Das Lied von der Erde (Mahler) mit Klaus Florian Vogt in der Hamburgischen Staatsoper, 10.10.2019

  • Soll man berichten, wenn ein sonst erstklassiger Sänger einen rabenschwarzen Tag hat? In diesem Fall ja, denn der Gesangspart ist bei Mahlers Lied von der Erde doch von herausragender Bedeutung, und Klaus Florian Vogt hatte neben der Tenor- auch noch die Baritonpartie übernommen. In froher Hoffnung, seine zuletzt auch beim Lied von der Erde hier in der Hamburgischen Staatsoper gehörtes silbrig schimmerndes, überirdisch schönes Timbre zu erleben, zerschlug sich gleich von Anbeginn an. Als ob das Timbre verschwunden war, der Klang seiner Stimme an den exponierten Stellen war eher blechern und wenig schön anzuhören, nur bei Einsatz der Kopfstimme gelangen einige, recht kurze, angenehmere Passagen. Für den Baritonpart fehlte es, eigentlich erwartungsgemäß, bei der von der Natur aus eher hoch gelegenen Stimme, an Resonanz und damit auch an Ausdruck, das abschließende „ewig … ewig ging völlig unter. Dabei hatte das Philharmonische Staatsorchester unter der Leitung von Simon Hewett einen guten Tag, der Dirigent nahm auch viel Rücksicht auf den Sänger. Da es sich um einen von John Neumeier choreographierten Ballettabend handelte, bleibt noch etwas zum Tanz zu sagen: Hélène Bouchet war mit ihrer Langgliedrigkeit und eleganten Linienführung in der weiblichen Hauptpartie unübertrefflich, ihr sprung- und ausdrucksstarker Partner Alexandr Trusch ebenso, auch die anderen Tänzerinnen und Tänzer waren ausgezeichnet. Insgesamt war es also ein Abend mit Höhen und Tiefen.

    Oper lebt von den Stimmen, Stimmenbeurteilung bleibt subjektiv

  • und Klaus Florian Vogt hatte neben der Tenor- auch noch die Baritonpartie übernommen.

    Klaus Florian Vogt und Bariton, das wäre nun so ziemlich das letzte, was ich miteinander in Verbindung gebracht hätte. :D

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Klaus Florian Vogt und Bariton, das wäre nun so ziemlich das letzte, was ich miteinander in Verbindung gebracht hätte. :D

    Also, da habe ich jetzt allerdings auch gestaunt. Das letzte Mal, dass ich so verblüfft war, was diese Sparte "Tenor/ Bariton" anbetrifft, war, als ich vor vielen Jahren las, dass auch Carlo Bergonzi dereinst als Bariton begonnen hatte. Beide Sänger schätze ich als Tenor sehr, kann sie mir jedoch als Bariton auch mit viel Phantasie kaum vorstellen...

  • Ich finde ja, dass Klaus Florian Vogt selbst für die Tenor-Lieder aus dem "Lied von der Erde" eine Fehlbesetzung ist. Zwei der drei Lieder sind Trinklieder, da braucht es eine zupackende, kräftig-maskuline Stimme und nicht die leicht "anämische" Stimme von Vogt. Es gibt eine Aufnahme mit ihm mit Nagano am Pult, die ich ganz unerträglich finde, ich habe es nicht geschafft, die komplett anzuhören.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Hallo Ralf, ich könnte schwören, dass ich erst neulich noch auf dem Besetzungszettel neben Vogt einen Barition vermerkt sah. Wie hieß der doch noch schnell? War es Christoph Pohl? Der wird nun nicht mehr angezeigt. Irre ich mich? Ich kann mir Vogt im "Lied von der Erde" auch nicht vorstellen, schon gar nicht fürs Ganze. Welcher Irrtum! Ich tue mich ja auch schwer mit dem vertanzten Mahler. Das will mir nicht recht passen. Zuletzt hatte ich Vogt als Einspringer für Breslik in einer konzertanzen "Rusalke" hier in Berlin gehört. Da war er nach meinem Eindruck noch der Beste. Ich hatte immer eine gewisse Schwäche für ihn. Allerding ist dieser Gefühlsvorrat inzwischen etwas verbraucht. :(

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Lieber Rüdiger,

    Christoph Pohl habe ich am 07.06.2018 im Lied von der Erde gehört (mit dem Tenor Maximilian Schmitt). 2016 hatte KF Vogt schon den Tenorpart in dem Ballett gesungen, sehr gut übrigens, zusammen mit M. Kupfer-Radecky. Warum KF Vogt jetzt beide Partien gesungen hat, weiß ich nicht, er steht auch schon in der Programmvorschau 19/20 als alleiniger Sänger verzeichnet. Noch eine Anmerkung zum Ballett: John Neumeier hat ja mehrere Mahler Sinfonien choreographiert, man mag es nicht glauben, Komposition und Choreographie reichen sich die Hände und vertiefen den Eindruck, vor allem die III. Mahler ist gigantisch tänzerisch interpretiert. Man hätte zunächst auch nicht gedacht, dass Tanz und Bachs Mattäuspassion zueinander passen, man muss es einfach gesehen haben, und viele, die das zunächst als Sakrileg empfanden, waren hinterher vom Gegenteil überzeugt, natürlich nicht alle; das kam selbst in Moskau, der Ballettmetropole schlechthin, gut an, wo Neumeiers Choreographie der Matthäuspassion am 25.10.2017 im Tschaikowsky-Konzertsaal aufgeführt wurde (wir waren damals dabei), die Zuschauer waren am Ende begeistert, wenngleich manche vorher gegangen waren.

    Viele Grüße, Ralf

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