Es gibt Künstler, die mehr oder weniger nur durch eine Aufnahme im Gedächtnis der Musikfreunde fortleben. Dazu zählt, ähnlich wie der kürzlich vorgestellte russische Dirigent Issay Dobrowen, der sich mit dem BORIS GODUNOW von 1952 ein Denkmal gesetzt hat, der italienische Dirigent Alceo Galliera, der heute vor allem durch die berühmte Aufnahme der Oper IL BARBIERE DI SIVIGLIA (deutsch: Der Barbier von Sevilla) unzähligen Opern-, vor allem Verehrern der Sängerin Maria Callas bekannt ist. Sie dürfte in kaum einer guten Opern-Diskothek fehlen:
Die Aufnahme wurde im Februar 1957 in der Kingsway Hall, London, unter der Regie von Walter Legge für EMI-Columbia produziert. Es war eine der ersten STEREO-Aufzeichnungen von EMI. Es gibt, das sei zumindest angemerkt, auch einen deutsch gesungenen RIGOLETTO von der Bayerischen Staatsoper München, der aber gesanglich ziemlich desaströs geraten ist. Diese Aufnahme wurde als Soundtrack für einen Fernsehfilm verwendet. Gallieras Dirigat ist untadelig, den Rest kann man getrost vergessen.
Alceo Galliera wurde am 3. Mai 1910 in Mailand geboren. Sein Vater war Professor am Konservatorium in Parma. Als er die musikalische Begabung seines Sohnes bemerkt, erteilt er ihm ersten Unterricht. Danach geht der junge Alceo an das Mailänder Konservatorium, wo er schon bald nach dem Abschluß seiner Studien zum Professor für Komposition ernannt wird. Das war im Jahr 1932. Viel später erst, 1941, beginnt er zu dirigieren. Den Zweiten Weltkrieg überlebt er in der Schweiz. 1950/51 weilt er in Australien und leitet dort das Melbourne Symphony Orchestra. Mitte der 50er Jahre geht er zurück nach Europa und übernimmt 1957 die Leitung des Teatro Carlo Fenice in Genua, dem er bis 1960 verbunden bleibt. 1964 bis 1972 ist er Leiter des Städtischen Orchesters in Straßburg. Daneben übernimmt er immer wieder Gastdirigate bei diversen Orchestern. Galliera starb am 20. April 1996, wenige Tage vor seinem 86. Geburtstag, in Brescia.
Den Schallplattenfreunden, die ab dem Beginn der LP-Ära im Jahr 1950 ihre Sammlungen aufbauen, ist er in diesen Jahren ein ständiger vertrauter Dirigent, der den bedeutendsten Künstlern dieser Zeit als kompetenter und feinsinniger Orchesterbegleiter zur Seite steht. So berühmte Pianisten wie Claudio Arrau, Géza Anda, Walter Gieseking, Dinu Lipatti, Artur Schnabel, Ingrid Haebler und Clara Haskil nehmen mit ihm zahlreiche Konzerte auf, andere, wie Arturo Benedetti Michelangeli, ziehen ihn gerne als Begleiter bei öffentlichen Konzerten heran. Aber auch Geiger vom Range eines David Oistrach, Henryk Szeryng, Arthur Grumiaux und Michael Rabin arbeiten gerne mit ihm zusammen, ebenso der bekannte Cellist Pierre Fournier. Für den EMI-Produzenten Walter Legge ist er ein ständig gefragter Künstler. Er zieht ihn auch für Aufnahmen von Sinfonien heran, so gibt es eine Aufnahme von Dvoraks "Neue Welt"-Sinfonie, die sich durchaus mit berühmteren Einspielungen messen kann. Leider wurde sie noch in Mono produziert. Alle diese Aufnahmen hier abzubilden würde den Rahmen des Thread sprengen.
Nicht vergessen werden sollte Galliera auch als Begleiter von Gesangssolisten. So begleitet er z.B. Anna Moffo auf einem Mozart-Recital (1959) und den jungen Nicolai Gedda 1953 mit dem Philharmonia Orchestra bei seinem ersten Recital von Opernarien, das auf einer 30 cm-LP veröffentlicht wird. So sah die Originalausgabe aus:
Galliera war ein universeller Künstler, der sich aber nie in den Vordergrund gestellt hat, sondern seine Arbeit vor allem als Dienst am Werk und den von ihm begleiteten Solisten gesehen hat.
LG Nemorino