Es wird Zeit, an einen hierzulande so gut wie vergessenen Klaviervirtuosen zu erinnern, Youri Boukoff (andere Schreibweise: Juri Bukov).
Geboren wurde er am 1. Mai 1923 in Sofia (Bulgarien). Seine Mutter war Opernsängerin und stammte aus Rußland. Früh erkannte sie das musikalische Talent ihres Sohnes und erteilt ihm Klavierunterricht. Bereits im Alter von 15 Jahren gibt er in Sofia sein erstes, erfolgreiches Konzert. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gewinnt er den 1. Preis beim Nationalwettbewerb Bulgariens und bekommt ein damit verbundenes Stipendium für einen Studienaufenthalt in Frankreich. Am Conservatoire National de Paris tritt er in die Klasse von Yves Nat ein und erringt 1946 einen ersten Preis. In der Folge wird er von George Enescu, Edwin Fischer und Marguerite Long gefördert. Er gewinnt etliche internationale Wettbewerbe: Genf (1947), Long-Thibaud, Paris (1949), Concours Reine Elisabeth, Brüssel (1952). Danach nimmt seine Weltkarriere einen steilen Aufschwung.
Es ist ihm vergönnt, als erster europäischer Klavierspieler in der Volksrepublik China auftreten zu dürfen (1956). Obwohl seine Domäne das romantische Repertoire und die russischen Komponisten sind, setzte er sich auch für die Komponisten der Moderne ein und spielte die Musik von Prokofiev bis Menotti. Sein Repertoire umfaßte beispielsweise sämtliche Klaviersonaten von Serge Prokofiev, die er auch für die Schallplatte aufnahm.
Jetzt etwas ganz persönliches: Als ich ca. 1960 auf der Suche nach meiner ersten Aufnahme des Klavierkonzerts Nr. 1 von Tschaikowsky war, besuchte ich in Köln das bekannte Musikhaus P.J. Tonger, ganz in der Nähe des Doms. Dort gab es einen sehr versierten Verkäufer, der gleichzeitig Leiter der Klassikabteilung des Hauses war, ein Herr Viemann. Natürlich war meine Präferenz die damals als Sensation gehandelte Aufnahme des Konzerts mit Van Cliburn (RCA), der 1958 den 1. Preis des Moskauer Klavierwettbewerbs gewonnen und nach seiner Rückkehr in New York mit einer Konfettiparade empfangen wurde. Die Platte kostete damals preisgebunden 25 DM. Für mich Jungspund mit einem Bruttogehalt von 215 DM war die schier unerschwinglich, denn ich wollte bei der Gelegenheit natürlich auch noch ein paar andere Platten mit nach Hause nehmen. Da kam Herr Viemann mit einer 25 cm-LP, da spielte ein mir völlig unbekannter Pianist mit Namen Youri Boukoff den Klavierpart. Die Platte kostete "nur" DM 13,50. Als ich zögerte, meinte der Verkäufer: Die können sie ruhig nehmen, der ist zwar nicht so populär wie der Van Cliburn, aber er spielt mindestens genauso gut! Ich nahm die Platte und habe es nicht bereut. Sie wurde rauf und runter gespielt, bis sie schließlich Ende der 60er durch die Richter/Karajan-Aufnahme (DGG) "ersetzt" wurde. Und so sah sie aus:
Auch der Dirigent Jean Fournet war für mich ein unbeschriebenes Blatt. Doch die Aufnahme war echt gut!
Leider hat Boukoff später, zumindest hierzulande, keine große Rolle gespielt. Es gab zwar etliche Aufnahmen, aber da der Künstler wenig bekannt war, führten sie ein Nischendasein. Als ich einem Freund stolz meine Neuerwerbung vorführen wollte, meinte der geringschätzig: Boukoff - wer ist das? Nie gehört!
Deshalb möchte ich ihm hier im Tamino-Forum ein kleines Denkmal setzen, obwohl mir jetzt schon klar ist, daß es auf wenig Resonanz stoßen wird.
In seinem Heimatland Bulgarien war Youri Boukoff eine "feste Größe", man nannte ihn gerne den "bulgarischen Rubinstein". 1964 erwarb der Künstler die französische Staatsbürgerschaft. In seinen letzten Lebensjahren lebte er zurückgezogen in Paris, wo er am 8. Januar 2006 gestorben ist. Seine Aufnahme der Chopin-Etüden wurde von der Kritik mit besonderem Lob bedacht.
Nachstehend noch ein paar Aufnahmen des Künstlers, die größtenteils, wenn überhaupt, nur als LP zu erwerben sind:
Die Bach-LP ist sogar, wie man deutlich sehen kann, handsigniert.
LG Nemorino