Typisch Mozart?

  • Salut,


    wir hatten zwar bereits einen ähnlichen Thread mit dem Titel Der Mythos Mozart , aber hier soll es um die spezielle Frage gehen:


    „Was ist so typisch an Mozarts Musik?“


    Ich möchte einige Beispiele nennen, um die „Richtung“ des Thread vorzugeben:


    1. Beispiel: Streichquartett F-Dur KV 590, letzter Satz:


    Zunächst vermittelt Mozart hier „Gassenhauermentalität“; in der Durchführung jedoch pellt sich ein Mozart aus dem Ei, den man so eigentlich weniger kennt. Hätte z.B. ich diesen Satz heute komponiert [schön wär’s!] und als „typisch Mozart“ verkaufen wollen, man hätte mich geköpft.


    2. Beispiel: Streichquintett D-Dur KV 593, ebenfalls letzter Satz:


    Das chromatisch absteigende Thema des letzten Satzes unterlag bereits bei einer der ersten Drucke einer Bearbeitung fremder Hand, es wurde „vereinfacht“ und absolut „entfremdet“. Urheber dieser Verballhornung war der Mozartverehrer E.T.A. Hofmann [1776-1822]. Noch heute wird der Satz teilweise so gespielt, Grumiaux & Cons. spielen zum Glück das Original.


    3. Beispiel: Quartett C-Dur KV 465 [Dissonanzen-Quartett], 1. Satz [Einleitung]


    Auch diese Einleitung war sehr umstritten und wurde oftmals „kotrrigiert“.


    In allen drei Beispielen ist erkennbar, dass sich der „wahre Mozart“ überwiegend in der Kammermusik entpuppen konnte, denn die Werke waren eher „privater Natur“, überwiegend für den privaten Bedarf geschaffen. Mozart scheiterte auch oft mit seinem ansinnen, die Werke zu verlegen – die „Haydn-Quartette“ beispielsweise, die „mühselige Arbeit“, musste er um einen Spottpreis hergeben, um überleben zu können, doch stehen diese Werke bei mir weitaus höher im Kurs, als allgemein als „typische Mozartwerke“ bekannte Schöpfungen.


    Was also ist bei den Taminos und Taminas „typisch“ an Mozarts Musik?


    Sehr gespannte Grüße
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Salut


    Zitat

    In allen drei Beispielen ist erkennbar, dass sich der „wahre Mozart“ überwiegend in der Kammermusik entpuppen konnte,...


    Ich postuliere einmal ganz zwanglos, dass dies für jeden klassischen Komponisten gilt. Die Kammermusik war die musikalische Werkstatt, wo erstmals Neues versucht und auch erprobt wurde, bevor es Eingang in die "großen" Kompositionen für die Öffentlichkeit fand. Deshalb ist Kammermusik nicht nur anspruchsvoller, sondern zumeist auch "moderner". Mozart wird mit seiner Kammermusik wahrscheinlich weit ins 19. Jahrhundert gewiesen haben, und wir haben schon in diesem Forum gelesen, dass Beethoven und Schubert in ihren späten Kammermusikwerken musikalisch bis ins 20. Jahrhundert reichen...

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Hallo


    Die Mehrheit aller Menschen verbindet Mozart mit der "kleinen Nachtmusik"- Das hat IMO zu vielen Vorurteilen geführt.


    Kommen wir nun zum "typischen" Mozart-Klang.


    Ketzerisch würde ich mal sagen, er besteht nur als Ideal.
    In Wahrheit handelt es sich mehrheitlich doch um das "kollektive Klangbild des auslaufenden 18. Jahrhunderts.


    Um gleich alle Protestschreie im Keime zu ersticken:


    Immer wieder wurden "fremde " Werke Mozart zugeschrieben.
    Eberl beispielsweise, durfte es beispoielsweise erleben, daß einige seiner Werke kritiklos Mozart zugeschrieben wurden, er war sehr stolz darauf.


    Dann gibt es noch Hornkonzerte von Antonio Rosetti, die gleichfals als Mozarts Kompositionen geführt wurden.


    Ähnliches kann über einige Werke Deviennes gesagt werden.


    Etliche Zuschreibungen sin noch bis heute ungewiss.


