Es wurde hervorragend gesungen, angefangen von der luxuriösen Stimme des Baritons Jan Buchwald (Heerrufer), über den fest und klar klingenden, weit tragenden Bass von Georg Zeppenfeld (König Heinrich), die auftrumpfend kräftig, nicht vibratogetrübte Stimme von Wolfgang Koch (Telramund), die für den Lohengrin etwas zu heldische, nicht forciert, aber manchmal zu betont voluminös klingende Stimme von Stephen Gould bis hin zu den Damen, von denen (die als Elsa für Petra Maria Schnitzer) eingesprungene Emma Bell mit tragfähigem Sopran und leicht dunklem,rotgold schimmerndem Timbre positiv überraschte.
Am meisten Beifall erhielt Katja Pieweck (Ortrud). Sie setzte ihremodulationsfähige silbrige Mittellage für eine überragend gesungen und gestaltete Szene im ersten Teil des zweiten Aufzugs ein (Duett mit Telramund und dann mit Elsa). So eine schön und stark empfundene Ortrud habe ich noch nicht gehört (und ihre Vorgängerin in dieser Rolle war jahrelang die großartige Eva Marton).
Gestalterisch reichte sie an letztere heran. Zum ersten Mal tat mir Ortrud leid, die sich gegen das Schicksal einer untergehenden Fürstentochter wehrt und ihren Mann (Telramund) nicht nur für ihre Intrigen nutzt, sondern diesen offensichtlich auch liebt. Katja Pieweck legt dieses in ihren Szenen mit Telramund und mit ihrer Trauer um den Toten am Ende der Oper nahe. Insoweit war die Oper heute etwas von der Seite Elsa/Lohengrin hin zu Ortrud/Telramund verschoben. Einen besseren Telramund habe ich bisher nicht gehört. Wolfgang Koch gab dieser Rolle eine Wucht und Bedeutung, die der Lohengrins standhalten konnte. Zuletzt hörten wir in dieser Konwitschny-Inszenierung Klaus-Florian Vogt als Lohengrin. An dessen silbrig-helles, engelsgleiches Timbre, das schon stimmlich dem auf der Bühne dargestellten Wunder nahe kommt und an das darstellerische Charisma des Sängers reicht Stephen Gould nicht zwingend heran. Gould ist aber auch zu schönklingenden Piani fähig, versuchte für mein Empfinden aber zu häufig, mit seinem heldenhaften Volumen in Konkurrenz zum Orchester zu treten.
Dirigiert hat Simone Young, die wegen der großen tragenden Stimmen aller Mitwirkenden sichganz auf den warmen Orchesterklang konzentrieren konnte.
Die Inszenierung hat nach wie vor ihre Meriten, auch technisch. Von Konwitschnys Hamburger modernen Interpretationen halte ich diese für die Beste. Worum geht es in diesem Stück, zum einen um einen Kulturkampf (neue gegen alte Religion), um Wunderglauben und irgendwie auch um die Frage, ob Mann und Frau überhaupt zusammenpassen (Schlafgemachsszene):
Lohengrin geht von der falschen Annahme aus, dass Elsa sich ihn schon schönredet, wenn er nur von seinen Meriten berichtet.
Er versteht nicht, dass dieses Elsa nicht interessiert, im Gegenteil, wenn er ein Dieb wäre, stünde sie zu ihm und unterließe die fatale, aber für sie so unausweichliche Frage. Der Glanz und Pomp, mit dem Lohengrin sie verführt, ist nicht zu ertragen, Ortrud erkennt das zuerst; es hätte nicht des Senfkorns bedurft, welches sie in Elsa pflanzt. Mehr oder weniger später hätte Elsa die Frage auch ohne Ortrud gestellt. Das Wunder ist für den Menschen unerträglich, für alle (Beispiel im Märchen: Marienkind).
Die Brabanter gaben sich in der klassischen Vorgängerinszenierung von August Everding dem Wunder hin. Ist das bei erwachsenen,
klar denkenden Mneschen in dieser Geschlossenheit zu verstehen? Eigentlich nicht. Der Wunderglauben, das Faszinosum eines strahlenden Helden, die Begeisterungsfähigkeit für das Außergewöhnliche, das Bewundern eines Stars ist aber bei Schülerinnen und Schülern vollkommen nachzuvollziehen. Der anhimmelnde Schülerglaube wird trefflich von den Choristen dargestellt, besonders glaubwürdig auch von Georg Zeppenfeld, der auch nur ein als König verkleideter Schüler ist. Was das Technische betrifft, bis auf das letzte Bild findet die Handlung in einem großen Guckkasten (einem Schulklassenraum) statt, der die Stimmen gut reflektiert und nach vorn ins Publikum trägt, auch von weit hinten. Im seitlich, nach oben und hinten völlig offenen Schlussbild muss sich der König denn auch schon deutlich mehr vom Hintergrund aus anstrengen, um seine Stimme kräftig genug in den Zuschauerraum zu transportieren.