Nachdem wir uns hier im Forum in den vergangenen Wochen intensiv mit Tschaikowskys sinfonischem Werk, insonderheit mit den Sinfonien Nr. 4-6, beschäftigt haben, möchte ich jetzt ein "leichtes Stück" von ihm vorstellen, das bis in unsere Zeit eine beachtliche Popularität genoß: das
Capriccio italien, Op. 45.
Das eingängige Werk entstand während eines Italien-Aufenthaltes des Komponisten, im Frühjahr 1880, in Rom. Eine "italienische Suite aus Volksmelodien, in der Art der spanischen Fantasien von Glinka, mit entzückenden Themen, die zu sammeln mir teils aus Sammelbänden, teils nach eigenem Hören auf den Straßen der Stadt gelang", wie Tschaikowsky in Briefen an Frau von Meck im Februar 1880 schrieb. Im Mai des gleichen Jahres schrieb er ihr in einem weiteren Brief: "Ich weiß nicht, welchen eigentlich musikalischen Wert das Werk haben wird, aber ich bin schon jetzt davon überzeugt, daß es schön klingen, d.h. daß das Orchester effektvoll und brillant sein wird."
Das reißerische Stück kam am 6. Dezember 1880 in Moskau zur Uraufführung; der Dirigent war Nikolai Rubinstein. Bereits die Gattungsbezeichnung, "Capriccio", wie Tschaikowsky das Werk überschrieb, signalisiert die lockere Reihungsform, die in fast allen Abschnitten von der Tonart A-dur bestimmt wird. In der überaus farbigen Instrumentierung reflektiert der Komponist seine musikalischen Eindrücke aus Italien. Das 6/8-Signal der Trompeten, welches das Werk eröffnet, hat er auf einem Kasernenhof inmitten der Stadt aufgeschnappt. Es folgt eine italienische Volksweise in Kanonform, das von einem Tanzlied nach Art eines Bolero abgelöst wird. Das wirkungsvolle Final-Presto nimmt den neapolitanischen Rhythmus der Tarantella auf, und in den Schluß klingt wie ein Motto noch einmal das militärische Signal. Das Ganze gleicht einem bunten folkloristischen Bilderbogen, einem Fest der Sinnenfreude, wie der römische Karneval, den Tschaikowsky damals miterlebt hat. "Das Publikum …. braucht weder Schnaps noch Wein, es berauscht sich an der herrlichen Luft, der schmeichelnden Wärme", hält der Komponist die Stimmung des Stücks in einem weiteren Brief an seine Freundin Frau v. Meck fest.
Kennengelernt habe ich das schöne Werk mit einer 45er EP, die noch mitten im Stück gewendet werden mußte:
Ferdinand Leitner dirigiert die Berliner Philharmoniker (Aufnahme: 1960, Berlin).
Eine recht schöne, aber etwas trockene Aufnahme.
Später kaufte ich mir dann diese auf LP, die das lästige Wenden ersparte:
Kyrill Kondrashin mit dem RCA Victor Symphony Orchestra (Aufnahme: 1960).
Das war schon eine ganz andere, viel spritzigere und mitreißendere Angelegenheit, wie auch Rimsky-Korssakows "Capriccio espagnol" auf der Rückseite.
Auf der oben vorgestellten CD sind zusätzlich noch Werke von Khachaturian und Kabalevsky dabei.
Meine absolute Lieblingsversion ist aber seit vielen Jahren diese:
oder hier:
Herbert von Karajan und die Berliner Philharmoniker (Aufnahme: 1966, Jesus-Christus-Kirche, Berlin).
Farbiger, orchestral vollkommener kann ich mir das Werk nicht vorstellen. Karajan serviert hier eine kulinarische Kostbarkeit, mit einer Raffinesse und einer Orchesterkultur, die ganz einfach unerreicht ist. So zumindest ist mein Eindruck. Wenn man diese Version (die von der DGG noch in diversen anderen Kombinationen herausgebracht wurde) hat, braucht man eigentlich keine weitere. Ein Ohrenschmaus!
Allerdings gibt es dieses musikalische Feuerwerk in unzähligen Versionen; kaum ein Dirigent von Rang hat es sich entgehen lassen. Vielleicht nennt der eine oder andere seine Lieblingsaufnahme.
LG Nemorino