SIBELIUS, Jean: "Andante festivo" - "in seiner Feierlichkeit geradezu sakral"
Antti Favén: Portrait Jean Sibelius (1925), Finnische Nationalgalerie, Helsinki
Anlass für die Komposition war das 25. Jubiläum der Fabrikanlagen in Säynätsalo, einer Insel im Päijänne, dem längsten See Finnlands. Kurz vor dem Weihnachtsfest 1922 wurde der Komponist vom Vorstandsvorsitzenden Walter Parviainen um eine Festkantate zu diesem Anlass gebeten. Sibelius entschied sich gegen die moderne Tendenz, "in einem solchen Tonwerk die mechanischen Eigenschaften des Festobjektes zu unterstreichen", seine "wichtigste Inspirationsquelle [blieb] die Natur" (Jukka Tiilikainen). So wurde es zunächst als größtmöglicher Gegensatz zu einer festlichen Kantate ein puristisches Streichquartett, das er aus seinen Entwürfen heraussuchte. Womöglich gehen die ersten Pläne gar auf den Beginn des 20. Jahrhunderts zurück. Die Erstaufführung in dieser kammermusikalischen Form als Streichquartett "Andante festivo" JS 34a erfolgte sodann am 28. Dezember 1922.
Völlig zufrieden scheint Sibelius mit dieser Fassung nicht gewesen zu sein, denn bereits anlässlich der Hochzeit seiner Nichte Riitta im Jahre 1929 gelangte eine Fassung zu Gehör, wo zwei kombinierte Streichquartette spielten.
Die heutzutage geläufige Fassung des "Andante festivo" entstand indes erst in den späten 1930er Jahren. Tatsächlich kam die Anregung durch das sehr rege Radio-Hören des Komponisten, welcher der Ansicht war, dass man für den Rundfunk anders komponieren müsse, um die Dürftigkeit der damaligen Lautsprecher auszugleichen. 1938 ersuchte der Kritiker Olin Downes von der "New York Times" darum, Sibelius möge zu Ehren der New Yorker Weltausstellung in einer Rundfunksendung einen Gruß aus Finnland an die Welt dirigieren. Der bereits 73-jährige Komponist sagte wider Erwarten zu. Die wurde das erste öffentliche Dirigat des Komponisten nach einem Jahrzehnt und sollte zudem sein letztes werden. Sibelius setzte das ihm liebe "Andante festivo" für Streichorchester und Pauken ad libitum JS 34b. In dieser Form erklang es sodann zum ersten Male am Neujahrstag 1939 im Finnischen Rundfunk in Helsinki unter Stabführung des Komponisten, der das Finnische Rundfunkorchester dirigierte. Diese orchestrierte Fassung setzte sich schnell als die übliche durch.
Besonderes Interesse verdient das "Andante festivo" auch deswegen, da es sich um die einzige überlieferte Einspielung des Komponisten selbst handelt. Sibelius wählt ein breites Zeitmaß und kommt auf eine Spielzeit von 6 Minuten. Obwohl diese authentische Interpretation seit Jahrzehnten vorliegt, hat sich offenkundig kein späterer Dirigent exakt an die Tempovorstellungen von Sibelius gehalten, sind doch eigentlich alle neueren Einspielungen (teils deutlich) flotter dirigiert, von unter 4 Minuten bis etwas über 5 Minuten Spielzeit.
Zweifellos steht das "Andante festivo" "den Modeströmungen in der Kunstmusik jener Zeit konträr gegenüber: es ist ein humanes und erhabenes, in seiner Feierlichkeit geradezu sakrales Werk" (Jukka Tiilikainen).
Die Rundfunkübertragung von 1939 unter Sibelius' Dirigat liegt remastered auf CD vor:
Spätere Einspielungen der Fassung für Streichorchester und Pauken ad lib. JS 34b (Auswahl):
Ungarisches Staatsorchester/Jussi Jalas (1975)
Spielzeit: 4:59
Göteborger Symphoniker/Neeme Jävi (1982)
Spielzeit: 5:03
Philharmonisches Orchester Helsinki/Leif Segerstam (1999)
Spielzeit: 3:44
Sinfonia Lahti/Osmo Vänskä (2003)
Spielzeit: 5:10
Philharmonisches Orchester Bergen/Sir Andrew Davis (2013)
Spielzeit: 4:05
Fassung für Streichquartett JS 34a (Auswahl):
Tempera Quartet (2005)
Spielzeit: 5:11
Quatuor Alfama (2010)
Spielzeit: 4:06
Hier schließlich die von Jean Sibelius selbst dirigierte Aufnahme vom 1. Jänner 1939: