Durch die "Einleitung" des Finales macht Beethoven ja sowohl den Zusammenhang als auch die Motivation für den Choreinsatz geradezu überdeutlich. Man kann das ein wenig übertrieben (weil "verdoppelt") finden. Tovey weist auf den logischen Fehler des "nicht diese Töne" hin, da wir ja die Freudentöne schon gehört haben, hält die Gestaltung aber musikalisch für schlüssig. Das "nicht diese Töne" muss man dann nur auf die vor dem Baritonsolo noch einmal wiederholte "Schreckensfanfare" vom Anfang beziehen.
Manche Autoren hören noch weitere Anklänge, etwa im Seitenthema des Kopfsatzes und im Trio des 2. Satzes an das "Freudenthema".
Ich weiß nicht, ob "makellos" ein allzu wichtiges Kriterium für Beethoven gewesen ist (er war weder Boccherini noch Mendelssohn ). Folgerichtigkeit war sicher wichtig, aber gerade im Falle der 9. Sinfonie gibt es wohl auch den Aspekt des Sprengens von Grenzen, eines überwältigenden Abschluss für ein außerordentlich monumentales Werk.
Wie gesagt haben wir einige Details schon mal im Thread zu 9. und vielleicht auch noch einmal angesprochen. Die Idee eines Choreinsatzes hatte Beethoven schon viele Jahre vorher, noch unabhängig von Schillers Ode, selbst wenn für die d-moll-Sinfonie vielleicht bis wenige Monate vor Abschluss ein instrumentales Finale eine Möglichkeit gewesen wäre. (Auch wenn nur schwer vorstellbar ist, wie man mit dem Material des Finales von op.132 ein Finale für solch eine Riesensinfonie komponieren könnte.) Noch älter war der Plan einer Vertonung des Schiller-Gedichts. Meines Wissens ist bis heute nicht ganz ganz geklärt wie es endgültig zu der heutigen Gestalt gekommen ist. Ebenso wie im Falle der Eroica ("Prometheus") ist auch nicht auszuschließen, dass es ein poetisches Programm für das Gesamtwerk geben könnte...Man könnte zB den "verzweiflungsvollen Zustand" (von dem Beethoven gesprochen haben soll) durch die Schreckensfanfare symbolisiert sehen und die ersten Variationen des Freudenthemas als ein "zu schwaches" Aufgebot dagegen. Um den Zustand durch das Lied auf die Freude zu überwinden, müssen alle mitsingen!
Das Argument mit dem Erfolg meine ich hauptsächlich gegen die Behauptung, der Satz "klinge" nicht. Für die meisten Laien tut er das anscheinend durchaus.
Natürlich ist das Werk ein solches Unikat, dass man schlecht mit Vergleichen arbeiten kann, zumal andere "Chorsinfonien" wie Lobgesang, Mahlers 2. und 8. usw. ja auch Unikate sind. Wir wissen nicht, was Beethoven gemacht hätte, wenn er noch 5 oder 10 Jahre gelebt hätte. Die Skizzen zur 10. deuten auf eine rein instrumentale Sinfonie, aber da Beethoven schon 10 Jahre vor der Vollendung der 9. die Idee hatte, einen Chor einzusetzen, weiß man nicht, was da noch an eigentümlichen Sachen hätte kommen können.