältlich


    ,


    bei jpc gibt es noch die 10 CD-Kompilation, auf der das Stück enthalten ist



    eines der besten Stücke Musik, das imho je geschrieben worden ist,


    hier in einer der Interpretation von Weissenberg einigermaßen nahekommenden Version (ab 3:21)


    http://www.youtube.com/watch?v=Vzi67oN5wdM

  • die Fuge aus BWV 564 ist sicherlich auch kein "trocken Brot" - es würde mich aber schon sehr interessieren, was Du als "trocken Brot" (entspricht wohl "zu akademisch" bezeichnen würdest).

  • Ich glaube es ist unbestritten, dass manche Bachfugen schon ein recht „trockenes Brot“ zum Anhören sein können.

    es ist unbestritten, dass man für das Hören von Fugen das Köpfchen ein wenig mehr anstrengen muss... die gehen nicht so einfach ins Ohr.


    mit Ausnahme einiger der - virtuosen Fugen, zu denen auch die 564 gehört...


    von Liszt gibt es einen ähnlichen Ausspruch, dass ihm bei Bach das Fleisch fehlt - alles nur dürre Knochen... Leider kann man daraus den Rückschluss auf seinen analytischen Verstand ziehen...


    Manche Menschen finden gerade das schön, dass man bei einer Fuge kein "Drumherum" und keinen Aufputz braucht.

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

  • Hallo m-mueller,


    die Durchsichtigkeit und Leichtigkeit der Klaviertranskription ist schon bestechend - ob das mit einer anderen Registrierung der Orgel auch hinzubekommen ist?


    Hallo tastenwolf,


    ich meine, die Fuge aus BWV 564 hat weder "Drumherum noch Aufputz" - und es dürfte ja nicht verboten sein, aufgrund des Fugenthemas einen besonderen emotionalen Zugang zu haben. Musik spricht (normale?) Menschen erst emotional an, danach erst kommt das "Köpfchen".


    Viele Grüße
    zweiterbass

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  • Hallo tastenwolf,


    ich meine, die Fuge aus BWV 564 hat weder "Drumherum noch Aufputz" - und es dürfte ja nicht verboten sein, aufgrund des Fugenthemas einen besonderen emotionalen Zugang zu haben. Musik spricht (normale?) Menschen erst emotional an, danach erst kommt das "Köpfchen".

    im Vergleich mit anderen Orgelfugen wird dir vielleicht klar, dass die C-Dur Fuge ein sehr rhythmisches bzw. motorisches Stück ist.
    Das Thema selbst ist einfach gehalten und besteht nur aus Dreiklangszerlegungen. Das ist selbst für Bach ungewöhnlich schlicht, aber verfehlt nicht die Wirkung.


    Ausserdem gibt es bei den Toccaten Bachs einen deutlichen Einfluss nordischer Komponisten - besonders Buxtehude... jener hat einige ähnliche Themen komponiert. Ein Merkmal sind auch die (Echo) Pausen in dem mehrteiligen Thema.


    der zweite Satz ist leider falsch... vielleicht bezieht sich diese Reihenfolge auf das allererste Hören eines Stückes, und selbst da gibt es wenigstens zwei Typen von Musikhörern.


    Ein analytischer Zugang ist für mich nicht höher oder tiefer zu bewerten als der emotionale.
    Klassische Musik hat viel mit Kopfarbeit zu tun, ich hoffe, darauf können wir uns einigen.

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  • Ein Merkmal sind auch die (Echo) Pausen in dem mehrteiligen Thema.

    Hallo tastenwolf,
    ich höre keine Echo-Pausen, die es auch nicht sein können, nachdem sich die Tonhöhe ändert; meinen Höreindruck habe ich schon gepostet.



    der zweite Satz ist leider falsch... vielleicht bezieht sich diese Reihenfolge auf das allererste Hören eines Stückes, und selbst da gibt es wenigstens zwei Typen von Musikhörern.

    Vielleicht änderst Du teilweise Deine Meinung, wenn Du den Thread "Fragen und Antworten der Gehirnforschung, was wir schon immer wissen wollten" (sollten!) ganz gelesen hast und...



    Ein analytischer Zugang ist für mich nicht höher oder tiefer zu bewerten als der emotionale.

    Da stimme ich Dir zu, aber aus Deinem Beitrag war für mich eine Qualifikation heraus zu lesen (oder etwa nicht?) - es geht nicht um besser oder schlechter, sondern nur um die Reihenfolge und die daraus resultierende Schnelligkeit der Verarbeitung (mit allen Folgen).


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Eigentlich finde ich generell, dass die Orgelfugen Bachs wesentlich öfter figurative oder rein rhytmische Themen haben als die Klavierfugen. Daher mag ich sie offen gestanden auch ein gutes Stück weniger als jene, allerdings u.a. auch, weil die wunderbare Intimität vieler Fugen aus dem WTC auf einer volldröhnenden Orgel nicht umsetzbar ist. Als Einschränkung muss ich trotzdem sagen, dass meine Lieblingsfuge von Bach für Orgel die e-Moll Fuge BWV 548 ist, welche ein sehr elementares Thema aus alternierenden, aufsteigenden Sekunden hat. Das ist wirklich ein Werk, das die Amerikaner "awesome" nennen würden.

  • weil die wunderbare Intimität vieler Fugen aus dem WTC auf einer volldröhnenden Orgel nicht umsetzbar ist.


    Muss immer "volldröhnend" registriert werden? Ab und zu habe ich den Eindruck, dass sich wie viele ? Organisten von einer gewohnten, übernommenen Klangvorstellung, wie Bach zu klingen hat, nicht lösen möchten/können/wollen? Bei den Orchesterwerken und den großen Oratorien etc. hat sich die romantische Klangvorstellung doch auch gewandelt. Aber bestimmt wird die Orgel mit dem "Barock-Bach" in Verbindung gebracht und seine Orgelwerke bekamen keine "romantische Verschlimmverbesserung".

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  • Hier hast Du mich voll erwischt, denn ich habe nur die Walchabox bei Archiv und einiges von Power-Biggs - d.h. nur alte Interpretationen. Mit der rezenten Einspielung von Weinberger bei cpo habe ich schon geliebäugelt - aber gleich eine 20 CD-Box kaufen.....

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