Flaubert schildert in seinem historischen Roman von 1862 einen Söldneraufstand gegenüber Karthago, der nach dem Ersten Punischen Krieg in der Mitte des dritten Jahrhunderts v.u.Z. tatsächlich stattgefunden hat.
Zum Inhalt:
Hamilkar Barkas (der Vater jenes Hannibal, der später mit seinen Elefanten die Alpen überquerte) ist nach dem Scheitern der Karthager im Punischen Krieg, in dem er einer von zwei Heerführern war, noch nicht nach Hause zurückgekehrt. Die Söldner, die unter seinem Befehl kämpften und die aus allen Gegenden des Mittelmeerraumes und der benachbarten Länder stammen, warten indessen vor Karthago auf den ihnen versprochenen Sold. Um sie zu besänftigen und die Zahlung herauszuzögern, richten ihnen die Karthager im Park von Hamilkars Palast ein großes Festessen aus. Im Zuge zunehmender Alkoholisierung werden die Söldner immer enthemmter, zerstören die Parkanlagen und essen die heiligen Fische der Familie Barkas. Nun erscheint die (fiktive) Tochter Hamilkars – Salammbô – die jungfräuliche Hohepriesterin der Stadtgöttin Tanit – und bringt die Söldner durch ihr hoheitliches Gebaren und indem sie den libyschen Söldnerführer Matho durch das Angebot eines Weinpokals auszeichnet, zur Raison. Dieser jedoch missversteht das Angebot und verliebt sich in die schöne Frau.
Später werden die Söldner durch einen Trick von der Stadt weg gelockt und man macht ihnen völlig unzureichende Angebote bezüglich ihres Soldes. Schließlich verbünden sie sich alle gegen Karthago und belagern zuerst zwei Nachbarstädte, dann Karthago selbst. Während der Belagerung und auch während der Kriegshandlungen geschehen auf beiden Seiten immer wieder entsetzliche Greueltaten, die Opferung von Kindern, die Verstümmelung und Hinrichtung von Tieren und Menschen. Matho dringt eines Nachts heimlich in das belagerte Karthago ein und raubt den Schleier der Tanit. Diese symbolische Entblößung raubt den Karthagern weiter den Mut, und Salammbô macht sich – aufgehetzt durch ihren Erzieher und Hohepriester – verkleidet auf ins Lager der Söldner und Mathos Zelt, um den Schleier wiederzuerhalten. Dort kommt es zu einer intimen Begegnung mit Matho, aber Salammbô kann danach mitsamt dem Schleier ins Heerlager ihres inzwischen zurückgekehrten Vaters Hamilkar fliehen.
Nach wechselndem Schlachtenglück werden die Söldner schließlich unter entsetzlichen Qualen vollständig aufgerieben,und nur Matho wird gefangengenommen. An Salammbôs Hochzeitstag mit dem Überläufer Naravas, einem numidischen Fürsten, wird Matho auf einen rituellen Spießrutenlauf durch die Straßen Karthagos geschickt und bricht schließlich vor den Brautleuten sterbend zusammen. Salammbô, die ihm wohl doch stärker zugetan war, nimmt sich daraufhin mit Gift das Leben.
Wirkung:
Flauberts Roman war nach seinem Erscheinen ein echter Skandal, häufte er doch Greueltaten noch und nöcher an und erzählte das Ganze völlig kühl, ohne sich mit einer der Seiten zu identifizieren und irgendetwas zu bewerten. Alle Personen handeln aus Egoismus, auch Gefühle sind ich-bezogen und nie selbstentäußernd. Wenn auch Flaubert eher konservativ war und sich sonst nicht besonders gegen die Politik seines Landes wehrte, kann der Roman doch als Kritik am hemmungslosen Imperialismus seiner Zeit gewertet werden.
Meine Meinung:
Ich musste mich durch das Werk ziemlich durchquälen, nur das letzte Drittel hat mich überzeugt.
Flaubert breitet vor dem Leser einen überaus reichen, ja überreichen Bilderrausch aus, gespickt mit den entlegensten Fremdwörtern, die selbst Altphilologen zum Teil überfordern würden und die auch nicht zielführend sind. Für viele Einrichtungsgegenstände, architektonische Details, Rüstungs- und Schlachtenschilderungen werden Fachbegriffe verwendet, die nur zum kleineren Teil im Glossar der Haffmanns-Ausgabe, in der ich den Roman las, erklärt werden. Insgesamt finde ich, dass Flaubert hier zu detailverliebt vorgeht und den Leser damit überfordert, der immer wieder von der eigentlichen Geschichte abgelenkt wird. Seitenweise werden Interieurs, Rüstungsdetails und Kriegsstrategien geschildert. Ich mag eigentlich einen langsamen, auf Einzelheiten eingehenden Erzählfluss, der einem das Setting nahebringt, aber hier geht Flaubert zu kunsthandwerklich vor, berauscht sich zu sehr an gekünstelt wirkenden Details. Das gilt auch für die zahlreichen Szenen größter Grausamkeiten: Sie erschlagen sich gegenseitig und lassen einen deshalb kalt. Weniger wäre hier eindeutig mehr gewesen. So kommt mir der Roman eher wie ein literarischer Vorgänger des späteren Art déco /Jugendstils oder auch der Präraffaeliten vor: Die Schilderungen von Salammbôs Aufmachung hätten diese Maler eins zu eins in ihre Bilder umsetzen können, haben es auch getan:
Carl Strathmann (Salambo, um 1894)
Der Roman liefert dennoch viel Farbigkeit und spannende Handlung. Besonders im letzten Drittel wird die Handlung fortgetrieben, ohne sich ständig in dieser Ornamentik zu verlieren. Insofern ist er auch als Opernstoff verwendet worden: von Modest Mussorsky (nur als Fragment) und Joseph Matthias Hauer.