Maria Bjeschu – Sopran aus Moldavien (alias Maria Bieșu)
Geboren: 3. August 1935 – Gestorben: 16. Mai 2012
Zitat von Jürgen KestingEs ist schwer zu begreifen, warum Maria Bjeschu … so wenig bekannt geworden ist .
Maria Bjeschu ist familiär vorbelastet: Ihr Mutter war die beste Sängerin in dem kleinen Dorf in der Moldau, in dem sie geboren wurde und aufgewachsen ist. Von ihr hat sie das Singen gelernt. Ihr Repertoire war ganz auf Volkslieder beschränkt.
Als sie nach der Schulzeit an der landwirtschaftlichen Hochschule in Lemberg studierte, hat sie bei Hochschulfeiern Volkslieder gesungen - solo sowie mit einem von ihr gegründeten Chor. Von Professoren ermutigt nahm sie an einem Gesangswettbewerb für Amateurmusiker teil, wo sie Kontakte zu Gesangsexperten bekam, die sie zu einer Gesangsausbildung am Konservatorium in Chișinău ermutigten. In der Zeit hat sie für den Rundfunk bereits viele Aufnahmen moldauischer Volkslieder gemacht.
Gleich nach ihrem Abschluss 1961 erhielt sie ein Engagement am Moldauer Opern-Theater. Ihre erst Partie war die Tosca, noch in derselben Spielzeit übernahm sie die Butterfly, Tatjana und Lisa.
Aber sie hatte andere Pläne: Um sich das italienische Fach zu erschließen, ging sie nach Mailand, setzte dort ihre Studien bei Enrico Piazza fort und wurde schnell in Aufführungen der Scala eingesetzt - wo sie im Laufe der Jahre dann unter anderem Butterfly, Tosca, Aida, Elisabeth, Manon, Nedda gesungen hat. An der Metropolitan Opera hat sie 1971 nur einmal die Nedda gesungen. Es gab freundlich Kritiken in der New York Times. Ihr wurde eine langjähriger Vertrag angeboten, aber sie zog es vor, nach Europa zurückzukehren. In Westeuropa hatte sie zwar auch große Erfolge - vor allem in Italien und Frankreich.
Trotzdem entfaltete sich ihre Karriere doch überwiegend in der Sowjetunion: Vor allem am Bolschoi-Theater aber auch am Kirow-Theater - und nach wie vor in Chișinău. Sie sang von der Violetta bis zu Abigail, von der Mimi bis zur Norma das ganze italienische Fach. Auch im slawischen Fach war sie zu Hause, sang vor allem Tatjana, Lisa, Jolanthe
Die Zahl der Orden und Auszeichnungen, die sie erhalten hat, ist riesig. Darunter sind so 'wichtige' wie der Orden der "Roten Flagge für Arbeit" und der "Leninorden"!
Melomanen interessieren sich aber eher für ihre Gesamtaufnahmen und Recitals, von denen die meisten inzwischen auf CD verfügbar sind.
Dass drei der CDs mit Maria Bjeschu in der Reihe "Russian Vocal School" erschienen sind, betrachte ich allerdings als Irreführung.
Von Geburt ist sie Moldavierin, die Stimme klingt italienisch und die Technik ist es auch.
Für mich hat sie eine der schönsten Stimmen, die man in den 70er und 80er Jahren im italienischen Fach hören konnte. Die Stimme war groß und üppig, ja geradezu verschwenderisch im Klang. Härten und Schärfen, wie man sie häufig von Sopranen der "Russian Vocal School" ertragen muss, gab es nicht. Ihr Glanz und ihr Leuchten waren immer rund, warm und erwärmend.
Für ihr Singen war charakteristisch, dass sie sich stets die Natürlichkeit bewahrt hat, die ihr ihre Mutter offenbar weitergegeben hat. Faszinierend waren die unmittelbare Identifikation mit dem Schicksal der Figuren, die sie jeweils darstellte. Sie konnte Leiden und Leidenschaft ohne alle Allüre zu Klang werden lassen. Davon vermitteln auch ihre Aufnahmen einen sehr überzeugenden Eindruck.
Es soll nicht verschwiegen werden dass ihr mitunter die Wahrhaftigkeit des Ausdrucks wichtiger war als eine gepflegte Gesangslinie. Das sollte aber bitte nicht als verschönernde Verhüllung technischer oder musikalischer Mängel verstanden werden. Die gab es wirklich nicht.
Eine sehr bewegende Gesamtaufnahme hat Maria Bjeschu von MADAME BUTTERFLY eingespielt.
Da ist sie in ihrer Glanzzeit zu hören. (Studioproduktion von 1972):
Cio Cio San - Maria Bieshu
Pinkerton - Vladimir Atlantov
Sharpless - Andrei Fedoseyev
Suzuki - Galina Borisova
Mark Ermler; Chor und Orchester des Bolschoi-Theaters Moskau
Melodiya SM 3905-10; EMI 3 C 165-98994/6
Eine ganz besonders hörenswerte Aufnahme ist die Gesamtaufnahme der NORMA.
Man kann zwar schon hören, dass sie die besten Jahre hinter sich hat, aber wenn man sie mit den Norma-Interpretinnen der 80er Jahre vergleicht, wird schnell klar, wie herausragend sie in dieser Partie war. (Studioproduktion von 1986):
Maria Bjeschu - Norma
Ludmila Nam - Adalgisa
Gegam Grigorian - Pollione
Georgi Seleznew - Oroveso
Mark Ermler; Chor und Orchester des Bolschoi-Theaters Moskau
Melodia C 10 25601 (4 LP); Melodia 160 (3 CD); Olympia OCD 160 (3 CD)
Etliche Ausschnitte aus den beiden Gesamtaufnahmen gibt es auch auf YouTube!
Zudem einige der Arien und Duett-Aufnahmen, die sie auf LP oder für den Rundfunk eingespielt hat.
Allerdings auch Mitschnitte von Opern-Aufführungen und Konzerten, die ich aber selbst nicht alle kenne.
Ein kleiner Tipp noch: wenn man bei YouTube "Мария Биешу" eingibt, bekommt man eine noch reichere Auswahl.
Zu guter Letzt wenigstens zwei Videos, die erlauben, einen eigenen Höreindruck zu gewinnen.
MADAME BUTTERFLY Liebesduett mit Atlantow (Leider ist der Klang flach, hart und klirrend: aber hier kann man Bjeschu sehen und hört auch wie großartig sie die Partie gesungen haben muss):
MADAME BUTTERFLY Arie 2.Akt
Ich bin gespannt auf Ergänzungen und würde gern hören, wie Euch diese Sängerin gefällt.
Vielleicht hat sie ja noch Jemand Live gehört?
Caruso41