    Hört man Stellen aus Salieris Opern, wird man gelegenttlich stark an Mozart erinnert, ditto Soler oder Cimarosa. Beim "Stein der Weisen" ist bis heute nicht endgültig geklärt was hier von Mozarts Hand ist - und was nicht


    Mozart selbst war sich der Tatsache, daß er nicht unverwechselbar war, wohl bewußt, nicht umsonst betrachtete er Kozeluch und Salieri als gefährliche Konkurrenten.


    Das Gesagte schmälert nicht den Stellenwert Mozarts in der Musikgeschichte, sondern stellt aus meiner Sicht der Dinge, jene Relationen wieder her, die zu Mozarts Lebzeiten ohnedies Realität waren.



    Freundliche Grüße aus Wien



    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Man glaubt ihn zu erkennen, erkennt ihn, dirigiert mit und weiß, daß man sich wieder pausenlos geirrt hat.

    Otto Rehhagel: "Mal verliert man und mal gewinnen die anderen".
    (aus "Sprechen Sie Fußball?")

  • Zitat

    Original von Rienzi
    Man glaubt ihn zu erkennen, erkennt ihn, dirigiert mit und weiß, daß man sich wieder pausenlos geirrt hat.


    Eine ganz wunderbare Antwort!


    :jubel:

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Salut,


    die Sache mit den Hornkonzerten birgt noch heute ein schier unlösbares "Problem": Die "Echtheit" des Rondó D-Dur KV 514, heute als 2. Satz zu KV 412 [386b] sortiert, lässt Zweifel aufkommen. Bereits Christoph Wolff erläutert in seinem Buch "Mozarts Requiem", dass es zwei Fassungen des Rondos gibt: Die eine ist von Mozart, versehen mit "interessanten" Anmerkungen in grüner Tinte, die andere Fassung stammt von Franz Xaver Süßmayr. Wolff ging davon aus, dass Süßmayr das Werk Mozarts "kopiert" habe. Neuedings jedoch ist man fast der Meinung, es handele sich um ein Werk Süßmayrs, welches Mozart mit verballhornenden Anmerkungen versah und "richtig" :D instrumentiert hat.


    Schön ist es allemal...


    LG
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Leider keine Zeit für längere Tests oder Nachhören, aber ich wage zu behaupten, dass Mozart in vielen Werken ab Anfang Mitte der 1780er doch ziemlich deutliche Stilmerkmale zeigt. Natürlich kann es dennoch einzelne Verwechslungen geben.


    -Mozart bevorzugt einen sehr farbigen, dabei satten Orchesterklang" (heute würde man sagen vol fette Bläser ey). Dass einzelne Passagen aus Klavierkonzerten wie für "die Harmonie" klangen, fiel schon den Zeitgenossen auf. Selbst wenn er nicht viele Bläser hat, macht er mitunter Dinge wie geteilte Bratschen, nutzt Hörner um einen dunklen vollen Klang zu erzeugen (zB in der Sinfonia concertante 364)
    Haydn klingt von den ganz späten Werken abgesehen häufig viel "karger", sparsamer.


    -viele Sätze Mozarts sind außerordentlich breit angelegt, durchaus doppelt so lang wie Sinfoniesätze des mittleren Haydn oder Vanhals o.ä. Entsprechend ist häufig de Fülle musikalischen Materials, melodisch selbstständige Überleitungen und Schlußgruppen, mitunter zählt man 4-5 Themen in einem Satz, wogegen Haydn oft mit anderthalb auskommt


    -Gestalt der Themen: häufig breite Melodien, deutliche 4+4 o.ä. Perioden, weniger winzige Motive, in Durchführungen eher neue Gegenthemen als "Zerhackung" oder Reduktion auf Teilmotive (a la Haydn und Beethoven)
    (sowas wie der Beginn des d-moll-Konzerts ist die absolute Ausnahme bei Mozart)
    -von Harmonielehre habe ich keine Ahnung, bilde mir aber ein, dass sich da auch eine recht deutliche Signatur finden ließe. Ulli nannte ja schon einige harmonisch kühne Passagen.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Salut,


    im Prinzip triffst Du es damit schon ganz gut - zwar nicht fett, sondern wohldosiert, aber immerhin auffallend, bereits für die Zeitgenossen. Wichtiges Merkmal bei Betrachtung der Holzbläser sind die Imitationen der Streicher, welche z. B. Süßmayr im Requiem recht gut organisiert hat [Benedictus].


    Haydn soll sich ja mal bei Mozart beklagt haben, dass er dieselben Melodien wie Mozart verwende, aber die Musik im Egebnis doch eine andere ist.


