Für die Traviata in der Semperoper am 02.01.2019 hatte ich mir Karten gekauft, weil ich gerne Attala Ayan und Thomas Hampson hören wollte und ohnehin wegen der Bohème am Vortag im Großraum Dresden war. Vor ein paar Tagen wurde Ayan bereits durch René Barbera ersetzt, den ich auch gerne gehört hätte. Bis zum gestrigen Vormittag habe ich immer wieder nachgesehen, ob es noch Umbesetzungen gäbe. Umso größer war die Überraschung, dass auf dem Besetzungszettel weder Barbera, noch Hampson standen. Vor der Aufführung gab es eine Ansage der Semperoper frei nach dem Motto "überbringe eine gute Nachricht, dann kannst du die schlechte Nachricht unter den Tisch fallen lassen." Für das kurzfristige Einspringen von Pavol Breslik gab es großen Beifall, dass Hampson nicht singen würde, wurde verschwiegen. Ein Freund hat mir Screen-Shots geschickt, weil auf der deutschen Seite Antonio Yang und auf der englischen Version Hampson angezeigt waren. Kranke Sänger sind also nicht aufgetreten, dafür haben ein paar Huster das Publikum grausam gequält und finden nun hier Erwähnung. Eine Frau hat kräftig in die Violetta-Szenen und das Vorspiel zum 4. Akt gehustet. Als sie dann doch endlich den Saal verlassen hatte, ging es vor der Tür noch schlimmer weiter.
Die Aufführung hat nicht das Niveau der Bohème am Vortag erreicht. Wie schon von der Traviata in Berlin berichtet, hatte die Violetta von Venera Gimadieva nichts Außergewöhnliches. Sie kam sympathisch rüber und sang insgesamt ordentlich, aber auch unausgeglichen und mit kühler Stimme. Insgeheim hatte ich gehofft, dass Ekaterina Bakanova einspringen würde. An den Alfredo von Pavol Breslik musste ich mich erst Stück für Stück gewöhnen. Dass er eine schöne Stimme hat, ist sicher ebenso unstrittig wie die Tatsache, dass er zu den interessanten Sängern gehört. Allerdings hatte ich bei ihm nicht zum ersten Mal den Eindruck, dass er "über Fach" singt und seine schöne Stimme langfristig Schaden nehmen könnte. Außerdem klang mir sein Vortrag trotz guter Phrasierungen zu unitalienisch. Dennoch bot er die beste Leistung des Abends und hat mir am Ende gefallen. Antonio Yang, zuvor in Nürnberg und Lübeck im Ensemble, ist seit dieser Spielzeit freischaffend tätig, singt aber etliche Abende und mehrere Rollen in Dresden. Er sang den Giorgio Germont sehr kultiviert und kraftvoll. Die Stimme könnte vielleicht ein wenig edler sein. Zu seinen Rollen gehören auch Holländer, Wotan, Rigoletto und Macbeth. Als Flora ist mir Grace Durham positiv mit angenehmem Mezzo aufgefallen. Birgit Fandrey hingegen klang recht ältlich. Sehr gut gefallen hat mir wieder das Dirigat von Stefano Ranzani, der, wie schon in der Bohème offenkundig, offenbar die Extreme liebt. Manches war extrem langsam dirigiert, anderes, wie der 3. Akt, sehr schnell. Er scheint mir ein sehr guter Sängerdirigent zu sein, der die Sänger förmlich durch den Abend trägt. Einzig der Damenchor hatte Mühe das Tempo mitzugehen. Übrigens gab es wieder viele freie Plätze im Haus.
@ Chrissy: an Diskussionen über Inszenierungen beteilige ich mich hier nicht. Das überlasse ich gerne anderen Foristen. Nur soviel: ich bin durch die schöne Produktion von Götz Friedrich aus dem Jahr 1999 an der Deutschen Oper Berlin sehr verwöhnt. Mich hat die Homoki-Produktion nicht geärgert, aber sie ist auch alles andere als ein großer Wurf. Es ist immer wieder schade, dass intelligente, gute Produktionen oft recht schnell aus dem Repertoire verschwinden, während diese Traviata seit der Premiere im Jahr 2009 bereits ihre 59. Vorstellung erlebt hat.