    Geteilte Bratschen gibt es bei Mozart oft, gar doppelt besetzt, wie z.B. in der "Zauberflöte". Bei der Doppelbesetzung der Bratschen war aber eigentlich Antonio Rosetti der Vorreiter.


    LG
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Danke lieber Ulli,


    Du siehst, auch Schweinsohren sind für etwas gut.

    Otto Rehhagel: "Mal verliert man und mal gewinnen die anderen".
    (aus "Sprechen Sie Fußball?")

  • Hallo, Ulli!


    Ich weiß bis heute nicht, was "typisch Mozart" ist. Gewiß, es gibt einige Werke, die ich Leuten (Laien), die ein typischens Mozert-Werk hören möchten, empfehlen würde. Aber Mozart ist so vielseitig, daß die Typologie seiner Werke nicht eng erfaßt werden kann.
    Einige formale Kriterien, wie sie Johannes genannt hat, mag es aber geben. Ich kann das nicht so gut nachvollziehen.
    Dennoch "erkenne" ich Mozart-Werke meistens. Kunststück, denn der ähnlichste Komponist, den ich sonst so höre, ist Joseph Haydn. Mit Rosetti oder Martin y Soler oder... hatte ich es noch nie zu tun. Ich kann mir vorstellen, daß eine Unterscheidung dann schwerer fällt.


    Viele Grüße,
    Pius.

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  • Ein Problem ist ja hier, daß man das meiste von Mozart kennt, somit ist die Probe aufs Exempel schwierig


    Bei den Mozart-ähnlichen Komponisten habe ichnoch Johan Christian Bach vergessen, den ich in meiner frühesten Jugend mit Mozart teilweise verwechselte.


    Dann erinnere ich gerne an einige Violinkonzerte von Viotti ,,,,



    Ganz richtig wurde hier auch gesagt, daß es umso schwieriger wird Mozarts Eigenheiten zu beschreiben, desto mehr seiner Zeitgenossen man kennt.


    Freundliche Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt


    Ganz richtig wurde hier auch gesagt, daß es umso schwieriger wird Mozarts Eigenheiten zu beschreiben, desto mehr seiner Zeitgenossen man kennt.


    Salut,


    interessant: Mir geht es da ganz genau anders herum - je mehr "Konkurrenten" ich kennen lerne, um so transparenter wird mein musikalisches "Mozartbild".


    Sicher - es gibt eine Hand voll Komponisten, die sich durchaus mit Mozart "messen" lassen bzw. umgekehrt: Mozart war ja zumeist jünger als seine Kollegen und hat durch sie bis ~ 1787 "gelernt". Bis zu dieser Zeit sind die stilistischen Merkmale von z.B. Mithridate oder Lucio Silla kaum von Johann Christian Bachs Endimione oder La clemenza di Scipione zu unterscheiden. Aber einen Don Giovanni z.B. oder gar eine Zauberflöte würde man niemals bei Martín y Soler oder Giovanni Paisiello finden.


    sans, souci
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zitat

    Original von Ulli
    die Sache mit den Hornkonzerten birgt noch heute ein schier unlösbares "Problem": Die "Echtheit" des Rondó D-Dur KV 514, heute als 2. Satz zu KV 412 [386b] sortiert, lässt Zweifel aufkommen. Bereits Christoph Wolff erläutert in seinem Buch "Mozarts Requiem", dass es zwei Fassungen des Rondos gibt: Die eine ist von Mozart, versehen mit "interessanten" Anmerkungen in grüner Tinte, die andere Fassung stammt von Franz Xaver Süßmayr.


    Ha, Ha,


    Kauf Dir mal (LP vermutlich nicht mehr da, also nur) die CD: Olympia OCD 470.
    Da werden die Hornkonzerte von Mozart gespielt von Hermann Jeurissen, begleitet von Niederländischen Kammerorchester. Leitung: Roy Goodman.


    Jeurissen hat die Fragmente ergänzt oder aber orchestriert oder aber rekonstruiert. Deshalb gibt es auf diese CD 6 (SECHS) Mozartse Hornkonzerte.


    In das Einlageheft stehen wörtlich die "interessanten" Anmerkungen.
    Für den Liebhaber: der letzte Track dieser CD ist eine Wiederholung des obergenannten 2. Satz zu KV 412 [386b]. Mit vokaler Unterstützung!! Ein Italienischer Darspieler spricht al diese "verballhornenden Anmerkungen".